Arbeitszeitverkürzung ist eine der Gewerkschaftsforderungen in so manchen KV-Verhandlungen. Die Viertagewoche ist besonders Andreas Bablers Vision. Vier Tage Arbeit sind genug – so sehen das auch viele Beschäftigte, doch auf das Geld können nur wenige verzichten. In Österreich ist das Thema noch eher graue Theorie, doch einige Unternehmen haben Tests in Eigenregie gestartet. Das Konzept passt nicht überall. Aber Pilotversuche in europäischen Ländern zeigen, dass abseits politischer Debatten doch einiges umgesetzt wird. In manchen Ländern hat die Politik sogar Schlüsse daraus gezogen.

Ein Bild von einer Uhr, wo jemand auf den Zeigern sitzt und wartet.
Die Viertagewoche bewegt in Österreich die Gemüter massiv. Beschäftigte können der Idee viel abgewinnen, aber nur bei vollem Lohnausgleich. Unternehmern stellt es bei der Idee die Haare auf.
AFP/JOEL SAGET

Großbritannien: Pilotprojekt mit erstaunlichem Erfolg

Hundert Prozent Lohn für 80 Prozent der Arbeitszeit – solange die Produktivität nicht sinkt: Für so manches britische Unternehmen und dessen Beschäftigte ging die Rechnung auf. 61 Firmen aus den Branchen Onlinehandel, Finanzberatung und Marketing, aber auch Bezirksverwaltungen hatten an einem Pilotprojekt zur Viertagewoche teilgenommen. Es erstreckte sich vom Juni bis zum Dezember 2022. Einer der Kritikpunkte an dem Projekt: Große Industriebetriebe fehlten.

Dennoch überraschte das Ergebnis: 56 der teilnehmenden Firmen wollen zunächst bei der Viertagewoche bleiben. Alles in allem erwiesen sich viele Annahmen als richtig. Durchschnittlich beobachteten Forschende aus Boston und Cambridge eine Umsatzsteigerung von rund 1,4 Prozent. Die Zahl der Krankenstandstage schrumpfte gewaltig – um rund zwei Drittel. Auch die Zahl der Angestellten, die kündigten, ging mit 57 Prozent steil nach unten. Fast 40 Prozent der teilnehmenden Beschäftigten erklärten, sie hätten sich weniger gestresst gefühlt als zuvor.

"Die bessere Work-Life-Balance macht die Leute fröhlicher und weniger gestresst. Und zufriedene Mitarbeiter leisten bessere Arbeit", erklärte Claire Daniels von der digitalen Marketingagentur Trio Media im nordenglischen Leeds der BBC. Meetings wurden abgeschafft, andere vereinbarten, sich während der Arbeit ausschließlich auf diese zu konzentrieren. Nicht alle kamen auf einen grünen Zweig: Beim Werkzeughersteller Allcap in Gloucester kam man zum Schluss, dass die Kundennachfrage in der kürzeren Arbeitszeit nicht zu bewältigen war.

Portugal: Ein Wahlversprechen, das Fachkräfte anlocken soll

Fast 100 portugiesische Unternehmen hatten Interesse an jenem Feldversuch signalisiert, bei dem die Angestellten nur noch vier anstatt wie bisher fünf Tage in die Arbeit kommen. Tatsächlich "getraut" haben sich dann aber nur 39.

Mit dabei sind Beraterfirmen, Technologie- und Handelsunternehmen, Industriekonzerne und Einrichtungen aus dem sozialen Bereich. Für alle gilt: keine Lohneinbußen, und die Wochenarbeitszeit wird auf 32 bis maximal 36 Stunden gesenkt. Portugal hat nach wie vor eine 40-Stunden-Woche. Der sozialdemokratische Premierminister António Costa hat mit dem Pilotprojekt ein Wahlversprechen eingelöst. Er will Portugal einerseits für Fachkräfte attraktiv(er) machen, andererseits eine öffentliche Debatte starten, ob und wie die Viertagewoche in Portugal funktionieren kann.

