Zwei Teammitglieder sprechen vor einem Bildschirm
Wer KI im Unternehmen einsetzen will, muss alle Mitarbeitenden ins Boot holen.
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Unternehmen in Österreich sind mit künstlicher Intelligenz (KI) noch nicht ganz warm geworden. Verschiedene heimische Studien zeigen: Kaum Firmen setzen KI-Programme ein, viele planen es nicht einmal. IT-Dienstleister Tietoevry Austria hat gemeinsam mit den Tech-Konzernen SAP und Microsoft etwa 100 Führungspersonen befragt, wie sie die Technologie für sich arbeiten lassen.

Bei 80 Prozent spielen KI-Tools noch keine Rolle, und die Hälfte hat keine unmittelbaren Pläne, sie zu initiieren. Die andere Hälfte will aber erste KI-Lösungen in ein bis zwei Jahren einsetzen. Trotzdem fehlt es in den allermeisten Firmen überhaupt an Personen, die für eine KI verantwortlich wären oder sich gut genug auskennen. "Bei den Entscheiderinnen und Entscheidern ist noch nicht genügend eingedrungen, dass sie sich mit der Technologie befassen müssen", beklagt Christina Wilfinger, Geschäftsführerin von SAP Österreich, "vor allem, um wettbewerbsfähig zu bleiben oder Kostendruck und Personalmangel auszugleichen."

Andere Studien suggerieren wiederum, dass die Technologie doch bald Einzug in viele österreichische Betriebe findet. Das Beraterhaus Deloitte stellte fest, dass Automatisierung mit künstlicher Intelligenz und Robotik für zwei Drittel der befragten Unternehmen in den kommenden Monaten strategisch wichtig sei. Viele wollen vor allem maschinelles Lernen und Bilderkennung anwenden, insbesondere in kreativen oder datengesteuerten Branchen. Aber auch ihre Umfrage zeigt: Fast keine Firma ist mit möglichen Anwendungsfeldern vertraut. Die meisten Beschäftigten würden sich aber mehr Transparenz darüber wünschen, wie KI in der Arbeitswelt eingesetzt wird, brachte die Jobplattform Xing kürzlich in Erfahrung.

KI in die Entscheidungs- und Arbeitsprozesse einzubinden liegt letztlich bei den Führungskräften. Sie sind es, die Veränderung umsetzen können und für ihre Mitarbeitenden als Vorbilder agieren sollen. Chefinnen und Chefs müssen kommunizieren, wie KI eingesetzt wird, und die neue Technologie zuvor selbst verstehen lernen. Für Führung bedeutet das ein neues Bewusstsein des Rollenbilds. DER STANDARD hat mit Fachpersonen gesprochen, welche Management-Rollen sie für den Einsatz von KI für wichtig halten.

Die Skalierer

"Ein wichtiges Thema für Managerinner und Manager im Umgang mit KI sind Projekte, die auf einer wirtschaftlichen Grundlage beruhen", sagt Theophile Roques, Geschäftsführer beim Weiterbildungsinstitut für Daten und maschinelles Lernen, Datascientest Deutschland. Man müsse über Gewinne und Verluste des Unternehmens genauestens Bescheid wissen und dann, ob eine KI mehr Geld bringt oder Geld spart. "Sie kann sehr teuer werden, es braucht also einen genauen Plan, um einen Wert zu erzeugen." Clemens Wasner, Gründer des KI-Unternehmens Enlite AI und von AI Austria, einem Thinktank zu KI, warnt hingegen vor glorifizierter Optimierung. Zunächst sollten Führungskräfte erkennen, welche Bereiche intern mit einem KI-System arbeiten können. Sie müssten die genauen Kennzahlen für ihr Unternehmen identifizieren, was genau welche Prozesse verbessern oder vergrößern kann, und die KI spezifisch für diese entwickeln. Für erste Versuche im Unternehmen brauche es auch nicht direkt ein vollautomatisches System mit Algorithmen, es könne auch mit kleinen Datenmengen begonnen werden.

Die Ethikerinnen

Vorgesetzte sollten ein kritisches Auge auf KI-Systeme haben. Sarah Spiekermann vom Institut für Informationssysteme und Gesellschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien äußerte sich erst kürzlich in einem Podcast des deutschen Rundfunks dazu. Zwar würden Unternehmen Gewinne erwarten und verbesserte Prozesse, aber es gelte vor allem, auf die Menschenwürde zu achten. Man sehe bereits die Ersetzung von Menschen in Callcentern und beim Fahren. Alle KI-Systeme müssten ein ethisches Assessment durchlaufen, und es müsse vermieden werden, menschliche Grundrechte durch KI zu verletzen. Es muss sich im Umgang mit den neuen Systemen immer wieder die Frage gestellt werden, wie der KI-Einsatz die Entwicklung der Menschen und die Erfahrung in der Arbeitswelt beeinflussen und prägen kann, sagt die Wissenschafterin.

