Nach 13 Jahren im Mode- und Beauty-Business schreibt das Unternehmen von Victoria Beckham nun schwarze Zahlen.
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Alles beginnt mit gestickten Krönchen auf 300-Dollar-Denim. Die Hosen des US-Labels Rock & Republic sitzen eng und auf den Hüften. Es sind die Nullerjahre, die große Zeit der Paparazzi-Jäger und Boulevard-Magazine, und Schöpferin der Jeans ist eine Frau, die eben erst ihre Karriere als Musikerin beendet hat. Victoria Beckham verkauft unter dem Namen "VB Rocks" Jeans, die vor allem eines versprechen: den Po anzuheben. Die Designerjeans werden belächelt. Will uns Posh Spice XXS-Jeans zu XXL-Preisen andrehen?

Eine Schwäche für Mode hatte Beckham schon als Spice Girl. "Es muss verdammt schwer für dich sein, zu entscheiden, ob du das kleine Gucci-Kleid, das kleine Gucci-Kleid oder das kleine Gucci-Kleid tragen sollst", muss sich Victoria aka Posh Spice 1997 im Film "Spiceworld" von Sporty Spice anhören.

Victoria Beckham alias Posh Spice im Sommer 2003 in New York.
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Der Ruf der Fashionista eilt ihr voraus, Beckham verschanzt sich hinter Sonnenbrillen und gilt als unnahbar. So nimmt kaum jemand die ersten Gehversuche der Neo-Designerin ernst. Auch weil Mitte der Nullerjahre unzählige Celebritys wie Beyoncé, Gwen Stefani oder Paris Hilton begannen, Mode verkaufen. "Can anyone famous be a designer?", ätzte die Modejournalistin Suzy Menkes in der New York Times.

Heute sind eher Promis, die nichts zu verkaufen haben, die Ausnahme: Anfang November lanciert Kylie Jenner ihre Modelinie Khy, Popstar Pharrell Williams ist der Kreativchef der Männermode bei Louis Vuitton. Beide sind Quereinsteiger – und Victoria Beckham gilt nicht nur als eine Pionierin dieser Entwicklung, sie hat als Designerin in der Branche Relevanz erreicht.

Star mit Sternchen

Und mehr. Nach der Zeit als Spice Girl galt sie lange Zeit als die schlecht gelaunte Frau Beckham, Ehefrau von Fußballstar David. Die Netflix-Doku Beckham zeigt eine ganz andere Seite: Victoria ist der wahre Star der Serie. Und macht Lust auf einen Spin-off, der ihre unglaubliche Karriere nachzeichnet.

2006 ist Beckhams erstes Denimprojekt Geschichte, doch die Britin macht weiter. Es folgt ihre erste eigene Kollektion namens "DVB Style" - das D steht für David, das V für Victoria und das B für, eh klar. Statt Kronen sitzen jetzt Sternchen auf den Pos. Die Kollektion wird im noblen New Yorker Luxuskaufhaus Saks auf der Fifth Avenue vorgestellt. "Was sie trägt, wird Trend. Was sie entwirft, Mega-Trend", jubelt die Bild-Zeitung - erst der Anfang.

2008 wird das Modejahr von Victoria Beckham. Der Fotograf Jürgen Teller lässt die Britin für eine Marc-Jacobs-Kampagne in einem riesigen Papiersackerl verschwinden. Gott und die Welt sprechen über Beckham. Posh Spice beweist Witz - und die Bereitschaft, sich auf die Spielregeln der Modeindustrie einzulassen.

"Ich will ein Imperium"

Ein Dreivierteljahr später geht sie aufs Ganze. Die Britin zeigt im New Yorker Waldorf Tower ihre erste Kollektion, 15 schmale Etuikleider. Beckham sei nun eine ernstzunehmende Unternehmerin, sie beherrsche Schnitt und Passform, urteilt die Modekritik.

Der Wind dreht sich. Die Einkäuferinnen und Einkäufer der Luxuskaufhäuser reißen sich um die Kleider – die Luxusmodewelt registriert das Bemühen Beckhams. Seit sie mit sieben Jahren ihre Schuluniform selbst gestaltet hat, habe sie von einer eigenen Kollektion geträumt, wird Beckham später erzählen. Im Sommer 2013 porträtiert des New Yorker T-Magazine die Modeunternehmerin. Überschrift des Artikels: "Victoria Beckham, Working Girl". Der Text endet mit einem Zitat der damals 39-jährigen Britin: "Ich möchte immer größer werden. Ich will ein Imperium."

Sie macht ihre Ankündigung wahr, wenn auch der Erfolg auf sich warten lässt. 13 Jahre lang ist Victoria Beckhams Unternehmen in den roten Zahlen.

Jetzt macht die Marke Gewinne, erklärt ihr Investor David Belhassen im Frühjahr 2023 dem Branchenblatt WWD. Und: Beckhams Prominenz zahlt sich aus, 32 Millionen mögliche Konsumentinnen folgen ihrem Insta-Profil, dem ihrer Beautylinie eine Million.

Victoria Beckham posiert im Sommer 2023 während der Pariser Modewoche beim Besuch einer Show des französischen Labels Jacquemus.
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Die Verkäufe von Make-up, Handtaschen und Sonnenbrillen finanzieren die Kleidung – wie bei so ziemlich jeder Luxusmodemarke. 2022 zeigt die 49-Jährige ihre erste Show in Paris. Die Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt. (Anne Feldkamp, 17.11.2023)