Links ein Mann in Hoodie, rechts derselbe Mann im Anzug.
Auch der Kleidungsstil veränderte sich im Laufe der letzten Jahre – angestoßen von den Managerinnen und Managern im Silicon Valley.
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Es war einmal, und es war einmal schön. Boomer werden sich gerne daran erinnern: Der erste Schritt auf der Karriereleiter führte ins eigene Bürozimmer, und je nachdem, wie groß der Schritt und seine nachfolgenden waren, korrespondierte dessen Raumgröße. Bei der Eröffnung der Uno-City in Wien-Kagran 1979, damals einer von Wiens modernsten Bürobauten, beschrieb die Führerin am Tag der offenen Tür stolz und völlig ironiebefreit, dass für Abteilungsleiter Zimmer mit zwei Fenstern, für "Department Heads" ein drittes Fenster vorgesehen waren.

Man konnte sich nur vorstellen, wie im modernen Büro der Weg nach oben aussehen musste: noch mehr Fenster, schließlich ein Eckzimmer, das legendäre Corner-Office, in einem der oberen oder, am besten, im obersten Geschoß, mit einem Vorzimmer samt Vorzimmerdrache, der unerwünschte Besucher in die Schranken wies. Der Legende nach wurde für den CEO eines großen Konzerns beim Neubau seines Glaspalasts ein eigener Erker in der glänzenden Fassade des elften Stocks vorgesehen, damit er hinaustreten und einen Blick von der Vorstadt auf den Turm des Stephansdoms werfen konnte, quasi ein höchst privater Canaletto-Blick. Mittlerweile versperrt ein Hochhaus den Blick darauf.

Bürobauten und ihre Raumpläne sind die in Beton, Stahl und Glas gegossenen Monumente der jeweiligen Management-Mode du jour. Pech nur, dass sich die Anschauungen darüber, wie Firmen oder Konzerne zu managen sind, schneller ändern als ihre Architektur. Der hierarchischen Raumordnung entsprach das Führungsverständnis: top-down, mit befehlsgleichen Anweisungen von Generaldirektoren, die gut abgeschirmt vom Fußvolk zu ihren Entscheidungen gelangten. War fachlicher Input nötig, wurden Mitarbeiter zum Vortrag ins Chefzimmer zitiert. Wer hingegen heute noch im eigenen Zimmer bei geschlossener Tür sitzt, gilt als völlig weltfremd oder träumt von besseren Zeiten, als Konzentration und Ruhe beim Arbeiten noch als Tugend galten.

Militärische Gruppenübungen

Diese starre Managementphilosophie brach als Spätfolge der 1968er-Jahre auf, Managementberater verordneten dem modernen Unternehmertum Gruppendynamik, Mitarbeitermotivation und Teamführung. Managerinnen und Manger mussten in Gruppendynamik-Seminaren antreten, um im "Nasa-Spiel" über die Wichtigkeit von 15 Gegenständen zu entscheiden, die bei einer Notlandung auf dem Mond für die Rückkehr zum Mutterschiff überlebensnotwendig seien (wahlweise: nach einem Flugzeugabsturz in der Wüste). Die von der Nasa wissenschaftlich erforschte Moral der Übung: Die besten Entscheidungen treffen Gruppen im Konsens, die schlechtesten bringt das Führerprinzip hervor. Ein dreifaches Hurra der Demokratisierung im Unternehmen!

Nasa-Spiele und weitere gruppendynamische Übungen finden sich zwar noch heute im Standardrepertoire von Jugendgruppenleiterinnen und -leitern, auf "Management-Offsites" sind sie verschwunden. Auf der Führungsebene sind wieder Charisma und "Leadership" statt einfaches Management gefragt. Militärisch anmutende Übungen sind in: auf zum Segelturn mit dem CEO, um in gemeinsamer Anstrengung unter Anweisung des Kapitäns den wilden Stürmen des Meeres und der Märkte Wellen zu trotzen! Im Bootcamp finden vom Top Dog geführte nächtliche Orientierungsmärsche statt (Achtung, Metapher!), während wir im Flying Fox wie die Marines lernen, unsere Ängste beim Absprung zu überwinden. Empowerment ist eben alles.

