Unter dem Titel "Rare Relikte der Wiener Weltausstellung" schrieb Johann Werfring am 27./28. Mai 2023 in der "Wiener Zeitung" über die wenigen baulichen Relikte des Jahres 1873. Die alles überragende Rotunde war 1937 ein Raub der Flammen geworden, lediglich die sogenannten Praterateliers und die heutige Meierei in der Prater Hauptallee sind geblieben. Anders hingegen ist die Lage bei Ausstellungsobjekten. So manche Kostbarkeit aus fernen Ländern kam damals nach Wien und kann heute noch besichtigt werden.

In Sachen Geowissenschaften war damals die 1849 gegründete k.k. geologische Reichsanstalt (heute: Geosphere Austria) mit Sitz im noblen Palais Rasumofsky (Wien Landstraße) weit über die Grenzen der Monarchie bekannt. Mit Franz von Hauer (1822 bis 1899) hatten die Geologen einen engagierten und höchst umtriebigen Direktor. Hauer war im Laufe des Jahres wiederholte Male auf der Weltausstellung, wo die Reichsanstalt zahlreiche Exponate, Gesteine und geologische Karten zur Schau gestellt hatte. Darunter war auch die geologische Karte der Monarchie in zwölf Blättern, die unter seiner Ägide in mehrjährigen Arbeit entstanden war.

Steinmusterwürfel
Aus allen Ländern der Monarchie zusammengewürfelte Mustersteine für Bauten.
© GeoSphere Austria

"Würfel von sechs Zoll Kantenlänge"

Höchst engagiert war auch der Geologe Heinrich Wolf (1825 bis 1882), er hatte 1872 alle Steinbruchbesitzer der Monarchie angeschrieben Musterstücke von Baugesteinen, "bestehend aus Würfeln von sechs Zoll Kantenlänge", zu senden. "Diese Sammlung, welche von allen Seiten unterstützt, in dem kurzen Zeitraume von kaum einem Jahre, wenn auch nicht vollständig, so doch die wichtigsten Vorkommnisse repräsentirend, vom Bergrath Wolf zusammengestellt wurde, war geographisch nach Ländern angeordnet", so die Internationale Ausstellungs-Zeitung, 18. Februar 1874.

Heute sind die bunten Gesteinswürfel in der Kartause Mauerbach (Niederösterreich), wo sie dem Bundesdenkmalamt für historische Forschungen dienen. Einige sind noch im Besitz der Geosphere Austria am Standort Neulinggasse, sie bilden einen Sockel für einen Adler aus Kunststein, der im Keller des Palais Rasumofsky war.

"Zahlreichreiche Schenkungen von der Weltausstellung"

Am Dienstag, den 7. Oktober 1873, war Hauer von der Sommerfrische südlich von Wiener Neustadt in Niederösterreich ("Umzug von Schleinz nach Wien“) zurückgekommen, so sein Tagebucheintrag. Seine Aufmerksamkeit lag nun bei der Weltausstellung, die am 2. November zu Ende ging; galt es doch die besten Stücke für das hauseigene Museum zu sichern. Die Geologen verfügten im Palais Rasumofsky über ein Museum, das öffentlich zugänglich war. 1873 unter "Wien's Sehenswürdigkeiten" in der Wiener Weltausstellungs-Zeitung gelistet, war es dienstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Ebenfalls angeführt waren die Vorgängerinstitutionen des heutigen Naturhistorischen Museums, das Naturalienkabinett (donnerstags von 9 bis 13 Uhr), beziehungsweise das k.k. zoologische und das k.k. Mineralogische Hof-Cabinet (Werktags von 9 bis 14 Uhr).

Grafitschnitzerei
Fürstliches Exponat: Ein Kunstwerk aus reinem Kohlenstoff (Grafit) als edle Zierart schwarzenbergischen Bergbaus.
© GeoSphere Austria

