Festrednerin Alison Louise (kurz: A. L.) Kennedy bei der Eröffnung der Buch Wien am Mittwochabend.
Festrednerin Alison Louise Kennedy bei der Eröffnung der Buch Wien am Mittwochabend.
APA/GEORG HOCHMUTH

"Literatur ist der Seismograf in der Gesellschaft", sagte Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne). Literatur müsse "die Axt sein für das gefrorene Meer in uns", etwa der Ignoranz, zitierte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) Franz Kafka. Literatur sei eine "Überlebensstrategie" und ein "kleiner Motor der Selbstverteidigung", sprach die schottische Starautorin und Festrednerin A. L. Kennedy. Was immer Literatur alles kann, soll, darf und muss – die Buch Wien ist seit Mittwoch wieder der Ort dafür.

Und das unter deutlich erschwerten Bedingungen, wenn man Benedikt Föger, dem Präsidenten des Hauptverbands des österreichischen Buchhandels (HVB), bei der Eröffnung am Abend zuhörte: Die heimische Buchbranche habe heuer angesichts der Insolvenz des Auslieferers Medienlogistik sowie hoher Lohn- und Produktionskosten mit großen Herausforderungen zu kämpfen gehabt.

"Der 7. Oktober bildet eine Zäsur"

Hört man sich auf der Messe um, stimmen der Einschätzung heimische Verlage wenig überraschend zu. Zwar hätten sich nach den sprunghaften Preissteigerungen in den letzten Jahren bei Papier und Gas die Kosten jetzt auf einem hohen Niveau so eingependelt, dass man wieder besser kalkulieren könne, heißt es am Stand von Braumüller. Doch seien sie eben hoch geblieben. Der Verlag druckt also vorsichtshalber weiterhin kleinere Auflagen als noch vor der Pandemie. Wo eine Erstauflage früher 2.000 bis 3.000 Exemplare zählte, sind es heute 1.000 bis 2.000. Man kann inzwischen allerdings auch wieder kurzfristiger nachdrucken lassen als noch vor einem Jahr. Die Kostensteigerungen kann man dennoch nicht mit Preiserhöhungen abfangen, die Margen für die Verlage werden also kleiner.

Hat man sich in dieser angespannten Situation inzwischen eingerichtet, haben sich aber seit einem Monat neue Probleme aufgetan. "Der 7. Oktober bildet eine Zäsur", heißt es bei Zsolnay mit Blick auf auf den Angriff der Hamas auf Israel: "Wir haben unmittelbar gespürt, dass die Absätze zurückgegangen sind, quer durch die Bank." Beim Verlag Carl Ueberreuter fasst man den Begriff "politische Unsicherheit" mit Verweis auf die Oktoberzahlen von 2023 und 2022 weiter. Die Menschen würden angesichts des hohen Preisniveaus weniger kaufen. Betroffen seien davon besonders Titel, die Leserinnen und Leser bis dato eher zufällig im Handel entdeckt und nett gefunden hätten. Investitionen würden genauer überlegt, es würde wieder mehr als zuletzt nach Empfehlungen und Hypes gekauft und weniger gestöbert.

Auf Nummer sicher

Für das Programm des Verlags Carl Ueberreuter, der ohne Förderungen nur von seinen Einnahmen lebt, bedeutet dies, dass man in der Auswahl der Publikationen noch mehr auf Nummer sicher geht. Jungautorinnen und Jungautoren hätten es dadurch umso schwerer, auch das Schalten von Werbung hat da zuletzt nichts genutzt. Die Buchhandlungen wären an dem Dilemma nicht unbeteiligt. Das Urteil, dass jener sich mittlerweile weniger breit aufstelle, fällt man so auch bei Zsolnay. Der Verlag, der besonders viele Lizenzen ins Ausland verkauft, bemerkt das Problem der Breite allerdings auch beim internationalen Lizenzhandel: Es werden weniger Titel für Übersetzungen verkauft, aber auch eingekauft.

Gustav Soucek, der Geschäftsführer des HVB, ist angesichts "leider" etwas zurückgehender abgesetzter Stückzahlen, aber eines trotzdem stabilen Umsatzes mit leichter Steigerung "guten Mutes" für das laufende Jahr. Schließungen von Buchhandlungen oder einen drohenden Personalabbau bei den heimischen Verlagen gebe es trotz der Marktbedingungen nicht. Ein Vorteil für die Verlage sei etwa die kleinteilige Struktur hierzulande im Vergleich zu jener in Deutschland, wo Verlage viel größer seien und statt vier oder fünf Mitarbeiter wie in Österreich im Durchschnitt 40 oder 50 haben.

Und kleine heimische Verlage haben sich auch vielfach Nischen gefunden. Bei Luftschacht sieht man sich in einer kleinen und immer schon relativ prekären Nische, dafür seien die Kunden aber treu. Deshalb habe man sich auch getraut, die ohnehin schon über dem Schnitt liegenden Preise noch etwas anzuheben. "Wobei das ja nur deswegen geht, weil es Förderungen gibt, das muss man dazusagen." (Michael Wurmitzer, 9.11.2023)