Arzt
Bisher hat die Ärztekammer viel mitzureden – etwa an welchem Ort es einen Bedarf an niedergelassenen Ärzten gibt. Das soll sich ändern.
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Die Ärztekammer kritisiert die derzeit kursierenden Entwürfe zur geplanten Gesundheitsreform massiv. Die Reform wird aktuell im Rahmen des Finanzausgleichs verhandelt und sieht nach Angaben der Ärztekammer eine deutliche Entmachtung der Interessenvertretung vor. Dietmar Bayer, Obmann der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte, meinte am Mittwoch: "Uns wurde die Sozialpartnerschaft mit diesem Entwurf aufgekündigt. Das ist ein Desaster."

Konkret sollen die Mitsprachemöglichkeiten der Ärztekammer in mehreren Bereichen zurückgedrängt oder gleich ganz ausgehebelt werden. Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen und auch der Wiener Kammer, ortet eine massive Empörung unter der Ärzteschaft. "Es kocht schon sehr." Steinhart will seine Kritik gegen die Reform noch bei Gesprächsterminen mit Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sowie mit hochrangigen ÖVP-Vertretern vorbringen. Zudem will die Ärztekammer Patientinnen und Patienten aktiv über die aus ihrer Sicht heiklen Punkte in der Reform informieren.

Regierungsvorlage soll Ende November stehen

Die Zeit drängt: Ende November soll die Regierungsvorlage eingebracht und nach der Behandlung im Ausschuss im Dezember beschlossen werden. Dass kein Begutachtungsverfahren geplant ist, wird von der Ärztekammer ebenfalls moniert.

Inhaltlich stößt sich die Kammer etwa an geplanten Änderungen bei der Stellenplankompetenz. Bisher legen Kammer und Gesundheitskasse fest, an welchem Ort welcher Bedarf von niedergelassenen Ärzten notwendig ist. Künftig sollen dies Bund und Länder regeln – und "die Besetzung der Stellen ohne die Hauptbeteiligten, nämlich den Ärztinnen und Ärzten, durchgeführt werden", sagte Bayer.

Kritisiert wird auch der drohende Verlust der Mitsprache bei den Gesamtverträgen. Bisher sei hier bewusst das System der Kollektivverträge kopiert worden, sagte Kammeramtsdirektor Johannes Zahrl. Die einzelnen niedergelassenen Ärzte mussten nicht mit der Kasse über Details verhandeln, sondern Kammer und Kasse standen sich auf Augenhöhe gegenüber. Diese "Balance of Power" gebe es nun nicht mehr, bemängelt Zahrl.

Entmachtung der Landeskammern

Hintergrund ist das Ringen um einen einheitlichen Leistungskatalog für Ärztinnen und Ärzte in ganz Österreich. Bisher haben die jeweiligen Landesärztekammern die Kompetenz, mit der Kasse Verträge abzuschließen. Diese soll ihnen laut den Plänen ab 2026 entzogen werden. Bei einer Ausschreibung von Kassenstellen muss aktuell auch Einvernehmen zwischen Ärztekammer und Sozialversicherung hergestellt werden. Künftig soll diese Ausschreibung ohne Einbindung der Kammer durch die Sozialversicherung gemacht werden können.

Zahrl kritisiert zudem, dass auch Einzelverträge mit Ärztinnen und Ärzten außerhalb des Gesamtvertrags möglich werden – sofern sich auf eine Ausschreibung zweimal in Folge niemand bewirbt. Wer die nötige Geduld mitbringt, könne somit nach Ansicht der Ärztekammer problemlos auf lukrative Sondervereinbarungen warten.

Präsident Steinhart kritisiert, dass der niedergelassene Bereich durch die Reform nicht gestärkt werde. Zudem könnten gewinnorientierte Konzerne bald leichter Ambulatorien gründen. Einer Privatisierung werde damit "Tür und Tor" geöffnet, sagte Bayer.

Dass die Spitze der Ärztekammer aufgrund der monatelangen internen Machtkämpfe in der Wiener Kammer die Verhandlungen zur Gesundheitsreform verschlafen habe, wiesen Steinhart und Bayer zurück. Die Ärztekammer habe Informationen bewusst nicht erhalten, hieß es.

Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart
"Es kocht in der Ärzteschaft schon sehr", sagt Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart. Hier ist große Empörung ausgebrochen."
APA/EVA MANHART

Bund gibt sich zugeknöpft

Im Büro von Gesundheitsminister Rauch wollte man auf STANDARD-Anfrage die kolportierten Pläne nicht kommentieren. Aktuell stehe das Ministerium in engem Austausch mit den Bundesländern und der Sozialversicherung über die notwendigen Gesetzesänderungen für die Strukturreformen. "Den Ergebnissen dieser Verhandlungen wollen wir nicht vorgreifen". Bis Ende 2023 müsse der Finanzausgleich samt Gesundheitsreform im Parlament beschlossen werden. Und abschließend: Mit der Ärztekammer stehe man "zu zahlreichen Belangen" in laufendem Austausch. (David Krutzler, 8.11.2023)