Anders als im benachbarten Spanien, wo es ebenfalls einen Testlauf dieser Art gibt, werden die Unternehmen in Portugal dabei nicht staatlich unterstützt. Das würde die wirtschaftliche Realität verzerren, sagen die Projektkoordinatoren. Bisher klingen die Ergebnisse vielversprechend. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet, und laut Projektleiterin Rita Fontinha seien die Angestellten motivierter, glücklicher und gleich produktiv, wenn nicht sogar produktiver. Aber auch Unternehmen würden profitieren, da die Fehlzeiten abnehmen. In vielen Unternehmen gibt es zu viele und zu lange Sitzungen – da setzen die meisten Betriebe als Erstes an, um die Viertagewoche in der Realität zu meistern.

Eine Frau liegt krank auf der Couch und telefoniert. 
Ergebnisse unterschiedlicher Pilotprojekte der Viertagewoche in Europa zeigen, dass Menschen bei kürzeren Arbeitszeiten weniger krank werden.
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Deutschland: Im kommenden Jahr soll ein großes Projekt starten

In Deutschland steht das bisher größte Experiment in Sachen Viertagewoche noch bevor. Der Berliner Unternehmensberater Intraprenör hält es für geboten, die Sache einmal auszuprobieren. "Wir beobachten, dass die Diskussion sehr meinungsorientiert abläuft", sagt Intraprenör-Mitgründer Carsten Meier. Er organisiert nun ein Pilotprojekt in Deutschland – gemeinsam mit der Organisation 4 Day Week Global, die bislang mit 500 Unternehmen in vielen Ländern am Thema gearbeitet hat.

Fans und Kritiker haben meist beide gute Argumente. Nun soll die Praxis zeigen, was funktioniert. Bis 30. November können sich Unternehmen bewerben. Es haben sich auch schon welche gefunden, die verbindlich mitmachen werden. Interessenten kommen wie in Großbritannien aus verschiedensten Bereichen, Gastronomie, IT, Immobilien, Fertigung. Auch hier fehlen große Industriebetriebe.

Die Uni Münster wird die Ergebnisse wissenschaftlich auswerten. "Unternehmen können dabei auch etwas lernen", wirbt Meier. Die Sache soll nach dem bekannten Muster ablaufen. Von Februar bis August kommenden Jahres sollen die Betriebe ihren Mitarbeitenden den vollen Lohn zahlen, obwohl diese nur 80 Prozent der bisherigen Zeit arbeiten. Die teilnehmenden Unternehmen, für die je nach Unternehmensgröße eine kleine Gebühr (bei bis zu zehn Mitarbeitern etwa 500 Euro) anfällt, sollen durch Trainings und Netzwerktreffen beim Experiment unterstützt werden. In rund einem Jahr ist ein Abschlussbericht zu erwarten. Auch österreichische Betriebe können laut Meier mitmachen.

Belgien: Anspruch auf vier Tage, aber nicht weniger Stunden

In Belgien hat man sich für einen ganz anderen Weg beschritten. Denn seit knapp einem Jahr haben die dortigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf die Viertagewoche. Was heißt das in der Praxis? Am Gehalt ändert sich nichts, an der Arbeitszeit allerdings auch nicht. Aber: Die Beschäftigten können sich aussuchen, ob sie ihre 40 Wochenarbeitsstunden auf vier oder fünf Tage verteilen. Alternativ kann die Stundenzahl verringert werden – gegen Gehaltsabschlag. Premierminister Alexander De Croo hofft, mit dieser Flexibilität mehr Schwung in den als starr bekannten belgischen Arbeitsmarkt zu bringen.

Eine Revolution am Jobmarkt hat der Schritt jedoch nicht ausgelöst. Laut einer aktuellen Umfrage hat weniger als ein Prozent der Beschäftigten im vergangenen Jahr zur Vollzeit-Viertagewoche gewechselt. Das entspricht einem von 130 Vollzeitbeschäftigten, berichtete kürzlich die Brussels Times. Dieses Resultat nach einem Jahr kommt eher überraschend. Laut einer Studie der Uni Gent waren vor der Einführung vergangenen November vor allem in Flandern 40 Prozent der Menschen für die kürzere Woche.

Vor allem bei Klein- und Mittelbetrieben steht man dem Modell noch skeptisch gegenüber, sie fürchten den organisatorischen Aufwand. Konzerne haben mehr Bereitschaft gezeigt. Treiber in dem neuen System dürften aber vor allem die Jüngeren sein. Bei den 20- bis 30-Jährigen findet das Modell laut der Umfrage deutlich mehr Anklang als bei der älteren Generation. (Regina Bruckner, Andreas Danzer, 17.11.2023)