Heizungsmechaniker
Trotz der Ankündigung vor zwei Jahren wird das verpflichtende Ende für Öl- und Gasheizungn doch nicht so bald kommen.
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Es war die mutigste Ansage der Regierung für den Klimaschutz. 2035 sollte Schluss sein mit den Ölheizungen und 2040 alle Gasheizungen im Land der Vergangenheit angehören. Gut zwei Jahre hatten ÖVP und Grüne um das Erneuerbare- Wärme-Gesetz (EWG) gerungen, bis vor etwas mehr als einem Jahr das Gesetz in die parlamentarische Begutachtung geschickt wurde. Mit 13 Paragrafen wäre das Ende der fossilen Heizungen eingeläutet gewesen, verkündete die Politik damals.

Von diesem Megapaket aus dem Klimaministerium von Leonore Gewessler (Grüne) ist nicht viel übrig geblieben. Vergangene Woche, kurz bevor das Budget für 2024 vorgestellt wurde, hat die Koalition das Wärmegesetz begraben. Anreiz statt Verbot lautet nun die neue Devise. Anstatt Eigentümern vorzuschreiben, ab wann sie womit heizen müssen, soll der Umstieg am Heizungsmarkt mit üppigen Förderungen gelingen. Das Urteil der NGOs zum Paket stand schnell fest. Einen "Kniefall vor der Öl- und Gasindustrie" beklagte Global 2000. Greenpeace sprach von einem "massiven Rückschritt" in Sachen Klimaschutz, das ursprüngliche Gesetz sei fast gänzlich ausgehöhlt worden.

Gewagte Wette

Die Klimaministerin hält dagegen und sagt, dass es mit den höheren Förderungen noch schneller gehen könnte. Klingt nach einer gewagten Wette. Auf den ersten Blick scheinen die Kritiker richtigzuliegen. Es sieht nach einem mageren Kompromiss aus: Lediglich in Neubauten sollen keine Gasheizungen mehr eingebaut werden. Der Einbau von Ölheizungen im Neubau ist schon seit 2020 verboten.

STANDARD

Ist die Energiewende im Gebäudesektor damit abgesagt? Von der Beantwortung dieser Frage hängt viel ab. Der Gebäudesektor, allen voran Raumwärme und Warmwasser, ist in Österreich für etwas mehr als zehn Prozent der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich, ohne Fernwärme. Bis 2040 soll Österreich klimaneutral sein. Dazu hat sich die Regierung bekannt. Wenn die Republik dieses Ziel, bei dem sie schon hintennach ist, erreichen will, werden Gasthermen den mit Strom laufenden Wärmepumpen im großen Stil weichen müssen.

Der Wind dreht sich

Aber es geht gar nicht nur ums Klima. Spätestens seit Ausbruch des Ukrainekrieges 2022 ist klar, dass Österreich mit seiner starken Abhängigkeit von russischem Gas in einer Sackgasse gelandet ist.

Russlands Angriff auf die Ukraine und die folgende Gaskrise waren es auch, die das Projekt Wärmewende ursprünglich angeschoben hatten. Der ambitionierte Plan, den Ausstieg aus Öl und Gas verpflichtend zu machen, wurde unter dem Eindruck des Kriegsausbruchs präsentiert. Die Ausgangslage für einen raschen Umstieg auf Erneuerbare war gut: In Österreich ging die Angst vor einer Gasknappheit um. Das Horrorszenario sah so aus, dass Fabriken das Gas abgedreht werden muss und es für Wohnungen rationiert wird. Die Sorgen ließen Hotlines von Energieberatungen glühen – und gaben den Grünen den Rückenwind, um das Projekt in der Koalition voranzutreiben.

Doch das Momentum des Wärmegesetzes war schnell wieder vorbei: Die Gasspeicher waren gut gefüllt, die Preissprünge am Gasmarkt flachten ab. Dafür wurde die Inflation zusehends zur Belastung. Dann flog im Frühjahr 2023 der deutschen Regierung ein ähnliches Projekt um die Ohren.

"Heiz-Hammer"

Auch dort drängte der grüne Wirtschaftsminister, Robert Habeck, auf ein Verbot von Öl- und Gasheizungen in der Gebäudewärme. Von der Bild -Zeitung abwärts wurde gegen den "Heiz-Hammer" kampagnisiert. Die Regierung wolle Menschen funktionierende Heizungen herausreißen und durch teure ersetzen, so der Tenor der Kritik. Das deutsche Gesetz kam schließlich in völlig abgespeckter Form.

Diese Debatte ließ interne Kritiker in der ÖVP erstarken, denen das Vorhaben in Österreich von jeher ein Dorn im Auge war. Verkompliziert wurde das Ganze, weil die Regierung eine Zweidrittelmehrheit für einen Beschluss brauchte. Baurecht ist wie Wärmeversorgung Länderkompetenz. Doch die SPÖ stand auf der Bremse (die FPÖ sowieso). So wurde die Wärmewende von zwei Seiten torpediert: ÖVP und SPÖ spielten Pingpong mit den Grünen. Aus dieser Falle, in die man sich hineinmanövriert hatte, hat sich der kleine Koalitionspartner nun befreit. Zwar braucht auch das neue Gesetz eine Zweidrittelmehrheit, die SPÖ dürfte das neue Paket aber in aufgeweichter Form mittragen. Was Verbote nicht mehr tragen, sollen nun also Förderungen richten.

