Fondssparen, Online-Aktienhandel, die Hoffnung auf schnelles Geld. Seit einigen Jahren, und verstärkt seit den Covid-Lockdowns, ist die Privatanlegerei bei den Normalos angekommen. Blitzschnell kann man am Handy Kurse checken, Aktien verkaufen und kaufen. Man braucht keinen Klick mehr, nur noch einen Fingertipp.
Dass auf diesem Nährboden auch die Online-Finanzgurus aus dem Boden geschossen sind, ist klar. Einem davon wurde mit Dumb Money nun ein Film gewidmet: "Roaring Kitty" heißt Keith Gill auf Youtube, "DeepFuckingValue" auf Reddit. Bei Tag ist er Finanzberater und Vater einer zweijährigen Tochter, abends zieht er sich in seinen Keller zurück, um seine Onlinecommunity mit Finanztipps zu versorgen. Besonders eine Aktie hat es dem Dude im Katzenshirt angetan: Gamestop, ein vor der Pleite stehendes Spiel- und Technik-geschäft, das schon von den Insolvenzgeiern umschwirrt wird. Short Selling nennt man das im Börsensprech.
Großartige Besetzung
Keith ist so begeisterungsfähig, dass er massig Hobbyanleger mobilisiert, um in Gamestop zu investieren: Das wendet dessen Insolvenz ab und führt zu einem absoluten Kurshöchststand. Wer sich erinnert: Anfang 2021 ging der Börsenkrimi rund um Gamestop, die Finanz-App Robinhood und Roaring Kitty auch hierzulande durch die Presse.
Das Buch zum realen Ereignis stammt vom The Social Network-Autoren Ben Mezrich, der Film vom I, Tonya-Regisseur Craig Gillespie. Mit dem großartigen Paul Dano in der Hauptrolle und liebevoll besetzten Nebenrollen – Komiker und Datingmaschine Pete Davidson spielt Keiths Kifferbruder, Barbies Herz America Ferrara ist auch hier als Krankenpflegerin Jenny und Hobbyanlegerin die emotionale Mitte – kann eigentlich nichts schiefgehen. Und das tut es auch nicht. Dumb Money ist, vor allem für diejenigen, die sich im Online-Finanzdschungel auskennen und den Fall vor zwei Jahren mitverfolgt haben, filmisches Comfort-Food. Vielleicht ist er sogar genau das, worauf wir gewartet haben. Zeitgeistig ist der Film in jedem Fall.
Hip-Hop und Youtube-Ästhetik
Die schnellen Schnitte US-amerikanischer Internetkultur übersetzen sich nahtlos in den Film, die Hip-Hop-Beats wummern ein wiederkehrendes Thema: das nicht jugendfreie WAP von Cardi B und Megan Thee Stallion: "There’s some hoes in this house ..."
Dass da viel zu viele Leute in ihrem Haus alias ihren Angelegenheiten herumpfuschen, denken sich auch die Börsenhaie Gabe Plotkin (Seth Rogen) und Steve Cohen (Vincent D’Onofrio). Wo die einzelnen Kleinanleger, die Gillespie als bunten, diversen Haufen zeigt, sich schon freuen, wenn der Einsatz die Tausendermarke knackt, verlieren die Big Boys an die Billionen. Als David gegen Goliath wurde der Kampf nicht nur in der Presse bezeichnet, auch die Kleinanleger auf der Online-Trading-App Robinhood, die Reddit- und Youtube-User ziehen ihre Motivation aus diesem Mythos. Dass dabei auch antisemitisch und rassistisch gehetzt wird, gehört zur Internetkultur üblerweise wohl dazu. (Valerie Dirk, 3.11.2023)