Hauers Tagebuch liest sich wie ein Countdown. 23. Oktober: "Die meisten Ausstellungsgegenstände des Ackerbau-Ministeriums sind schon verschenkt aus dem was noch übrig ist können wir wählen." 30. Oktober: "Zahlreiche Antworten von Ausstellern die uns ihre Sachen schenken." 30. Oktober: "Mit [Heinrich] Wolf die Schriften bezüglich der der Anstalt versprochenen Geschenke durchgesehen." 1. November: "Wieder laufen zahlreiche Schenkungen von der Weltausstellung ein." 2. November: "Mit Moisisovics [Edmund v. Mojsisovics (1839 bis 1907); Geologe] u. Stache [Guido Stache (1833 bis 1921); Geologe] in die Weltausstellung, dort treffen wir Wolf, der sehr viel für die Anstalt aquirirt hat, so insbesondere auch im Schwarzenberg Pavillion." Hier konnte Wolf für die Anstalt ein wunderschön geschnitztes Kunstwerk aus Grafit mit dem Wappen des Fürsten Schwarzenberg und der Jahreszahl 1873, betitelt als Archaische Form, akquirieren – um Hauers Worte zu verwenden.

Der Steintisch in der Neulinggasse

Heinrich Wolf schrieb 1877 über die Weltausstellung: "An Deck- und Pflasterplatten waren von der Giunta minaria di Torino, den Brüdern Fontana und der Firma Ganna Severino in Luserna Gneisplatten in wirklich riesiger Dimension ausgestellt, mehr um die Qualität und Gleichartigkeit des Materiales, welches für die Längen- und Breitendimensionen in verhältnismäßig sehr dünnen Platten ganz ebenflächig bricht, zu zeigen, als die wirkliche Handelswaare zu exponiren. Es waren Platten von 7,35 Meter Länge, 1,40 Meter Breite und 0,18 Meter Dicke neben anderen von 4,7 Meter Länge, 2,5 Meter Breite und nur 0,02 Meter Stärke zu sehen."

Steintisch
Ein sieben Meter langer Tisch aus einem einzigen Stück Gneis aus dem Piemont.
© GeoSphere Austria

Die hier erwähnte mehr als sieben Meter lange und knapp eineinhalb Meter breite monolithische Platte kam nach der Weltausstellung in den Garten des Palais Rasumofsky. Dort war sie ein beliebter Punkt bei Treffen von Geologen, wo sich das Who's who versammelte, darunter war auch der US-amerikanische Geologe Eugen Shoemaker. Als die Geologen 2005 übersiedelten, kam der Steintisch mit in die Neulinggasse, wo die legendären "Steintischfeste" ihre Fortsetzung fanden.

"Eine mächtige Salzpyramide"

Nicht bloß die Geologen der Rasumofskygasse auch die Mineralogen des k.k. mineralogischen Hof-Cabinets Kabinetts, das sich im Augustinertrakt der Hofburg am Josefsplatz (Innere Stadt) befand, konnten reüssieren. Sie sicherten sich im Herbst 1873 so manche Großobjekte, die heute noch in den Schausälen des 1889 eröffneten Naturhistorischen Museum an der Ringstraße zu sehen sind.

Salzobelisk
Der Salzobelisk vom ungarischen Finanzministerium mit Förderdaten wichtiger Bergbaue.
© NHM Wien, Alice Schumacher

Dazu Franz v. Vivenot im Ausstellungskatalog (1873) über Bergbau und Hüttenwesen: "Was Ungarn und die Länder der ungarischen Krone betrifft, so war vom königlich ungarischen Finanzministerium eine Sammlung von Bergwerks-Producten und Mineralien, von der königlich ungarischen Bergdirection zu Marmaros-Szigeth eine mächtige Salzpyramide ausgestellt." Der heute mit vier Stahlbändern gesicherte, hell erleuchtete Obelisk findet sich in Saal II und wurde im Eingangsbuch des Mineralien Kabinets am 20. Dezember 1873 wie folgt beschrieben: "Steinsalz. Ein Obelisk von 2⅔ Met. Höhe, Weisses durchscheinendes mittelkörniges Steinsalz von merkwürdiger Reinheit und deutlicher Schichtung. Gewicht ca 30 Ctr. Von Ronaszek in Siebenbürgen [heute: Coștiui, Rumänien] Mineral im Werthe v. 400 fl. [Florin = Gulden, circa 5.570 Euro] als Geschenk vom k. ung. Finanzministerium in Pest acquiriert." Besagter Eintrag im Inventarbuch war Chefsache, er stammt von Gustav Tschermak Edler von Seysenegg (1836 bis 1927). Der Mineraloge hatte sich 1861 an der Universität Wien habilitiert, wurde 1868 a.o. Professor und 1868 Direktor am k.k. Mineralogischen Hof-Cabinet (heute: Mineralogisch-Petrographische Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien), ehe er 1873 als Ordinarius für Mineralogie und Petrographie an der Universität Wien berufen wurde.

