Die propalästinensischen Demonstrationen nach den israelischen Gegenschlägen im Gazastreifen markieren ein böses Erwachen. Am 7. Oktober drangen hunderte Terroristen in Israel ein und richteten einen Pogrom mit 1.200 Toten an. Es folgten israelische Angriffe auf Hamas-Stellungen in Gaza. Antisemitische Stimmen und solche, die zur Vernichtung des jüdischen Staates aufrufen, mischen sich unter die Solidaritätserklärungen für das palästinensische Volk.

Das müsse ein Ende haben, asylsuchende Hamas-Unterstützer und Judenfeinde dürften künftig nicht mehr ins Land gelassen, jene, die schon hier sind, müssten abgeschoben werden: Das fordern neben zahlreichen Stimmen in sozialen Medien etwa der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses, Ariel Muzicant, und der SPÖ-Aktivist und PR-Berater Rudi Fussi. Was würde das bedeuten – und wie sieht das rechtlich aus?

Ein Mann bei einer propalästinensischen Demonstration in Wien hält ein Schild mit der Aufschrift
Auch in Österreich gingen Sympathisanten der Hamas auf die Straße, was zu Diskussionen über das Asylrecht geführt hat.
EPA/CHRISTIAN BRUNA

Frage: Die meisten Asylanträge kommen auch heuer von Menschen aus muslimisch dominierten Ländern wie etwa Syrien und Marokko, wo Israel-Feindlichkeit und Antisemitismus verbreitet sind. Könnte die Herkunft ein Kriterium sein, um Asylverfahren zu verweigern?

Antwort: Nein, das würde einem Grundgedanken des Asylrechts widersprechen und dieses ad absurdum führen. Daher werfen auch rechte Flüchtlings- und Migrationsfeinde etwa auf X (vormals Twitter) eine solche Antragsverweigerung in die Diskussion. Flüchtling ist laut Genfer Flüchtlingskonvention, wer aufgrund seiner "Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung" verfolgt wird, egal, wo er oder sie herkommt. Vor dem Asylrecht sind alle gleich.

Frage: Wären Wertetests schon beim Asylantragstellen möglich, sodass zum Beispiel Gefährder zurückgewiesen werden könnten?

Antwort: Nein, denn nicht die Einstellungen eines Menschen stehen zu diesem Zeitpunkt im Zentrum, sondern – siehe die Antwort auf die vorhergehende Frage – seine (mögliche) Verfolgung. Es finden jedoch durchaus sicherheitspolizeiliche Überprüfungen von Antragstellern statt. Sie könnten – und sollten wohl auch – intensiviert werden. Mangelhaft waren sie etwa 2015 während der großen Fluchtbewegung, als mehrere Islamisten, die später am Anschlag auf den Pariser Konzertsaal Bataclan beteiligt waren, als Asylwerber getarnt über den Balkan nach Westeuropa reisten.

Frage: Derzeit sind Asylzentren außerhalb der EU im Gespräch, von denen aus nur Flüchtlinge mit hoher Asylwahrscheinlichkeit in die Union gelassen werden sollen. Könnte man Ankommende dort nicht umfassend kontrollieren, auch auf mögliche Sympathien für eine Terrorgruppe wie die Hamas?

Antwort: Schon. Das wäre ein Vorteil solcher Zentren, deren Schaffung von Menschenrechtsfachleuten sonst jedoch mit viel Skepsis betrachtet wird. Mehr Sicherheit, wer neu ins Land kommt, würde aber auch eine neuerliche Beteiligung Österreichs an Resettlement-Programmen der Vereinten Nationen bringen. Diese überprüfen Schutzsuchende in Flüchtlingslagern etwa im Nahen Osten und suchen Aufnahmestaaten für sie. Österreich hat seit 2017 kein solches Programm mehr durchgeführt.

Frage: Können Asylverfahren in Österreich gestoppt werden, wenn Antragsteller oder Antragstellerinnen antisemitische Straftaten begehen?

Antwort: Ja. Das Kriterium dabei ist die Schwere der Tat. Diese muss mit einer Strafe von mehr als drei Jahren bedroht sein. Die Strafhöhen für antisemitische Taten liegen je nach Schweregrad sowohl unter als auch über dieser Grenze. Geahndet werden sie nach dem Verhetzungsparagrafen 283 StGB oder dem Verbotsgesetz.

Frage: Kann auch einem bereits anerkannten Flüchtling wegen eines schweren Verbrechens der Asylstatus wieder aberkannt werden?

Antwort: Durchaus, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Automatisch aus Österreich ausreisen muss der oder die Betroffene dann aber nicht. Wer im Herkunftsland Folter oder andere unmenschliche Behandlung riskiert, darf seinen Verfolgern nicht ausgeliefert werden. Von Jänner bis inklusive September 2023 wurde in Österreich in 462 Fällen Asyl und in 133 Fällen subsidiärer Schutz aberkannt. Mit Straftaten hatte das aber vielfach nichts zu tun, sondern zum Beispiel mit Überführungen ins normale Aufenthaltsrecht.

Frage: Das Einwanderungs- und Antisemitismusthema wird stark mit Asyl in Zusammenhang gebracht. Doch auch viele Angehörige der zweiten und dritten Einwanderergeneration sind antisemitisch und haben Hamas-Sympathien. Was riskieren sie?

Antwort: So sie noch keine Österreicher oder Österreicherinnen sind, verspielen sie im Fall von Straffälligkeit möglicherweise ihre Chance auf Einbürgerung. Im Extremfall kann wegen eines schweren politischen Verbrechens – etwa Terrorismus – aber auch eine österreichische Staatsbürgerschaft entzogen und ein Ausweisungsverfahren eingeleitet werden. Die Frage ist, ob Betroffene dadurch nicht noch radikaler und gefährlicher werden. (Irene Brickner, 13.11.2023)