Der von der FPÖ entsandte ORF-Stiftungsrat Niki Haas vermisst objektive und ausgewogene Berichterstattung des ORF in einer Vielzahl von Anlassfällen der vergangenen Monate. Kommende Woche im Stiftungsrat will der Rechtsanwalt diese Fälle ansprechen. Im Gespräch mit dem STANDARD ruft er ORF-General Roland Weißmann als "Letztverantwortlichen in der ORF-Information" auf, hier "durchzugreifen".

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann.
Durchgreifen in der Berichterstattung? ORF-Generaldirektor Roland Weißmann.
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"Passt überhaupt nicht zu objektivem Programm"

Wenn der ORF ab 2024 einen Beitrag von allen verlangt, müsse er auch alle gesellschaftlichen Schichten erreichen. Das Credo "ORF für alle" unterstreiche diese Ambition. Das verlange jedoch "besonders objektive und ausgewogene Berichterstattung" des ORF, sagt Haas: „Das hat in mehreren Bereichen überhaupt nicht geklappt."

Haas verweist auf eine lange Liste von Vorfällen, die die Medienberichterstattung über den ORF in den vergangenen Monaten beschäftigten. Sie beginnt bei Benjamin Raichs in vollem Lauf unterbrochenen Überlegungen über den Skisport und den Klimawandel bei der ORF-Übertragung aus Sölden und dem ORF-Interview mit einem Klimaaktivisten der Letzten Generation nach einer Aktion beim Weltcupslalom in Gurgl. Ihnen eine Bühne zu bieten „passt überhaupt nicht zu einem objektiven Programm“, sagt Haas.

Ein "besonders kritisches Thema" sei die Berichterstattung über Gaza und Nahost, sagt der Rechtsanwalt: "Als öffentlich-rechtlicher Rundfunk eines neutralen Staates ist besondere Vorsicht bei der Ausgewogenheit geboten."

Dazu hat er etwa den Beitrag der "ZiB Zack Mini", der zu heftigen Protesten und Vorwürfen der Verharmlosung geführt hat und vom ORF umgehend gelöscht wurde. Die Redaktion bedauerte, dass der Eindruck der Relativierung enstanden sei. Haas räumt ein, dass der ORF sehr rasch reagiert habe. Für ihn stellt sich die grundsätzliche Frage, "ob derart komplexe Themen für Kinder in dieser Kürze darstellbar sind. Wenn man solche Themen behandelt, muss man auch die ganze Geschichte erzählen. Beim Nahostkonflikt wird das in kurzer Zeit kaum möglich sein."

Haas verweist auch auf den Auftritt von Korrespondent Karim El-Gawhary vor Plakaten mit Anti-Israel-Propaganda in einem ORF-Beitrag. "Das kann man als ORF-Journalist ohne Aufklärung und Abgrenzung von solchen Plakaten nicht machen."

"General muss durchgreifen"

Haas beschließt seine Kritikliste mit dem Post eines Radio-Wien-Journalisten, der Anfang November zu einem Bild von einer Veranstaltung der FPÖ Simmering auf X (Twitter) postete: "Vielen steht die hohe Bildung ins Gesicht geschrieben.“ Der Journalist entschuldigte sich für seinen Post und löschte ihn.

Das reicht Stiftungsrat Haas nicht: "Der Letztverantwortliche für die ORF-Information muss da durchgreifen", findet der Anwalt, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dessen Vorgaben für eine "noch objektivere, noch transparentere, noch ausgewogenere Berichterstatung nicht umsetzen. Da muss man sich überlegen, wie man damit umgeht." Was könnte man sich da überlegen? "Am Ende des Tages gibt es dienstrechtliche Vorgaben", sagt Haas und spricht von "unternehmensschädigendem Verhalten". Er werde die Vorfälle "sicherlich beim Stiftungsrat ansprechen".

Der ORF müsse sich bewusst sein, dass er aufgrund der ab 2024 neuen Finanzierung durch eine Haushaltsabgabe "im Fokus steht": "Jetzt zahlen alle, also muss man auch möglichst alle erreichen. In dieser Situation sei es „das Wichtigste, dass man das Standing des Unternehmens in der Gesellschaft verbessert".

ORF-General Weißmann erklärte Donnerstag im Publikumsrat mit Blick auf die Nahost-Berichterstattung: "Die Journalistinnen und Journalisten des ORF bemühen sich täglich – gerade in einer derart polarisierenden Situation –, das Geschehen journalistisch sauber einzuordnen. Wir berichten immer, 'was ist'. Mit einer Sonder-'ZIB' haben wir auch die Wurzeln des Konflikts aufgearbeitet und damit mehr als 650.000 Zuseherinnen und Zuseher erreicht." (fid, 24.11.2023)