Rekordhalterin ist nach wie vor Jeanne Calment. Die 1997 verstorbene Französin gilt mit einem verifizierten Alter von 122 Jahren als ältester dokumentierter Mensch, der je gelebt hat. Das könnte sich aber demnächst ändern, wie manche Forschende vermuten. Denn einerseits steigt die Zahl der über 100-Jährigen stetig an: Erreichten in den 1960er-Jahren weltweit rund 20.000 Menschen ein Alter jenseits der 100, waren es im Jahr 2020 schon mehr als 570.000, 80 Prozent davon sind Frauen. Zum anderen deuten einige Studien darauf hin, dass eine mögliche Höchstgrenze der menschlichen Lebensdauer noch nicht erreicht ist.

Hundertjährige, 100. Geburtstag
Viele Faktoren bestimmen, wie alt wir werden. Die Einstellung zum Leben selbst zählt dazu, wie Untersuchungen nahelegen.
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Dass sich die Lebenserwartung in den vergangenen 150 Jahren in etwa verdoppelt hat, liegt vor allem an Fortschritten bei Ernährungssicherheit und Hygiene und der medizinischen Versorgung. Wie viele Geburtstage ein einzelner Mensch aber tatsächlich erwarten kann, hängt natürlich von vielen Faktoren ab: Die Lebenserwartung wird zu etwa einem Viertel von unseren Genen bestimmt. Dazu kommen Umwelteinflüsse aller Art, Ernährungsverhalten, Fitness und psychische Gesundheit. Letztere spielt eine weitaus größere Rolle, als lange Zeit angenommen wurde: Psychische Erkrankungen, aber auch Stress und Einsamkeit wirken sich vielfältig auf die Gesundheit aus. Umgekehrt haben innere Zufriedenheit und ein aktives Sozialleben einen positiven gesundheitlichen Effekt, wie Langzeituntersuchungen zeigen.

Nützliche Eigenschaften

Gibt es also auch Persönlichkeitsmerkmale, die ein sehr langes Leben begünstigen? Dieser Frage ist ein Team um Dolores Merino von der Universität Complutense Madrid nachgegangen. Dafür interviewten die Forschenden 19 Menschen im Alter zwischen 100 und 107 Jahre, davon 16 Frauen und drei Männer. "Ziel der Untersuchung ist es herauszufinden, ob Hundertjährige, die dieses Alter gesund erreicht haben, positive Persönlichkeitsmerkmale oder psychologische Ressourcen aufweisen, die ihnen dabei geholfen haben, die Herausforderungen und Traumata erfolgreicher zu bewältigen, mit denen sie im Lauf eines so langen Lebens zweifellos konfrontiert waren", schreiben die Forschenden im "Journal of Hapiness Studies".

In ausführlichen Interviews sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Lebensgeschichten erzählen und sich selbst beschreiben. Bei der qualitativen Auswertung der Interviews identifizierte das Team um Merino insgesamt 35 Persönlichkeitsmerkmale, von denen sie acht als zentral werteten, da sie auf nahezu alle Befragten stark zutrafen. Um die Selbsteinschätzung der Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer zu überprüfen, sollten zudem Angehörige in einer zweiten unabhängigen Untersuchung in einem Fragebogen Angaben zu Persönlichkeitsmerkmalen ihrer Verwandten machen. "Die Ergebnisse waren deckungsgleich", schreibt das Forschungsteam. Folgende Eigenschaften zeichneten die Befragten demnach mit großer Übereinstimmung aus:

Lernen von Hundertjährigen

Merino und ihr Team sind überzeugt, dass die Untersuchung Lektionen für uns alle bereithält. Zwar ließen sich bestimmte Persönlichkeitsmerkmale nicht einfach ändern, in einigen Punkten könne sich aber jeder etwas von den Hundertjährigen abschauen: Sich öfter zu überwinden, die eigene Komfortzone zu verlassen und Neues auszuprobieren würde nie schaden. Das betrifft vor allem den Kontakt mit anderen Menschen – wer sozialen Situationen häufig aus dem Weg geht, wird sich immer schwerer dabei tun, Leute kennenzulernen, und riskiert auf lange Sicht Einsamkeit.

Das deckt sich in bemerkenswerter Weise mit den Ergebnissen der umfangreichsten Langzeitstudie zum Glücklichsein, die seit 80 Jahren an der Universität Harvard läuft. Dabei stellte sich ein Faktor als zentral dafür heraus, ob Menschen glücklich und zufrieden auf ihr Leben zurückblicken: gute Beziehungen. Paarbeziehungen, Freundschaften, Familienbeziehungen, das Verhältnis zu Kolleginnen und Kollegen Nachbarn, aber auch Zufallsbegegnungen beeinflussen unser Wohlbefinden demnach enorm. Und nicht zuletzt sei es auch wichtig, sich auch in schwierigen Zeiten immer wieder auf positive Dinge zu besinnen, sagt Merino. "Man kann sich in Dankbarkeit üben, indem man sich die guten Dinge im Leben bewusster macht." (David Rennert, 24.11.2023)