Hilfsgüter der WHO
Um Lieferketten zu stabilisieren, soll in Zukunft künstliche Intelligenz verwendet werden. Das kann auch die Ankunft von Hilfsgütern in Krisengebieten beschleunigen.
IMAGO/Rizek Abdeljawad

Steyr – Jahrelang ging die Entwicklung der Weltwirtschaft nur in eine Richtung: Globalisierung. Die Produktion von Waren aller Art wurde nicht zuletzt aus Kostengründen immer komplexer. Gleichzeitig gelang es, Lieferketten erstaunlich effizient und verlässlich zu gestalten.

Mit der Corona-Pandemie wurden die Grenzen dieses Systems mit einem Schlag sichtbar. Ein Mangel an Computerchips und anderen Bauteilen ließ die Produktion in unzähligen Branchen zum Erliegen kommen. Der Ukrainekrieg wiederum offenbart die Schwächen in der Nahrungsmittelversorgung, da von Sonnenblumenöl über Senf bis Getreide viele Produkte aus der Ukraine stammen.

Intelligente Entscheidungshilfen

Um globale Lieferketten auch in Krisenzeiten stabilisieren und Unternehmen bei der vorausschauenden Planung helfen zu können, soll künftig verstärkt künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt werden. Hier setzt das von der Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft und dem Wirtschaftsministerium geförderte neue Josef-Ressel-Zentrum am Logistikum der FH Oberösterreich Campus Steyr an.

Anhand von maschinellem Lernen und vorausschauender Datenanalyse sollen Entwicklungen im Liefernetzwerk prognostiziert und Handlungsempfehlungen gegeben werden. Als Firmenpartner, um das KI-System zu trainieren und in der Praxis zu überprüfen, konnten der Möbelbeschläge-Produzent Blum, der Fensterhersteller Internorm und der Heizungshersteller Vaillant gewonnen werden. Sie erwarten sich künftig Entscheidungshilfen, um die höchstmögliche Verfügbarkeit ihrer Produkte bei möglichst geringen Lagerbeständen zu garantieren.

Schwierige Vorhersage

Einzigartige disruptive Ereignisse wie eine Pandemie anhand von Datenmaterial vorherzusagen bleibe extrem schwierig, räumt Patrick Brandtner, Leiter des neuen Josef-Ressel-Zentrums, ein. Dennoch wolle man in der Nachbetrachtung lernen, wie sich eine Pandemie mit bestimmten Infektionsverläufen und regulativen politischen Maßnahmen wie Lockdowns auf Produktions- und Lieferketten auswirkt: "Relevantes Wissen zu extrahieren ist eine Herausforderung. Wir arbeiten stark mit Mustererkennung, lernen aus der Vergangenheit und leiten daraus die Zukunft ab."

Auch die aktuelle Zinspolitik und damit zusammenhängende Inflationsraten spielen bei etwaigen Unsicherheiten eine Rolle, die für Produktionsabläufe und Lieferketten berücksichtigt werden müsse. Aus Marktmechanismen der Vergangenheit, die in den Daten abgebildet sind, würden sich so Schlüsse für die Zukunft ableiten lassen, ist Brandtner überzeugt.

Zukunftsmusik

Das mit einem Budget von zwei Millionen Euro ausgestattete Forschungsprogramm ist auf fünf Jahre ausgelegt. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen danach weiteren interessierten Unternehmen zur Verfügung stehen. Während der Projektlaufzeit werden die entwickelten Modelle und Methoden in Pilotprojekten mit den Unternehmenspartnern validiert sowie Zwischenergebnisse in wissenschaftlichen Journalen publiziert.

Nach dem Ende des Forschungsprogramms sind eine Weiterführung der Forschung und die Beantragung von thematisch nachfolgenden Projekten geplant. (Martin Stepanek, 30.10.2023)