Wiens ehemaliger Langzeitbürgermeister Michael Häupl kann sich nun doch vorstellen, dass Andreas Babler den Job des Bundeskanzlers "durchaus kann". "Natürlich kann er Kanzler", sagte Häupl einmal noch bestimmter am Dienstagabend bei "Pro und Contra" auf Puls 4. Gleich danach sagte er: "Wenn man nicht will, dass die Freiheitlichen Regierungsbeteiligung haben, wird man davon ausgehen müssen", dass die SPÖ sie "zu übernehmen hat". Aber Babler wird am "internationalen Bereich noch arbeiten müssen", moniert Häupl.

Michael Häupl in Pro und Contra auf Puls 24
"Noch Luft nach oben" bei Babler in Sachen internationale Politik und EU: Michael Häupl in "Pro und Contra" auf Puls 24.
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"Potenziell sehr guter Kanzler"

Die Vorstellungskraft des ehemaligen Wiener Machtzentrums der SPÖ reichte im Mai noch nicht, sich Babler im EU-Ministerrat (als österreichischen Kanzler) vorzustellen, das war noch vor der SPÖ-Abstimmung zwischen Rendi-Wagner, Babler und Hans Peter Doskozil. Nun antwortet er mit dem "natürlich Kanzler"-Satz auf Gundula Geigingers Frage, ob er sich das heute vorstellen kann.

Aber: Europapolitik der SPÖ habe auch beim Parteitag "keinen besonders breiten Teil seiner Rede ausgemacht", moniert Häupl. Und: "Von einem künftigen Kanzler ist zu Recht auch zu erwarten, dass er bei spontanen Interviews auch gute Antworten gibt. Da ist noch Luft." Wo? "Ich will da jetzt nicht herummäkeln. Ich halte ihn ja für einen sehr guten Parteivorsitzenden und auch für einen potenziell sehr guten Kanzler." Aber: "Mir hat seine damalige Aussage, die jetzt auch schon drei Jahre zurückliegt, über Europa nicht besonders gut gefallen."

Babler hat die EU in einem älteren Videointerview mit Politikberater Rudi Fußi als "aggressivstes außenpolitisches militärisches Bündnis, das es je gegeben hat", bezeichnet und in ihrer Doktrin "schlimmer als die Nato". Das Video wurde vor der SPÖ-Abstimmung in Stellung gebracht.

Häupl, ehrenamtlicher Präsident der Volkshilfe, sieht die Kindergrundsicherung "an der ÖVP in der Regierung scheitern" und eine Gesellschaft, "die immer mehr der Aggression nachgibt".

"Gewalt gegen Frauen primär Problem der Männer"

Zwischendurch, etwa zu Femiziden, sagte der Ex-Bürgermeister Sätze, die einen aufhorchen lassen, bevor er sie rasch in den Kontext zurückholt: "Gewalt gegen Frauen ist ein Problem der Männer." Eines der betroffenen Frauen, fügt er rasch an, aber "primär eines der Männer". Er erklärt mit dem Satz, warum es bei der Volkshilfe auch einen Telefondienst für Männer und ihre Aggressionen gibt.

Einen dieser Sätze sagt Häupl auch, als Geiginger ihn zu offen geäußertem Hass gegen Juden auf Wiens Straßen fragt: "Warum haben wir es nie geschafft, den Antisemitismus aus Wien zu verbannen?" Der Ex-Bürgermeister antwortet mit einem weiten Rückgriff in die Geschichte, wie Antisemitismus politisch eingesetzt wurde: "Das ist eine schrecklich komplexe Frage. Denn der Antisemitismus existiert in Wien über viele Hundert Jahre. Immer, wenn man es für nötig befunden hat, dann hat man ein Pogrom organisiert. Die Stadt ist voll von solchen Zeichen."

Nun ordnet Häupl ein: "Das entschuldigt in keiner Weise Antisemitismus heute, in einer aufgeklärten Gesellschaft. In einer Gesellschaft, die sich den Prinzipien der Aufklärung verbunden fühlt, können Antisemitismus, Rassismus, aber auch generell Religionshass, auch antimuslimische Aktionen, keinen Platz haben. Das passt einfach mit unserem Verständnis von Toleranz nicht zusammen." Dagegen gelte es "aufzustehen. Wenn jemand am Wirtshaustisch antisemitische Witze erzählt, muss man auch den Mut haben, aufzustehen und zu sagen: Du, das geht nicht. Das ist kein Witz, das ist eine Gemeinheit."

Der "Null-Toleranz-Initiative" von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner in ihrer ÖVP-FPÖ-Koalition kann Häupl grundsätzlich etwas abgewinnen, er hat schon 2015 von härterem Vorgehen gesprochen. "Sicherheitspolitisch" gesehen, habe das einiges für sich, sagt Häupl: Wer das Recht, das Strafrecht schwerwiegend verletze, solle "in ihre Länder zurückgeführt werden". Wer sich bewusst nicht integrieren wolle, dem müsse man sagen: "Es zwingt dich niemand dazu." (fid, 15.11.2023)