Seit Beginn der Gazaoffensive wird Benjamin Netanjahu ausgerichtet, dass er keinen Plan für die Zeit danach habe. Wenn der israelische Premier nun in einem Interview sagt, dass Israel nach dem Ende der Herrschaft der Hamas "auf eine unbestimmte Periode" die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen übernehmen wird, ist das eher noch eine Bestätigung dafür. Eine physische Wiederbesetzung ohne militärische und politische Exitstrategien, die er jedoch nicht erwähnte, wäre für alle ein Albtraum – außer für jene, die weltweit für die nächste Version der Hamas mobilisieren werden.

Sein Plan für die Zeit nach dem Krieg gegen die Hamas stößt auf Kritik: Premier Benjamin Netanjahu.
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Es ist schwierig für die israelische Regierung – wer immer in ihr sitzt –, mit regionalen Staaten zu kommunizieren, deren Politiker und Diplomaten es nicht schaffen, beim Namen zu nennen, was die Hamas am 7. Oktober getan hat. Aber politische Weitsicht wäre jetzt gefragt, umso mehr, als Netanjahus Auftritt vor der Uno-Vollversammlung keine zwei Monate her ist, wo er eine Israel-Karte präsentierte, in der die Palästinensergebiete nicht eingezeichnet waren. US-Außenminister Antony Blinken ist unermüdlich auf Tour, um – unter anderem – zu trommeln, dass das nicht die US-Position ist. Auch die Europäer ringen darum, die Nachbarn Israels und darüber hinaus einzubeziehen und Perspektiven der gemeinsamen regionalen Verantwortung für Gaza zu eröffnen.

Nötige Einsicht

Das ist schwierig genug. Jedem, der sich nach dem Krieg engagieren will, wird von der radikalen Propaganda vorgeworfen werden, "auf israelischen Panzern" in den Gazastreifen gekommen zu sein. Die Idee, dass man das Gebiet einfach der Palästinenserführung aus dem Westjordanland übergeben könnte, ist jedoch illusorisch: Sie hat auch dort die Kontrolle längst verloren, ist korrupt, politisch gelähmt und autoritär. Man muss die im Oslo-Friedensprozess geschaffene Palästinenserautonomie nicht neu erfinden, aber auf neue Beine stellen. Dazu wäre allerdings auch Einsicht in Ramallah nötig.

Die USA haben im Irak und in Afghanistan die Erfahrung gemacht, dass man einen Krieg gewinnen und die Nachkriegszeit verlieren kann. Diese Länder sind in ihren geografischen Gegebenheiten nicht vergleichbar mit einem schmalen Küstenstreifen am Mittelmeer. Aber mit dessen Wiederbesetzung würde Netanjahu den Bruch mit jenen arabischen Staaten betreiben, die sich 2020 in den Abraham-Abkommen zu einer gemeinsamen Zukunft mit Israel bekannt haben. Das wäre genau das Gegenteil dessen, was die Region jetzt braucht. (Gudrun Harrer, 8.11.2023)