Und dieser Plan könnte in Teilen tatsächlich aufgehen. In der Debatte über das Wärmegesetz müssen zwei Bereiche getrennt diskutiert werden: Einfamilienhäuser und mehrstöckige Wohnhäuser.

Simple Rechnung

Im Einfamilienhaus ist die Rechnung schon jetzt simpel: Finanziell besteht tatsächlich ein großer Anreiz, ältere Gasthermen und Ölkessel durch Pelletheizungen oder Wärmepumpen zu ersetzen. Ganz ohne Verbot könnten fossile Brennsysteme hier tatsächlich weitgehend bis zum Jahr 2040 verschwinden. Vorausgesetzt natürlich, Hausbesitzer wollen den Umstieg leisten.

Und das geht so: Das Klimaministerium verspricht, dass ab dem kommenden Jahr deutlich mehr als bisher zugezahlt wird, wenn die alte Gastherme gegen eine Wärmepumpe getauscht wird. Bis zu 75 Prozent sollen es sein, etwa eine Milliarde Euro ist im kommenden Jahr dafür reserviert. Die aufgestockte Förderung für das Programm "Raus aus Öl" haben sich die Grünen ausbedungen im Gegensatz dafür, dass sie aufs Wärmegesetz in alter Form verzichten. Aber das ist vermutlich gar kein so schlechter Deal, wie es aussieht. Wer seine alte Gastherme, die den Geist aufgibt, gegen ein modernes Brennwertgerät, das ist die neueste Generation der Gasthermen, tauschen will, muss mit Kosten von bis zu 7000 Euro inklusive Einbau rechnen, erzählt ein erfahrener niederösterreichischer Installateur.

Illustration Vögel Heizung
Energiewende auf Schleuderkurs: Wird sich das noch ausgehen?
Illustration: Fatih Aydogdu

Wer setzt da noch auf Gas?

Eine mit Strom betriebene Luftwärmepumpe kostet um die 25.000 Euro. Rechnet man nun die versprochene Förderung von 75 Prozent mit ein, kostet die Wärmepumpe tatsächlich deutlich weniger als die Gastherme, der Preis dafür liegt bei etwas über 6000 Euro.

Dazu kommt, dass es teurer ist, mit Gas zu heizen. Bei einem nicht gut gedämmten zweistöckigen Einfamilienhaus ergibt sich eine Ersparnis von 2500 bis 3000 Euro jährlich, wenn auf Gas verzichtet wird, sagen Installateure. Über 25 Jahre, das ist in etwa die Lebensdauer der Wärmepumpe ebenso wie die des Brennwertgeräts, ergibt das eine Mindestersparnis von 62.500 Euro bei den aktuellen Energiepreisen.

Tausch gestartet

Kurzum: Wer rechnen kann, wird im Einfamilienhaus umsteigen, wenn der Tausch einer Öl- oder Gasheizung ansteht. Nun gibt es natürlich Hürden. Wer seine alte Therme ersetzt, muss das Geld zunächst komplett vorstrecken. Das Klimaministerium sagt, dass aktuell Anträge auf Förderungen nach spätestens sechs Wochen bewilligt und ausbezahlt sind. Für einkommensschwache Haushalte gibt es eine 100-prozentige Förderung.

Und es wird schon getauscht. Im Vorjahr wurden über die Aktion "Raus aus Öl" 40.000 fossile Heizsysteme ersetzt. Etwa 60 Prozent davon waren Ölheizungen, ein knappes Drittel Gasheizungen. Mehr als die Hälfte der Haushalte stieg auf Holzzentralheizungen um, ein Drittel auf Fernwärme und zehn Prozent auf Wärmepumpen.

Öl als Nischenprodukt

Neue Gasheizungen landen hauptsächlich im Bestand, heißt es auch bei der Vereinigung der österreichischen Kessel- und Heizungsindustrie (VÖK). "Im Neubau nur dann, wenn es keine Alternativen gibt", sagt Geschäftsführerin Elisabeth Berger. Auch die Halbjahresbilanz der VÖK zeigt: Der Trend geht in Richtung Erneuerbare. Demnach ist der Absatz von Wärmepumpen in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 40 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist der Absatz von Gasheizungen um 30 Prozent eingebrochen, nichtsdestotrotz wurden immer noch 12.600 alte Gasgeräte durch neue getauscht. Aber Ölheizungen sind bereits jetzt laut Berger ein "Nischenprodukt", gerade 520 Kessel wurden in den ersten sechs Monaten erneuert.

Da Ölheizungen kaum noch eingebaut werden, dürfte bis auf Liebhabergeräte der Bestand 2040 verschwunden sein. Bei Gas wird es nicht so rasch gehen, aber ein großer Teil der bestehenden Thermen wird auch bis 2040 bei dieser Kosten-Nutzen-Rechnung ersetzt sein. Und das würde einiges bringen: Etwa 900.000 Öl- und Gasheizungen gibt es österreichweit in Einfamilienhäusern. 1,6 Millionen Haushalte nutzen Öl und Gas fürs Heizen und Warmwasser insgesamt.

