"30 Jahre ist es her, dass der erste Life Ball stattfand. Zu diesem Jubiläum veranstalten wir am 1. Dezember einen Event im Wiener Palais Auersperg, der 'An Homage to Life Ball' heißt. Irgendein Medium hat geschrieben, der Life Ball komme zurück. Das stimmt nicht. Der Event soll auch nicht unter dem Motto 'Höher, schneller, weiter' verstanden werden. Es soll in erster Linie eine Würdigung für Freunde und Wegbegleiterinnen sein. Ich nehme die Veranstaltung aber auch zum Anlass, an die nächste Generation in meinem großartigen Team zu übergeben. Ich habe aus gesundheitlichen Gründen schon einen Schritt nach hinten gemacht. Jetzt werde ich mich noch weiter zurückziehen, stehe aber auch zukünftig gerne mit meinem Know-how zur Seite.

Nach drei Jahrzehnten loszulassen fällt mir nicht leicht. Einerseits fühle ich eine gewisse Erleichterung. Ich habe mich die Hälfte meines Lebens mit dem Life Ball beschäftigt und merke gewisse Abnützungserscheinungen. Andererseits habe ich Angst vor einer gewissen Bedeutungslosigkeit. Schrecklich die Vorstellung, ganz weg vom Schuss nur mehr bei meinen Hühnern und Schafen zu sein. Man ist ja als 'Rennpferd' erzogen worden. Wenn ich mich an meine Jugend in den frühen Achtzigerjahren erinnere, waren da zwar die Schreckensnachrichten von HIV und Aids. Aber auch eine unbändige Lebenslust. Man muss aufpassen, dass man die Vergangenheit nicht verklärt. Aber es war einfach cool! Wir die waren die Nutznießer der Wirtschaftswunderjahre unserer Eltern. Mit ihrem Fleiß und ihrer Energie haben sie auch meine Generation geprägt. Nichts war mir zu mühsam auf dem Weg, meine Ziele zu erreichen.

Gery Keszler im Kostümfundus des Life Balls
Gery Keszler im Kostümfundus des Life Balls
Michael Steingruber

Heutzutage ist das bei den Jungen überhaupt nicht mehr der Fall. Viele wollen nicht mehr als 20 Wochenstunden arbeiten und keine Verantwortung übernehmen. Ich beobachte eine zutiefst schockierende Oberflächlichkeit und einen irrsinnigen Mangel an Allgemeinbildung. Oh je, jetzt klinge ich wie meine Großmutter, die damals ähnliche Dinge über meine Generation gesagt hat. Wir haben aber schlussendlich doch Gutes geschaffen. Darum hoffe ich auch, dass die Jungen von heute die Zeichen der Zeit erkennen. Beim Klimawandel gelingt ihnen das ja sehr gut. Da sind es die Alten, die den Ernst der Lage nicht verstehen.

Nachhaltig war der Life Ball zum Beispiel überhaupt nicht. Allein wenn ich an den Müll denke, der entstanden ist, oder die Austrian Airlines, die schnell mal einen Flieger nach Los Angeles geschickt haben, um ein paar Hundert Gäste abzuholen und nach Wien zu bringen. Das ist alles keine Ausdrucksform mehr. Viele Leute glauben, ich hätte mir mit dem Life Ball eine goldene Nase verdient. Das stimmt nicht. Ich schenke immer alles her und hab mir nie ein Polster anlegen können. Aber man braucht sich keine Sorge um mich zu machen.

Die Menschen blicken in eine ungewisse Zukunft. Die Politik schafft es nicht, ihnen Zuversicht und Sicherheit zu vermitteln. Das macht sich auch in der Spendenwilligkeit bemerkbar. Die Anzahl an Leuten, die spenden, hat sich nicht so stark verändert, aber die Beträge sind viel geringer geworden. Ich glaube nicht, dass das mit Egoismus zu tun hat. Das ist einfach Ängstlichkeit.

Auf der Zielgeraden

Alfons Haider hat die öffentliche Wahrnehmung in den Achtzigern und Neunzigern sehr gut zusammengefasst: 'Wenn du Krebs hast, bist du eine arme Sau, wenn du Aids hast, bist du eine perverse Sau.' Das war der allgemeine Tenor!

1983 war ich einer der ersten Betroffenen. Vielleicht hat es mit meiner Freude am Tun, Schaffen und am Leben generell zu tun, dass ich heute noch da bin. Viele meiner Freunde haben es leider nicht geschafft. Ich will unbedingt das Ende von HIV/Aids miterleben. Ich bin mir sicher, dass dies realistisch ist. Wir sind auf der Zielgeraden. Davon bin ich absolut überzeugt!

Jedoch steigen die Zahlen an sexuell übertragbaren Krankheiten gerade wieder. Wir leben in einer gewissen Sorglosigkeit. Eh klar, die Jugend von heute hat die Schrecken von Aids nicht miterlebt. Da steigt auch die Risikobereitschaft. Mittlerweile gibt es ein Medikament, 'Prep' genannt, dass die HIV-Ansteckungsgefahr drastisch verringert, aber das schützt halt nicht vor anderen Krankheiten, und viele Heterosexuelle, die natürlich auch nicht allesamt monogam leben, kennen diese Pille nicht mal. Es braucht nach wie vor viel Aufklärung, die Jugend gehört informiert." (Michael Steingruber, 26.11.2023)