Wenn die Badewanne übergeht, reicht es nicht, den Wischmopp zu holen, man muss den Wasserhahn zudrehen. Diese Metapher nutzen Umweltorganisationen gerne für die globale Plastikproduktion und die daraus resultierende Umweltverschmutzung.

Dass Handlungsbedarf besteht, darin ist sich die Welt einig – weniger jedoch in der Frage, wie dieses Handeln aussehen soll. Am Sonntag ging in Nairobi die dritte von fünf Verhandlungsrunden auf dem Weg zu einem internationalen Plastikabkommen zu Ende. Das große Ziel ist gescheitert: Eigentlich sollte das Sekretariat der Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEP) ein Mandat bekommen, um einen Vertragstext zu erstellen, der bei der nächsten Verhandlungsrunde im Frühjahr konkret ausformuliert werden soll. Das ist nicht geglückt, bestätigen in die Verhandlung involvierte Personen dem STANDARD. Die angedachten Arbeitsgruppen wird es ebenfalls nicht geben, lediglich eine neue Rohversion des Vertragstextes steht.

Ein Mann steht vor einem Haufen Plastikmüll und hält ein Schild gegen Plastikverschmutzung in die Höhe. 
Vor allem in ärmeren Ländern protestieren immer mehr Menschen gegen die ausufernde Menge an Plastikmüll: Bis zu zwölf Millionen Tonnen landen laut UN-Schätzungen jährlich im Meer.
AFP/LUIS TATO

Vertrag soll bis Ende 2024 stehen

Worum geht es genau? Im Frühjahr 2022 haben sich mehr als 170 Staaten im Rahmen der UNEP darauf geeinigt, bis Ende 2024 in fünf Runden einen Vertrag auszuarbeiten, der die weltweite Verschmutzung durch Kunststoff beenden soll. Konkret heißt das, es sollen verbindliche Maßnahmen für den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen festgelegt werden – von den Mengen, in denen einzelne Materialien hergestellt werden, über das Design von Plastikprodukten bis hin zur Entsorgung und Wiederaufbereitung von Plastikmüll. Insiderberichten zufolge wird eine zusätzliche Verhandlungsrunde kommendes Jahr bereits diskutiert.

Als "sehr enttäuschend" bezeichnet man das aktuelle Ergebnis bei Greenpeace. "Mehr als die Hälfte der Vertragsverhandlungen sind bereits abgeschlossen, und wir steuern auf ein Desaster zu. Gehen die Verhandlungen weiter wie bisher und es wird ein Vorschlag nach dem anderen verwässert, dann wird sich das Plastikproblem dramatisch zuspitzen", sagt Lisa Panhuber, Kreislaufwirtschaftsexpertin bei Greenpeace Österreich. Viele Staatsvertreter würden Profite von Plastikunternehmen über das Wohl der eigenen Bevölkerung stellen.

Dabei seien die Verhandlungen gut angelaufen, meint Hugo-Maria Schally, einer der Verhandler und ein hoher Beamter bei der EU-Kommission Mitte der Woche zum STANDARD. Eine Debatte über das Verfahren an sich, wie es sie in Paris und Uruguay gab, sei dieses Mal vermieden worden. Doch die inhaltlichen Differenzen wiegen sehr schwer. Wie weit die Positionen in den Verhandlungen zum Teil auseinanderliegen, zeigt ein Blick auf zwei Gruppen: Einerseits ist da die "High Ambition Coalition", der 50 Länder einschließlich EU, Ruanda, Norwegen und Ecuador angehören und die Plastikverschmutzung bis 2040 praktisch auf null setzen sowie die Produktion von Primärplastik massiv verringern möchte.

Ein Raum voller Menschen mit vielen Tischen.
Vertreter von mehr als 170 Staaten haben sich in Nairobi eingefunden. Die Verhandlungen laufen äußerst zäh.
AFP/TONY KARUMBA

Sehr konträre Allianzen

Ihr steht die vom Iran ausgerufene "Allianz für nachhaltiges Plastik" gegenüber. Dazu zählen unter anderem Saudi-Arabien, China, Russland und Kuba. Stellungnahmen wichtiger Player wie Russland und China fehlen – dem Vernehmen nach tritt diese Allianz aber dafür ein, dass sich das Abkommen nur auf Recycling und nachhaltigere Herstellung bei problematischen Produkten bezieht. Sprich: Es soll sich möglichst wenig ändern am Status quo – obwohl die Zahlen eine alarmierende Sprache sprechen.

UN-Schätzungen zufolge entstehen jährlich 400 Millionen Tonnen Plastikmüll, die Umwelt und Mensch belasten. Greift die Politik nicht ein, könnte sich die Plastikproduktion bis 2060 verdreifachen.

Irgendwie kennt man das

Gewisse Positionen erinnern stark an die internationalen Klimaverhandlungen. Aus gutem Grund, denn viele der Akteure sind dieselben. Ohne Öl und Erdgas gibt es keine Plastikproduktion – dementsprechend haben ölproduzierende Länder und Unternehmen großes Interesse am für sie positiven Ausgang dieser Verhandlungen, was sich auch in den Teilnehmerlisten widerspiegelt. Laut der NGO Center for International Environmental Law waren offiziell 143 Lobbyisten der Gas-, Öl- und Chemieindustrie akkreditiert. Das seien ein Drittel mehr als bei der vorigen Verhandlungsrunde – und die fossile Industrie stellt damit mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer als die 70 kleinsten Delegationen von UN-Staaten zusammen.

Weiter geht es mit der vierten Runde kommendes Frühjahr in Kanada. (Andreas Danzer, 19.11.2023)