Wasner weist auch auf die neuen europäischen Regelungen bezüglich KI-Systemen hin. "Mit den neuen Regularien müssen KI-Tools, welche etwa die Menschen einstufen oder für Jobs anstellen sollen, zertifiziert sein." Da der AI Act bereits im Dezember beschlossen werde, heiße das für Führungskräfte: nur jene KI-Systeme einsetzen oder einkaufen, welche eine Zertifizierung haben.

Die Datenschützer

Viele Arbeitende haben bereits ChatGPT oder andere frei zugängliche KI-Tools benutzt. Führungskräfte sollten sich jedoch der Risiken bewusst sein, wenn intern Angestellte mit solchen Softwares arbeiten. "Wer mit ChatGPT kommuniziert, muss sich bewusst sein, dass die Daten direkt an OpenAI gehen", sagt Theophile Roques. Es sollte also das Bewusstsein herrschen, keine Unternehmensgeheimnisse oder sensible interne Daten in das System zu schreiben. Führungskräfte sollten auch prüfen, ob die Persönlichkeitsrechte gewahrt werden.

Wichtig sei auch, gegenüber den Mitarbeitenden transparent zu machen, welche Daten für die KI verwendet werden, und sicherzustellen, dass diese nicht missbräuchlich eingesetzt werden. Ein Negativbeispiel wäre, wenn eine KI die Ergebnisse einer Weiterbildung auswertet und die Führungskraft die Auswertung dann verwendet, um die Mitarbeitenden ohne Absprache zu bewerten. Aber auch die Richtigkeit der Daten gehört dazu: "Die Aufgabe eines Managers oder einer Managerin ist es auch, Informationen von einer KI doppelt zu checken und zu schauen, ob diese wirklich korrekt sind", sagt Roques.

Die Kommunikatorinnen

In Bezug auf KI braucht es empathische Führungskräfte, welche transparent kommunizieren. So definiert es das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft in Deutschland in einem Report. Sowohl die Ziele, die mit KI erreicht werden sollen, als auch die Potenziale sollten dem Team erklärt werden. Gleichzeitig sollten Chefinnen und Chefs darauf achten, was ihre Mitarbeitenden bereits können und wie sie KI einsetzen, sagt Clemens Wasner. "Es ist Aufgabe der Führungskraft, die Erfahrungen der Mitarbeitenden auf Abteilungsebene zu aggregieren."

Außerdem sollten sich Führungskräfte um Workshops und Weiterbildungen für ihre Mitarbeitenden kümmern. Hermann Erlacher, Geschäftsführer von Microsoft Österreich, erwähnte bei einer Pressekonferenz aber auch die Kommunikation mit Maschinen. "Industrieroboter oder Maschinen werden in Zukunft mit Sprache angesteuert werden", sagt er. Es wäre wichtig zu verstehen, wie man mit Maschinen sprechen soll, welche Worte und Sätze sie verstehen und sogar aus welchem Winkel man zu ihnen spricht. Es sollte umso mehr das Vertrauen von Beschäftigten gewonnen werden und auch akzeptiert werden, wenn einige Menschen den neuen Systemen erst skeptisch gegenübertreten.

Die Technik-Nerds

"Man muss gar nicht technisch genau wissen, was sich hinter einer KI verbirgt. Es sollte eher auf das große Ganze geschaut werden", sagt Datenexperte Roques. Dabei sei eine Frage besonders wichtig: Wie weit kann die Technologie das Geschäft durchbrechen? Wer in einer kreativen Branche arbeitet, wird sich klarerweise mit den Bildern auseinandersetzen müssen, welche eine KI kreieren kann. Im Technologie- und Produktionssektor wird es viel wichtiger sein, sich auch als Führungskraft mit den technischen Details auszukennen. In der Produktion zum Beispiel sollten Führungskräfte verstehen, wie das maschinelle Lernen die Geschäftslinie beeinflussen kann, meint er. Chefinnen und Chefs sollten verstehen, wie ihr KI-Modell trainiert wurde, um welche Art von Daten es sich handelt, worauf sich diese auswirken und was diese replizieren können. (Melanie Raidl, 4.12.2023)