Steinsalzblock aus Indien 

Ein beachtlicher Block kam als weit gereistes Objekt aus Indien und fand in Saal III seine Aufstellung. "Durch die Güte des Directors der indischen geologischen Landesaufnahme in Calcutta, Herrn Oldham, gelangte das Museum in den Besitz des colossalen 1½ Meter hohen und Meter breiten Salzblockes von fleischrother Farbe aus den Mayo-Mines in Pendschab in Indien. Er ist bei vierzig Centner schwer und stammt aus der Silurformation [Erdaltertum]." (Internationale Ausstellungs-Zeitung, 18. Februar 1874). Tschermak gab den Wert mit 800 Gulden an, was das Objekt doppelt so wertvoll machte wie den oben erwähnten Obelisken.

Steinsalzblock
Weit gereist: Der Steinsalzblock kam aus dem fernen Indien, um hierzubleiben.
© NHM Wien, Alice Schumacher

Dass ausgerechnet aus dem fernen Indien ein Block nach Wien kam, hängt mit den guten wissenschaftlichen Kontakten zwischen beiden Ländern zusammen. Namentlich ist der in Wien bei Eduard Suess (1831 bis 1914) ausgebildete Geologe Ferdinand Stoliczka (1838 bis 1874) zu erwähnen. Er war 1860/61 kurzzeitiger Mitarbeiter am Mineralogischen Hof-Cabinet, kam dann an die geologische Reichsanstalt, ehe er 1862 zum 1851 gegründeten Indischen Geologischen Dienst unter der Direktion von Thomas Oldham (1816 bis 1878) nach Calcutta (heute Kolkata) ging und stets mit seiner Heimat in engen Kontakt blieb.

Stalagmit aus Krain: "von weisser Farbe und ganz rein"

Schließlich fällt vor dem mittleren Fenster in Saal I des Naturhistorischen Museums ein Stalagmit aus der Adelsberger Grotte in Krain auf (heute: Höhle von Postojna in Slowenien). Ein zugehöriges Wandbild der Adelsberger Grotte ist ebenfalls in diesem Saal zu sehen. Das weitläufige Höhlensystem mit seinem Reichtum an Tropfsteinen war 1872 mit einer Bahn als Schauhöhle touristisch erschlossen worden. Adolf Schmidl (1802 bis 1863), Doyen der Höhlenkunde, hatte sie ab den 1850er Jahren eingehend beschrieben. Damals wie heute war und ist dieses unterirdische Naturwunder ein Must See. Klarerweise war der neu erschlossene Tourismushotspot auch in Wien präsent.

Dazu ein Blick in die "Illustrirte Zeitung" vom 25. Oktober 1873. Hier wird beim Pavillon des österreichischen Ackerbauministeriums eine Nachbildung des Karstes erwähnt und im Detail beschrieben: "In der Mitte eine zierliche Nachbildung der berühmten Adelsberger Grotte in Krain mit originalen Stalaktiten". Der damalige Redakteur dürfte Stalagmit und Stalaktit verwechselt haben und man darf annehmen, dass es jener Stalagmit war, der heute im Museum zu sehen ist. Dazu Tschermaks detailreicher Eintrag im Inventarbuch von 1873: "Tropfstein. Ein Hauptindividuum von 2½ Meter Höhe, daran zwei kleine Individuen. Der ganze Block von weisser Farbe und ganz rein. Aus der Adelsberger Grotte, Mineral im Werthe v. 1000 fl. als Geschenk der Grottenverwaltung in Adelsberg."

Stalagmit
Tropfstein: 1873 war der Stalagmit ein heimisches Exponat aus Krain, heute käme er aus Slowenien.
© NHM Wien, Alice Schumacher

Die erste Aufstellung dieses Stalagmiten sowie des oben erwähnten Steinsalz-Obelisken (hier noch ohne Sockel) in den Sammlungsräumen des k.k. Mineralogischen Hof-Cabinets in der Hofburg zeigt das rechte Wandbild im Saal V in einer künstlerischen Überarbeitung des Originals von Eduard Ameseder durch den Maler Farid Sabha aus dem Jahr 1983. (Thomas Hofmann, Vera M. F. Hammer, 16.11.2023)