Stillstand im Wohnhaus

Statt also über Verbote zu streiten, dürfte es nach diesen Zahlen der sinnvollere Weg sein, es mit Förderungen zu versuchen. Zumal im Wärmegesetz selbst in der ursprünglichen Version eine Hintertür eingebaut gewesen war: Um Gasthermen wirklich mit 2040 verschwinden zu lassen, wäre noch ein weiteres Gesetz nötig gewesen – das wohl wieder Streit ausgelöst hätte.

Ist das neue Gesetz also in Wahrheit ein gar nicht so schlechter Deal? Bis hierher ja. Aber die Geschichte geht noch weiter. Denn neben den Einfamilienhäusern gibt es mehr als 650.000 Gasetagenheizungen in Wohnungen. Für sie war im ursprünglichen Vorschlag tatsächlich verpflichtend ein Tausch vorgesehen, und zwar überall dort, wo ein Fernwärmenetz bereits existiert. Diese Verpflichtung fällt nun weg.

Da Fernwärme, bei der selbst Gas zum Teil verwendet wird, aktuell etwa gleich teuer ist, wie Gas zu nutzen, gibt es kein stichhaltiges ökonomisches Argument für den Umstieg wie bei den Einfamilienhäusern. Hinzu kommen teure Umbauarbeiten im mehrgeschoßigen Wohnbau. Zwar gibt es auch hier Zuschüsse, die nun aber ebenfalls angehoben werden.

Komplizierte Strukturen

"Für die bestehenden hunderttausenden Gasheizungen im städtischen Bereich werden Förderungen alleine nicht ausreichen", sagt Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur. "Es gibt dort oft komplizierte Eigentümerstrukturen und das Vermieter-Mieter-Dilemma, was Sanierungs- und Heizungsprojekte erschwert." Gemeint ist: Wenn ein Wohnungseigentümer auf Fernwärme umsteigen will, muss er auch die anderen Eigentümerinnen von seinen Plänen überzeugen – ein Vorhaben, das oft zum Scheitern verurteilt ist. Hier hätte das Gesetz Klarheit schaffen können. Und Vermieter haben weniger Anreiz, in ein neues Heizsystem zu investieren, wenn Mieter die laufenden Kosten tragen.

Die Regierung hätte durchaus einen Schritt weiter gehen können, ohne Gasheizungen gleich komplett zu verbieten, sagt Lukas Stühlinger von Fingreen, einem Wiener Energieberater. In Deutschland erlaubt das Gebäude-Energie-Gesetz, das verabschiedet wurde, zwar weiterhin, dass in Wohnhäusern Gasthermen im Einsatz sind. In der Praxis werde die Nutzung der Thermen aber Jahr für Jahr erschwert, sagt Stühlinger. Für den Betrieb der Anlagen gibt es neue Voraussetzungen, etwa muss Biogas beigemischt werden, das es in den nötigen Mengen aktuell gar nicht gibt. Das schaffe in Deutschland einen Anreiz, auf Fernwärme umzusteigen, sagt Stühlinger. Ein solcher fehle in Österreich.

Weil im mehrstöckigen Wohnbau die Pflicht zum Wechsel wegfällt, hat auch die Wiener SPÖ das neue Gesetz scharf kritisiert. Die städtischen Energieversorger wollen kräftig in den Ausbau der Fernwärme investieren. Bis 2040 hätten 30 Milliarden Euro fließen sollen. Wenn die Pflicht zum Umstieg fällt, bleibt die große Frage, ob sich diese Investitionen noch rentieren.

Auf's Gas drücken

Ist also die Wärmewende gescheitert? Beim privaten Wohnbau stimmt der Kurs, das Tempo muss freilich noch steigen. Wenn Förderungen tatsächlich langfristig auf aktuell hohem Niveau bleiben, stehen die Chancen gut, dass die Mehrzahl der Öl- und Gaskessel bis 2040 weg sein wird. Im mehrgeschoßigen Wohnbau wird es ohne Verbot jedoch schwierig. Hier wird sich die Regierung noch etwas überlegen müssen. Wenn schon kein Verbot kommt, bräuchte es verstärkte Anreize für den Umstieg. Jedenfalls muss das Tempo steigen: Die Zahl der pro Jahr getauschten Öl- und Gasheizungen müsste sich mehr als verdoppeln. Das gilt aber sowieso, ob nun mit oder ohne Verbot.

Und: Wie erwähnt, ist Wärmeversorgung Landessache. Wien könnte also auch allein den verpflichtenden Ausstieg anordnen, um seine geplanten Investitionen abzusichern, sagt der Jurist Reinhard Schanda. Offenbar fürchtet sich Wien vor den Konsequenzen einer verpflichtenden Tauschvorgabe. Die Zeit der mutigen Ansagen ist erst mal vorbei. (Nora Laufer, András Szigetvari, 29.10.2023)