Kim Kardashianbei den CFDA Fashion Awards in New York City Anfang November.
Kim Kardashian beherrscht Kapitalismus.
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Kürzlich wurde Reality-TV-Star und Unternehmerin Kim Kardashian vom "GQ"-Magazin zum "Mann des Jahres" gekürt. Das Männermagazin kämpft mit seinen Kategorien und will sich offenbar lässig darüber hinwegsetzen. Gut gemeint, das könnte man als Ansatz schon mal in Ordnung finden. Es gelingt nur leider trotzdem nicht.

Denn für das Cover und eine Fotostrecke der "Men of Year"-Ausgabe lichtete "GQ" die 43-jährige US-Amerikanerin als "Tycoon des Jahres" in Hemd, Blazer und Krawatte ab. Mit zurückgegelter Gordon-Gecko-Frisur sitzt eine vermännlichte Kardashian in einem Büro mit Megaaussicht.

So haben sich wohl viele nach Erscheinen des Börsenmakler-Dramas "Wall Street" aus dem Jahr 1987 erfolgreiche turbokapitalistische Männer vorgestellt. Warum Kardashian nun in diesem Style "Mann des Jahres" wurde? "GQ" begründet das etwa mit der Erweiterung von Kardashians Wäschemarke Skims auf Männer. Recht plausibel ist das nicht: Kim Kardashian braucht beileibe keine männlichen Insignien, um ökonomischen Erfolg und Profitgier darzustellen.

Polyesternippel

Denn gerade Kardashian hat mit besonderer Betonung traditioneller Weiblichkeit gezeigt, dass finanzstarke und/oder reich beerbte Frauen ebenso perfekt Kapitalismus beherrschen. Dass sie Kohle machen wollen, immer mehr und mehr. Und dass freilich auch Frauen keinerlei Hemmung haben, sexistische und auf ihren Körper reduzierte Frauenbilder als Basis zahlloser Produkte zu nutzen und somit auszubeuten.

Sei es der kürzlich auf den Markt gekommene "Nippel-Push-up-BH", der das Abzeichnen eines Kunstnippels unter Shirt oder Pullover garantiert – auch wenn Ihnen gerade wohlig warm ist. Während der natürliche Nippel bekanntlich biologisch abbaubar ist, bringt eine Unternehmerin also in Zeiten der Klimakrise einen Polyesternippel-BH auf den Markt, der es nicht ist. Oder denken wir an die Ganzkörper-Make-up-Linie, die Kardashian mit ihrer Autoimmunkrankheit Psoriasis vermarktete, die sich durch Schuppenflechte bemerkbar macht. Die betroffenen Stellen kann man jetzt mit ihrem Produkt zukleistern – wie auch alles andere, was nicht ebenmäßig genug erscheint.

Ideal Kardashian

Die Verzahnung von Beautyprodukten und unglaubwürdigen Anflügen von Ethik ist bei Kardashian auch ziemlich fragwürdig. Die Kritik an ihren Polyesternippeln konterte sie mit dem Verweis darauf, dass zehn Prozent des Umsatzes des Nippel-Bra an eine Umweltorganisation gingen. Für die Welt täte sie aber eindeutig mehr, wenn derlei erst gar nicht produziert würde. Und auf der Skims-Website werden brav, ganz im Zeitgeist der Body-Positivity, auch einige dicke Körper abgebildet. Trotzdem stehen ihre Produkte allein durch die Medienpräsenz von Kardashian selbst für ein Ideal. Ein unerreichbares Ideal, für das man viel Geld ausgibt und Zeit investiert – damit dann das nächste Produkt um die Ecke kommt, das uns vermittelt: Sorry, es reicht noch immer nicht, aber Gott sei Dank gibt es da was Neues für die ewige Baustelle Frauenkörper.

Man braucht also keine männlichen Insignien, um Geldmacherei um jeden Preis darzustellen. Gerade Kim Kardashian zeigt das gut. Und ebenso, dass auch weibliche "Tycoons" für Frauen erst mal gar nichts besser machen. (Beate Hausbichler, 21.11.2023)