Im Mai ließ die französische Regierung aufhorchen: Sie startete die Arbeit an einer Strategie, mit der sich Frankreich auf eine Welt vorbereiten will, die vier Grad heißer ist als in der vorindustriellen Zeit. Vier Grad: Die Erde wäre in so einem Szenario eine völlig andere, eine Anpassung an die Umbrüche kaum möglich. Doch bereits auf dem Weg dorthin werden die Folgen der Erderhitzung mit jedem Zehntelgrad schwerwiegender – und die gezielte Anpassung für viele Menschen überlebenswichtig.

Eine Frau gräbt in Kenia mit einer Schaufel den trockenen Boden um.
In Kenia herrscht seit drei Jahren Dürre. Die dort lebenden Menschen sind von den Folgen der Klimakrise besonders stark betroffen, das Überleben in der Steppe wird schwieriger.
Alicia Prager

Mit ihrem Plan zur Anpassung ist die französische Regierung keineswegs allein, wenngleich die meisten Länder keine so konkrete Ansage zur erwarteten Temperatur machen. Fünf von sechs Ländern weltweit haben zumindest für einen Bereich, in dem die Anpassung nötig sein wird, einen Plan aufgesetzt. Welche der Ankündigungen dann auch umgesetzt werden, ist allerdings eine andere Frage: Der Fortschritt in der Anpassung hat sich zuletzt verlangsamt, die Lücke zwischen den nötigen und den tatsächlichen Schritten wird immer größer, wie ein neuer UN-Bericht zeigt.

"Obwohl wir klar sehen, dass die Folgen des Klimawandels weltweit stärker werden, verlangsamt sich unsere Anpassung, wo sie eigentlich an Fahrt aufnehmen müsste", sagt Henry Neufeldt, einer der führenden Wissenschafter hinter dem Adaption Gap Report des UN-Umweltprogramms, der am Donnerstag in Nairobi vorgestellt wurde.

Große Finanzierungslücke

Darin thematisieren die Autorinnen und Autoren vor allem die Finanzierung, die in ärmeren Staaten für die Anpassung fehlt. So wäre zehn bis 18-mal mehr Geld nötig, um die Anpassung in besonders betroffenen Ländern zu finanzieren. Laut dem Bericht müssten Regierungen aus aller Welt im Jahr zusätzlich zwischen 194 und 366 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen. Das sind um rund 50 Prozent mehr als bisher angenommen. Denn einerseits wird die Anpassung immer teurer, je weiter die Erderhitzung fortschreitet, andererseits nahm die internationale Finanzierung zuletzt ab. Als Gründe für den Rückgang wurden im Bericht die Covid-19-Pandemie sowie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine genannt.

Effektive Anpassungsmaßnahmen seien nicht nur für die Bevölkerung notwendig, sondern auch ökonomisch sinnvoll, so die Autorinnen und Autoren. Studien hätten etwa gezeigt, dass jede Milliarde, die in Maßnahmen gegen die Überflutung von Küsten investiert wird, zu einer Reduktion von wirtschaftlichen Schäden in der Höhe von rund 14 Milliarden Dollar führt. Jährliche Investitionen von 16 Milliarden Dollar in die Landwirtschaft würden wiederum verhindern, dass etwa 78 Millionen Menschen aufgrund der Auswirkungen der Klimakrise hungern, heißt es weiter. "Ohne entsprechende Anpassung werden die Kosten für Klimaschäden immer höher", erklärt Neufeldt. Je länger nicht gehandelt werde, desto teurer werde es in Zukunft, so die Botschaft.

Das heurige Jahr habe einmal mehr gezeigt, wie schwerwiegend die Folgen der Klimakrise bereits jetzt seien, erinnerte Inger Andersen, Leiterin des UN-Umweltprogramms, und verwies auf neue Temperaturrekorde, Stürme und Überflutungen. "Die Alarmglocken schrillen lauter als je zuvor. Trotzdem fehlen die nötigen Milliarden", so Andersen. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass es durch die Folgen der Klimakrise in den kommenden Jahrzehnten jährlich zu 250.000 zusätzlichen Todesfällen kommen wird – etwa durch Unterernährung, Malaria oder Hitzestress. Die Welt sei "unterfinanziert und unvorbereitet" warnte Andersen.

Klimakonferenz in Dubai

Die Studie kommt weniger als einen Monat vor der anstehenden Weltklimakonferenz. Zum nun 28. Mal treffen sich Staaten aus aller Welt, um darüber zu beraten, wie dass 1,5-Grad-Ziel doch noch erreicht werden kann. Dass das immer unwahrscheinlicher wird, zeigen erst kürzlich veröffentlichte Daten des Imperial College London. Demnach dürfte der Spielraum für die Einhaltung des Ziels deutlich geringer sein als bisher angenommen. So bleiben nur noch 250 Milliarden Tonnen CO2, die ausgestoßen werden dürfen, bevor die 1,5-Grad-Schwelle sehr wahrscheinlich endgültig überschritten ist. Aktuell werden im Jahr allein durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe rund 37 Milliarden Tonnen CO2 emittiert.

In Dubai, wo die Klimakonferenz in diesem Jahr veranstaltet wird, wird es deshalb in erster Linie darum gehen, welche Zukunft die Staaten für fossile Brennstoffe sehen. Weil die Klimakrise allerdings bereits so weit fortgeschritten ist, wird auch die Forderung nach neuer Finanzierung für Klimaschäden auf der Konferenz wieder eine Hauptrolle spielen. Dazu vereinbarten die Staaten im vergangenen Jahr einen neuen Fonds für Klimaverluste und Schäden – im Fachsprech Loss and Damage. Dieses Jahr sollen offene Detailfragen dazu geklärt werden. "Selbst wenn die internationale Gemeinschaft heute sämtliche Emissionen von Treibhausgasen stoppen würde, würde es Jahrzehnte dauern, bis sich das Klima stabilisiert", betonte Andersen. "Der Klimawandel wird auf lange Sicht bleiben."

Kein Nullsummenspiel

Auch der Adaptation Gap Report beschäftigt sich erstmals eingehend mit den zu erwartenden Schäden. Sie sind eine direkte Folge einer verfehlten Anpassung. Die Uno warnt davor, dass die Bereiche der Anpassung und der Finanzierung neuer Schäden miteinander konkurrieren könnten. "Das ist kein Nullsummenspiel. Es braucht für beide Bereiche sehr viel mehr Finanzierung", so Neufeldt.

Dazu sollen auf der Weltklimakonferenz nicht nur neue internationale Mittel aufgestellt werden, sondern auch zusätzliche "innovative" Finanzflüsse verstärkt werden – Ideen dazu reichen von CO2-Zertifikaten, über eine globale CO2-Steuer etwa für die internationale Schiff- und Luftfahrt, bis hin zu weiteren Anreizen für Unternehmen, in die Anpassung zu investieren. Schließlich, so betont der neue Bericht, sei die Anpassung nicht zuletzt auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. (Nora Laufer, Alicia Prager, 2.11.2023)