Zu Motivationsvorträgen werden gerne Spitzensportler eingeladen, die schon vor dem Frühstück mindestens einen Achttausender bezwungen haben, während gewöhnliche Sterbliche noch ihren Mailstau abarbeiten. Je nach persönlichen Neigungen der Obersten schwankt das Anforderungsprofil an Manager zwischen heroischen Einzelgängern auf Heldenreisen, Fußballtrainern und Orchesterdirigenten: Zaubertrunken betreten wir neue Umsatzhöhen und Renditen. Mit Design-Thinking kriegen wir das schon hin!

Spielzimmer

Party in einem hellen Großraumbüro.
Unser Leben im Büro: ein nie endendes Kinderspiel, Pizzaservice und Putzerei inklusive.
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In den Büros schrumpften indes die Zimmer in den vergangenen Jahrzehnten zunächst zu Cubicles, dann Schreibtischen und schließlich zum Shared Desk, auch "Hot Desking" genannt, und einem Rollwagerl für verbleibende persönliche Habseligkeiten. Natürlich nur zur Förderung der Produktivität: heraus aus der Einsamkeit des eigenen Zimmers mitsamt seinem persönlichen Nippes und Bildern von Familie oder Geliebten, hinein in die Kreativität von Meetings, Smalltalk in der Kaffeeküche, zufälligen kollegialen Begegnung vor oder in der Toilette, aus der spontan die nächste geniale Idee geboren wird! Silicon Valley gab und gibt Ton und Takt für das neue Arbeiten an: wenig Schreibtisch, viel Spielzimmer, Getränkekühlschränke und Feuerwehr-Rutschstangen, um schneller zum Ausgang zu kommen. Unser Leben im Büro: ein nie endendes Kinderspiel, Pizzaservice und Putzerei inklusive.

Praktisch, dass mit dem Hot Desking Einsparungen bei Mieten und Betriebskosten einhergehen. Damit lassen sich ohnedies fällige Renovierungen und die neuen, ergonomisch hervorragenden, aber etwas teureren Schreibtische mit motorischer Höhenverstellung leicht finanzieren. Etwas schwerer in seiner Halbwertszeit einzuordnen: das pandemieinduzierte Homeoffice. Passt zur Work-Life-Balance, verringert den CO2-Footprint des Unternehmens, befördert die Digitalisierung. Schlägt sich jedoch mit der wiedergefundenen Sehnsucht nach besserer Kontrolle der Mitarbeiterschaft in überschaubaren Großraumbüros.

Das letzte Wort dazu ist noch nicht gesprochen, vor allem in den USA heißt es zunehmend "Zurück in die Zukunft!", und Angestellte werden unter Androhung von Sanktionen ins Office beordert. Aber es kann gut sein, dass hier eine tektonische Verschiebung stattgefunden hat, die sich nur teilweise rückabwickeln lässt. Einige Indizien: In Manhattan ist der großflächige Umbau leerstehender Bürogebäude zu Wohnungen im Gang, und in Anbetracht eines leergefegten Arbeitsmarkts liegt viel Verhandlungsmacht derzeit bei den Arbeitsbienen. Was zunächst eine organisatorische Umstellung war, wird zu einer der größten Herausforderungen für das Management unserer Tage: quasi Management & Leadership by Zoom.

Faltenrock oder Jogginghose?

Management-Moden (Google-Definition: "Mode, vom französischen Gemessenes, Erfasstes, ist eine Ideologie, die für einen bestimmten Zeitraum und für eine bestimmte Gruppen von Menschen Gültigkeit hat") finden natürlich auch ihren Niederschlag in des Kaisers neuen Kleidern. Frage an die Männer der Generationen X, Y, Z: Haben Sie eine Krawatte in Ihrem Kleiderschrank, und wie wird sie umgebunden? Frage an die Frauen derselben Generationen: Verfügen Sie noch über einen knielangen Faltenrock? Insbesondere seit dank Corona der Mensch nur noch oberhalb seines Tisches sichtbar ist, lässt sich für den Dresscode im Büro ein Bonmot von Karl Lagerfeld abwandeln: Mit der Jogginghose seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das Management die Kontrolle verloren. Sechzigjährige CEOs von Dax-Konzernen treten bei "Townhalls" im Hoodie auf, Sakkos über einem T-Shirt gelten beinahe schon als overdressed. Wer will sich da noch einen Schlips umbinden, außer es geht um ein Kreditgespräch beim Bankberater?

Aber ob eigenes Zimmer im Büro, Nische daheim, Jogginghose oder Anzug: Alles egal – Hauptsache, wir brennen für unsere Mission, am besten an beiden Enden. Das sollte alle Zeiten überdauern. (Helmut Spudich, 28.11.2023)