Interviewpartnerinnen der Sir Karl Popper Schule in Wien mit Andreas Salcher.
15 Schülerinnen und Schüler der Sir-Karl-Popper-Schule in Wien sprachen mit dem Autor Andreas Salcher für das Buch.
Lukas Beck

Die ältere Generation hört den Jungen nicht zu? Ja, tatsächlich. Zumindest ist das eine der Kernaussagen des Buches "Unsere neue beste Freundin, die Zukunft – Was die Jungen wissen und wir noch nicht". Mitte Oktober kam das Sachbuch des Autors Andreas Salcher auf den Markt. Seine Motivation? "Ich wollte mehr über die Zukunft erfahren. Deshalb bin ich dort hingegangen, wo Zukunft schon heute stattfindet. Zu den Menschen, die die Welt von morgen prägen werden", erzählt er dem STANDARD.

Dazu befragte er 23 junge Menschen der Generation Z: Welche Fähigkeiten werden wir brauchen, wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus, und wie gehen wir mit Technologie um? Er gleicht das von den Jungen Erzählte mit seinem eigenen Erfahrungsschatz ab und gießt das Ganze in wissenschaftliche Zusammenhänge. Er verwebt das Wissen aus den Interviews auch mit Erkenntnissen, die er aus Gesprächen mit bekannten Wissenschafterinnen und Persönlichkeiten über die Jahre gesammelt hat.

Ein Rest an Naivität

Im Text finden sich einige spannende Ansätze, die überraschen. Zum Beispiel der Rat an erfahrene Managerinnen und Manager: Entwickeln Sie ein Anfänger-Mindset. Im Buch heißt es: "Der ewig Lernende ist eben nicht der Durchblicker, Besserwisser oder Fachspezialist. Er bewahrt sich einen Rest an Naivität, um sich überraschen zu lassen von den großen Geschichten der Menschheit und den vielen kleinen Wundern des Alltags."

Ein Vorwurf der Jungen beschäftigt Salcher besonders: Die Älteren hören den Jungen nicht zu und beurteilen beziehungsweise verurteilen sie viel zu schnell. Diese Vorbehalte kann Salcher auch durchaus nachvollziehen. Doch welche Vorteile bringt eine Kommunikation auf Augenhöhe? Dazu heißt es im Buch: "Organisationen benötigen Kulturen, die Widerspruch und Einwände nicht nur tolerieren, sondern dazu ermutigen." Dazu müssten bestehende Hierarchien aufgebrochen werden, meint eine der interviewten Schülerinnen, Elisa Briem: "Ich bin überzeugt, dass da einfach von struktureller Ebene viel mehr Veränderungswille kommen müsste, um Hierarchien zu hinterfragen und die Organisation offener und flexibler zu gestalten."

Im Buch werden auch die vier Zukunftsfähigkeiten Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken hinterfragt und mit lebensnahen Beispielen versehen. Insgesamt gibt es eine angenehme Abwechslung aus anschaulichen Geschichten, Zitaten, Konzepten der Philosophie und Gesprächen mit den Schülerinnen – alles flüssig zu lesen und gut zu verstehen.

Schülerinnen und Schüler des Landesgymnasiums Sankt Afra
Sie leisten zwar viel, haben aber ein anderes Verständnis von Leistung: die Schülerinnen und Schüler des Sankt-Afra-Landesgymnasiums.
Andreas Salcher

Die 23 befragten jungen Menschen haben eines gemeinsam: Sie besuchen alle Schulen für sogenannte Hochbegabte. 15 von ihnen gehen oder gingen auf die Sir-Karl-Popper-Schule in Wien, die Salcher mitbegründet hat. Die anderen acht kommen vom Sächsischen Landesgymnasium Sankt Afra in Deutschland. Wieso wählte Salcher genau diese Personen aus? "Früher interviewte ich vor allem die älteren intelligentesten Menschen dieser Welt. Nun wende ich mich den jüngsten klugen Köpfen zu."

Dass Bildung stark an Herkunft, Privilegien, Chancen und die richtige Förderung geknüpft ist, ist den Schülerinnen und Schülern bewusst. "Mich überraschte, wie demütig, reflektiert und idealistisch meine jungen Gesprächspartner waren", erzählt Salcher. Der Wunsch, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, sei bei allen sehr stark ausgeprägt. Eine Frage bleibt natürlich trotzdem: Welche Erkenntnisse wären entstanden, wenn Gesprächspartnerinnen gewählt worden wären, die weniger privilegiert sind?

Wie zukunftsfit sind Sie?

Am Ende des Buches trägt Salcher noch 21 Statements zusammen, anhand derer die Lesenden ihre Zukunftstauglichkeit testen können. Die Auswahl wurde von seinen jungen Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern getroffen. Je mehr Sätze mit Ja beantwortet werden, desto zukunftsfitter sei man. Hier fünf der 21 Sätze. Welche dieser Statements würden Sie bejahen?

"Ich kann meine Meinung ausdrücken, ohne andere zu dominieren, und ermutige zur Zusammenarbeit statt zur Konkurrenz."

"Ich würde einen Job außerhalb meines erlernten Berufes annehmen und wäre bereit, neue Fähigkeiten zu entwickeln, wenn ich damit mehr Zukunftschancen hätte."

"Ich habe innerhalb der vergangenen zwölf Monate eine Fähigkeit auf einem neuen Gebiet erlernt."

"Ich reflektiere selbstkritisch meine Vorurteile, bevor ich neue Ideen beurteile."

"Ich bin bereit, etablierte Regeln zu hinterfragen und, wenn notwendig, auch zu brechen, um Innovationen zu ermöglichen."

Bücher wie dieses sind wichtig. Denn um die Gräben zwischen den Generationen nicht noch größer zu werden zu lassen, braucht es Mediatorinnen und Mediatoren, die beide Seiten verstehen wollen und können – die Übersetzungsarbeit leisten. Dieses Buch kann man auch als ein Lehrwerk lesen, wie sich Menschen unterschiedlicher Generationen begegnen und voneinander lernen können. Eines haben die Interviewten gemeinsam: Wie die Welt sich entwickeln wird, sehen sie kritisch und nicht durchwegs positiv. Aber sie haben ein Grundvertrauen, dass ihre eigene Zukunft positiv sein wird, da sie sie selbst gestalten können. (Natascha Ickert, 29.11.2023)