Britney Spears The Woman in Me
13 Jahre lang war das Leben von Britney Spears fremdbestimmt. Mit ihrer Autobiografie will sie sich ein Stück Freiheit zurückholen.
APA/AFP/JEWEL SAMAD

Es gibt Menschen, denen bekommt der Ruhm. Britney Spears gehört nicht dazu. Daran zweifelt man nach der Lektüre ihrer 276 Seiten umfassenden Autobiografie nicht mehr. Am wenigsten zweifelt sie selbst daran. "Ich finde, dass manche Menschen mit Ruhm gut umgehen können. Ich kann es nicht", schreibt sie in The Woman in Me, das am Dienstag weltweit erschienen ist.

Man sollte sich dabei nicht vom Titel täuschen lassen, der ein wenig nach Selbstfindungstrip klingt. Das Buch beschreibt aus der Perspektive der heute 41-Jährigen, wie harsch die Umstände waren, die aus ihr einen gebrochenen Menschen machen sollten – Fremdbestimmung, Kontrollverlust und immer wieder die eigene Unfähigkeit, das Leben in die Hand zu nehmen.

Britney Jean Spears wurde 1981 geboren, sie wuchs in einer Kleinstadt in Louisiana auf. Dort "schloss niemand seine Haustür ab, die Kids liefen alle in ähnlichen Klamotten herum, und alle wussten, wie man eine Schusswaffe abfeuert". Zu Hause gab es den alkoholkranken Vater, die Mutter, die immer wieder vergeblich versuchte, sich scheiden zu lassen. Und den Großvater, der die Großmutter in den Selbstmord trieb. Er hatte diese nach dem Tod eines ihrer Kinder in eine Nervenheilanstalt einweisen lassen, wo sie unter Lithium gesetzt wurde. Ganz ähnlich sollte es später auch Spears ergehen.

Vorboten des Unglücks

Ihr späterer Zusammenbruch schwebt wie eine dunkle Wolke über den Zeilen, man fragt sich beim Lesen bang, wann es zum Kipppunkt kommt. Talentwettbewerbe, Theaterengagements in New York mit neun Jahren, das harte Training beim Mickey Mouse Club zusammen mit Justin Timberlake und Christina Aguilera prägen ihr junges Leben. Es folgen der erste weltweite Erfolg mit ... Baby One More Time, als sie 16 Jahre alt war, und die frühe Sexualisierung, die sie erst gar nicht begreifen konnte. Mit Timberlake führte sie mehrere Jahre lang eine Beziehung, die sich wie der düstere Vorbote jener vielen gescheiterten Partnerschaften liest, die ihr noch bevorstehen sollten: Betrug, ein traumatischer Schwangerschaftsabbruch, den sie um jeden Preis geheim halten wollte ("Ich lag da und fragte mich, ob ich jetzt sterben müsste"), die Trennung via SMS und anschließende Diffamierungen, die ihr schwer zusetzten.

Britney Spears The Woman in Me 
Nach der Trennung vom Pop-Kollegen Justin Timberlake wurde Spears oft massiv angefeindet.
AFP/TOM MIHALEK

In einem Interview mit der Talkshow-Moderatorin Diane Sawyer bohrte diese so lange nach, bis Spears in Tränen ausbrach. Sie beschreibt diese Erfahrung als Wendepunkt, ab diesem Moment "breitete sich etwas Dunkles in mir aus". Wenige Jahre später, sie hatte innerhalb kurzer Zeit zwei Söhne von dem Rapper Kevin Federline bekommen, folgte der endgültige Kontrollverlust: Nach der Trennung entzog ihr Federline oft wochenlang die Kinder und verweigerte ihr immer wieder den Kontakt. Verrückt vor Schmerz, wie Spears schreibt, rasierte sie sich einen kahlen Schädel. "Zu dem Zeitpunkt war die Fassade bereits dermaßen abgebröckelt, dass nichts mehr übrig war. Meine Nerven lagen blank."

Machtlos und zugedröhnt

Überhaupt scheinen es immer wieder die Männer aus ihrem engsten Umfeld zu sein, die ihr wohl am übelsten mitspielten. Die Erzählung spitzt sich merklich zu, als ihr Vater wieder in den Vordergrund tritt. Der Mann, zu dem sie sich als Kind nicht ins Auto setzen wollte, weil sie seine Zurechnungsfähigkeit anzweifelte, übernahm 2008 die Vormundschaft, um über das Leben der inzwischen 27-Jährigen zu bestimmen. Und das tat er: Jahrelang gab er vor, was sie essen, wen sie treffen, wann sie schlafen sollte. Gegen ihren Willen wurde ihr eine Verhütungsspirale eingesetzt, wurden ihr Telefon und ihr Schlafzimmer abgehört. 2019 gipfelte das in einer Einweisung in eine psychiatrische Klinik, in der sie "zwei Monate, die wie Einzelhaft gewesen waren, zugedröhnt von Lithium" festgehalten wurde.

Britney Spears The Woman in Me
Man sollte sich nicht von dem etwas kitschigen Titel täuschen lassen: Spears ist in ihrem Buch so ehrlich, dass es manchmal wehtut.
AP

Spears' Erzählung ist nicht immer stimmig, oft verstrickt sie sich in widersprüchliche Aussagen zu ihrem Drogenkonsum oder ihrer Religiosität. Manchmal wiederholen sich ganze Sätze, dann fehlen wieder wichtige Details, die nötig wären, um die Geschichte kohärent zu erzählen und zu verstehen. Wiederholt stellt man sich als Leser Fragen, die am Ende unbeantwortet bleiben: Waren wirklich immer nur die anderen schuld? Was hat es mit den Nahrungsergänzungsmitteln auf sich, deretwegen sie mehrere Suchttherapien machen musste, obwohl sie angeblich harmlos waren? Und wie steht es um das Verhältnis zu ihren Söhnen?

Trotz allem, was in ihrem Buch offenbleibt: Man versteht danach, warum Britney Spears sich heute im Internet oft auf merkwürdige Weise präsentiert. Warum sie mit großen Augen in die Kamera blickt, als würde sie sich selbst zum ersten Mal sehen, lasziv tanzt, sich nackt fotografiert. "Wenn man sein ganzes Leben lang sexualisiert worden ist, tut es gut, selbst bestimmen zu können, was man trägt und wie man sich fotografieren lässt", schreibt sie. Man versteht, dass sie sich jetzt, nach einer 13 Jahre andauernden Ohnmacht, langsam ihre Freiheit zurückerobert – ganz gleich, ob man sie dafür für "verrückt" erklärt. (Caroline Schluge, 25.10.2023)