Warum fahren wir auf Urlaub? Weil wir neue Länder, andere Kulturen kennenlernen möchten, landesübliche Speisen probieren, um den Alltag kurz zu vergessen. Vermutlich kommen genau aus diesem Grund viele US-amerikanische Touristinnen und -Touristen nach Europa. Sie teilen ihre Urlaubserlebnisse, auch die negativen, und Urlaubstipps unter dem Hashtag "Euro Summer". Was sie da so auf Tiktok von sich geben, sorgt für Diskussionen im Netz. Das geht schon mit dem Trendnamen los: Viele Leute fragen sich, warum immer nur von Europa gesprochen wird, schließlich sind ganze 44 Länder Teil des Kontinents, die sich alle, nicht nur in ihrer geografischen Lage, ziemlich unterscheiden.

Trockene Calamari

Eine amerikanische Touristin hat jüngst eine Online-Debatte ausgelöst, nachdem sie eine lange Liste mit all den Dingen veröffentlicht hat, die sie an Europa nicht mag. Der erste Clip der zweiteiligen Videoserie von @thestrawberryannie wurde allein in einer Woche von über 4,7 Millionen Menschen gesehen, wie die englische "Daily Mail" berichtet. @thestrawberryannie lässt uns wissen: "Früher habe ich Europa romantisch verklärt, aber nachdem ich dreimal dort war, habe ich das Gefühl, dass ich gesehen habe, wie es wirklich ist. So konnte ich eine Liste mit den Dingen erstellen, die ich nicht mag." Diese Liste basiere hauptsächlich auf dem dreiwöchigen Aufenthalt, den sie letzten Monat in Südspanien, Südfrankreich und Italien verbracht habe.

Offenbar haben manche Reisende eine komplett andere Vorstellung von ihrem Urlaubsland und sind enttäuscht. Vielleicht ist es auch nur Heimweh.
Offenbar haben manche Reisende eine komplett andere Vorstellung von ihrem Urlaubsland und sind enttäuscht. Vielleicht ist es auch nur Heimweh.
Getty Images/iStockphoto

Und dann geht's los. Der erste Punkt auf ihrer Liste war das Fehlen von "condiments", Gewürzen. "Ich habe das Gefühl, dass wir in Amerika Saucen oder Dips haben, die zu allem passen, sie gehören zum Essen dazu." So etwas gebe es in Europa nicht. "Ich habe zum Beispiel Calamari bestellt, und die wurden weder mit Cocktailsauce noch mit Remouladensauce oder gar einer Zitronenspalte serviert – es gab nichts, es war trocken." Saucen müsse man extra bezahlen, kritisiert sie. Ein amerikanischer Kommentator fügte hinzu: "Keine Saucen zu Calamari ist Wahnsinn. Das und kein Eis und Dr. Pepper – ja, ich würde weinen, wenn ich dort dauerhaft leben müsste." Schwer zu sagen, ob er das ernst oder sarkastisch gemeint hat.

Keine Duschvorhänge, keine Waschlappen

Als Nächstes beschwerte sich die Tiktokerin tatsächlich über fehlende Duschvorhänge. Es gebe nur diese Glaswände, die die Badewanne zur Hälfte abdecken. Das habe sie als äußerst unangenehm empfunden. Das blieb in den Kommentaren allerdings nicht ohne Widerspruch. Ein Nutzer schrieb: "Glaswände sind so viel besser als Vorhänge." Auch bei ihrem nächsten Thema auf der Liste scheiden sich die Geister. @thestrawberryannie bekrittelt, dass sie in ihren Unterkünften keine Waschlappen vorfand: "Ich musste meine bloßen Hände benutzen." Ein Skandal, fanden auch die Kommentatorinnen und Kommentatoren, allerdings nicht im Sinne der Verfasserin: "Sie wollten einen öffentlichen Waschlappen benutzen!?!?!?", heißt es. Und "Echte Frage: Ich würde lieber sterben, als einen Hotelwaschlappen zu benutzen, auch wenn er zwischenzeitlich gewaschen wurde. Ist das in den USA normal?"

In dieser Tonart geht es auch auf anderen Tiktok-Accounts weiter. Wenn man den oft amerikanischen Touristinnen und Touristen glaubt, dann herrscht auf dem ganzen Kontinent (wo genau, das wird nicht verraten) eine Dürre. Eine Frau fragt in ihrem Tiktok-Post: "Ernsthafte Frage: Trinken Europäer Wasser? Ich bin die einzige, die eine Wasserflasche dabei hat. (...) Ich muss in Restaurants praktisch darum betteln, und irgendwie bin ich trotzdem noch dehydriert." Eine andere Touristin ist sich sicher: Leute in Europa "glauben nicht an Wasser". Was es in Europa auch kaum gibt, zumindest wenn man den Reisenden glaubt? Gemüse. @galasalv wiederum warnt davor, dass die Strände in Europa nicht komfortabel seien. Man müsse über Felsen hinunter zum Meer klettern, Aufzüge in U-Bahn-Stationen suche man ebenso vergebens ...

Viele Userinnen und User auf Social Media werfen US-Amerikanerinnen und -Amerikanern Ignoranz vor: "Sag mir, dass du aus den USA kommst, ohne mir zu sagen, dass du aus den USA kommst", lautet da ein Kommentar unter einem von vielen "Euro Summer"-Tiktoks. "Ich hasse nichts mehr als diesen Euro Summer Trend", schrieb zum Beispiel @mclmp46 auf X, vormals Twitter. So, wie es scheint, gab es darauf viele, viele Reaktionen, was den User dazu veranlasste, den Tweet wieder zu löschen. Sichtlich entnervt:

Was die Touris genauso überrascht wie die angebliche Wasser- und Gemüseknappheit ist, dass viele Städte nicht für Autos gebaut wurden, wie zum Beispiel an der Amalfiküste in Italien. Der Küstenabschnitt ist für steile Klippen, kleine Strände und beschauliche Dörfer bekannt und ein beliebtes Ziel für Reisende aus der ganzen Welt.

Und ja, man muss zu Fuß gehen. Das ist nix für @millenniallex. Auf Tiktok warnt sie andere Touristinnen und Touristen: "Versteht mich nicht falsch, ich liebe es, aber das hier ist kein Urlaub, sondern echte, körperliche Arbeit."

"Willkommen in Nicht-Amerika", kommentiert jemand unter dem Video. "Informieren wir uns jetzt alle nur noch via Tiktok oder wie?", fragt eine Frau. Das ist auch die große Kritik am "Euro Summer": Userinnen werfen den Touristen vor, sich kaum über ihren Urlaubsort zu informieren und die Kultur des jeweiligen Landes nicht zu respektieren.

Wien traf es übrigens auch schon. So machte die Tiktokerin Leyanna Taylor hier während ihres sechsmonatigen Europa-Trips halt, blieb drei Tage, klapperte alle Sehenswürdigkeiten ab und lud die Videoreihe mit dem Titel "De-Influencing Vienna" auf die Plattform hoch. Die Videos gingen im vergangenen Sommer auch in der Wiener Tiktok-Bubble viral, wie "Profil" berichtete: "Sie wurden teils verständnisvoll aufgefasst, teilweise aber auch als Angriff wahrgenommen und belächelt." (max, 15.11.2023)