Fernrohr schaut auf Berglandschaft
Vorausschauende Szenarien zu entwickeln bedeutet auch, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen.
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Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich Tirol in 100 Jahren vor. Was kommt Ihnen in den Sinn? Welche Bilder entstehen vor Ihrem inneren Auge? Diese kleine Aufgabe wurde Bachelor-Studierenden der Betriebswirtschaftslehre (BWL) am Management Center Innsbruck (MCI) im Zuge ihres Kurses Innovation and Entrepreneurship gestellt. Der Sinn: ungewohnte Gedanken wagen. Im Weiteren wurden die Studierenden aufgefordert, sich zu überlegen, wie dieses von ihnen ausgedachte Zukunftsszenario Wirklichkeit werden könnte.

Welche Schritte müssten jetzt erfolgen? Veranstaltet hat dieses Seminar Antje Bierwisch. Sie ist Leiterin des neuen Unesco-Lehrstuhls Futures Capability for Innovation and Entrepreneurship. Doch was steckt hinter diesem langen, komplizierten englischen Namen? Die Wissenschafterinnen dieses Lehrstuhls erforschen und entwickeln Konzepte und Fähigkeiten, die Menschen am Jobmarkt in Zukunft brauchen werden. Dafür haben sie den Auftrag, das Wissen in Lehrveranstaltungen mit den Studierenden zu erarbeiten, zu sammeln und weiterzugeben.

An der Zukunft bauen mit VR-Technologie

Später soll das Wissen in Firmen angewendet werden. Dafür haben sich bereits einige Unternehmen gemeldet, wie beispielsweise die Werkstätte Wattens oder der Impact Hub Tirol. Diesen Sommer hat das fünfköpfige Team aus Wirtschaftspädagoginnen, Sozial-, Politik- und Staatswissenschaftern die Arbeit am neuen Unesco-Lehrstuhl aufgenommen. Vier Jahre dürfen sie nun forschen. Danach wird ihr Fortschritt evaluiert und entschieden, ob der Lehrstuhl verlängert wird.

Ob sie schon erste Ergebnisse haben? Ja, meint Bierwisch, ein wenig können sie in die Zukunft schauen. Zukünftig werden wir laut Bierwisch im Job unter anderem folgende Fähigkeiten vermehrt brauchen: Kreativität, Reflexionsfähigkeit, systemisches Denken, Neugierde, Verantwortungsbewusstsein für sich und andere sowie Gestaltungsfreude. Durch Interviews und Trendanalysen fanden sie dies heraus.

Um die Zukunftsszenarien greifbarer zu machen, stellen sie die Ideen visuell mithilfe künstlicher Intelligenz und Virtual-Reality-Technologien dar. Welche Vorteile bringt es mit sich, als Hochschule einen Unesco-Lehrstuhl zu haben? Denn finanzielle Unterstützung erhalten sie von der Unesco nicht. Aber die Forschenden können sich weltweit miteinander vernetzen - in 120 Ländern gibt es Unseco-Lehrstühle. "Ziel ist es, einen transkontinentalen Wissensaustausch herzustellen", sagt Christine Maaß, Mitarbeiterin der österreichischen Unesco-Kommission. Das MCI arbeitet mit Hochschulen in der Türkei, Kenia und Kanada zusammen.

Wie Tirol in 100 Jahren aussieht

In Österreich hat noch eine weitere Fachhochschule einen Unesco-Lehrstuhl: die FH Kärnten. Er trägt den Namen Nachhaltiges Management von Schutzgebieten und wurde 2020 ins Leben gerufen. Ziel des Programms ist der Erhalt der biologischen Vielfalt. Sie forschen, wie eine nachhaltige, regionale Entwicklung geschehen kann, und bilden Managerinnen und Manager für Schutzgebiete aus.

Apropos Schutzgebiete: Wie wird nun Tirol in 100 Jahren aussehen? Wein und Radfahren statt Jagatee und Skifahren? "Sollte der Tourismus weiterhin einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Tirol bleiben, ist klar, dass sich einiges durch die Klimakrise verändern wird", sagt Bierwisch. Sie möchte aus Prinzip kein exaktes Zukunftsbild malen. Es geht ihr mehr darum, viele Optionen aufzuzeigen und zum Reflektieren anzuregen. Die ersten Gedanken können, so Bierwisch, sogar fernab der Realität sein: "Es geht nicht nur um das aus heutiger Sicht Machbare. Die Herausforderung besteht darin, die Erfolgsrezepte der Vergangenheit zu hinterfragen und neue, ambitionierte Lösungen zu finden und es gemeinsam zur Realität werden zu lassen. Denn unsere heutigen Aktivitäten gestalten die Zukunft." (Natascha Ickert, 16.11.2023)