Blick auf großen Saal mit mehreren Tischreihen in U-Form.
Blick auf einen U-Ausschuss.
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Wien – ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker hat sich in der ORF-Sendung "Im Zentrum" am Sonntagabend grundsätzlich für eine Liveübertragung von U-Ausschüssen ausgesprochen. Bisher hatte die ÖVP eine solche mit einer Gesamtreform des U-Ausschussrechts verknüpft.

Stocker meinte nun, dass es zwar in seiner Partei Bedenken wegen der Rechte jener Auskunftspersonen gebe, die keine öffentlichen Personen seien. Er persönlich halte es aber für besser, wenn Aussagen direkt übertragen würden, als wenn sie nachher eventuell verzerrt wiedergegeben würden. Wenn es mit den Grundrechten der betreffenden Person vereinbar sei, sollten daher deren Befragungen in den Ausschüssen live zu sehen sein. Die Kanzlerpartei hatte in den vergangenen Jahren das parlamentarische Kontrollinstrument vehement und lautstark kritisiert. Sie hat sich bisher auch immer für ein Ende der Wahrheitspflicht im U-Ausschuss starkgemacht.

Alle anderen Parteien – Grüne und Opposition – treten dafür ein, für U-Ausschusssitzungen TV-Liveübertragungen zuzulassen. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker wünschte sich etwa diese zuletzt "endlich", um die Qualität im U-Ausschuss zu steigern und zu verhindern, dass sich Auskunftspersonen, etwa Regierungsmitglieder, entschlagen würden.

Pilnacek-Aufnahme

Aktuell steht die Volkspartei aufgrund eines heimlich aufgenommenen Gesprächs unter Druck. In dieser Causa beruft sie sich nun selbst auf die Wahrheitspflicht im Untersuchungsausschuss. In einer nach dem Tod von Christian Pilnacek aufgetauchten Audioaufnahme vom Juli 2023, mitgeschnitten in einem Wiener Innenstadtlokal, unterhält sich der zuletzt suspendierte Sektionschef des Justizministeriums mit zwei Bekannten, einer nimmt das Gespräch mit dem Handy auf.

Pilnacek beschwert sich dabei über zahlreiche Interventionsversuche. Konkret habe die ÖVP versucht, Ermittlungen zu beenden und Hausdurchsuchungen zu verhindern. Ein ÖVP-Minister habe verlangt, eine Hausdurchsuchung abzudrehen: Er sei von der einstigen Justizministerin Beatrix Karl, von 2011 bis 2013 im Amt, unter Druck gesetzt worden, in der Telekom-Affäre Ermittlungen gegen die ÖVP einzustellen. Explizit genannt wird auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sprach seither von "KGB-Methoden", er zeigte sich "schockiert", dass das "Andenken an einen Toten missbraucht" werde, und nannte die heimliche Aufnahme eine "Gefahr für die Demokratie". Er, Stocker, halte sich daran, was Pilnacek im Untersuchungsausschuss gesagt habe, nämlich dass es keine Intervention in Justizverfahren gegeben habe. An Sobotka halte die ÖVP fest, betonte Stocker – und erinnerte daran, dass Pilnacek im Untersuchungsausschuss 2020 unter Wahrheitspflicht ausgesagt habe. Pilnacek wird wörtlich genau genommen damit zitiert, er habe niemals politischen Druck weitergegeben, "ganz im Gegenteil".

Sobotka sieht sich seither allerdings mit Rücktrittsaufforderungen der gesamten Opposition konfrontiert, und auch der grüne Koalitionspartner legt dies nahe. Grünen-Chef Werner Kogler sagte zuletzt in der "ZiB": Er und seine grünen Kolleginnen und Kollegen "hätten den Weg freigemacht, weil es um das Ansehen und den Schutz eines ganz wichtigen Amtes dieser Republik geht". Justizministerin Alma Zadić (Grüne) kündigte prompt eine Untersuchungskommission zu den Pilnacek-Enthüllungen an. Diese solle für umfassende Aufklärung sorgen.

ÖVP wird Gusenbauer und Kickl laden

Am Wochenende gab die ÖVP ihrerseits bekannt, Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und FPÖ-Chef Herbert Kickl als erste Auskunftspersonen in den von ihr initiierten "Rot-blauen-Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss" zu laden. Das kündigte ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger an.

Im von der ÖVP initiierten Ausschuss will diese im Fall von Kickl Postenbesetzungen, Studien- und Inseratenvergaben beziehungsweise Beschaffungen in seiner Zeit als Innenminister durchleuchtet sehen. Gusenbauer soll Geldflüsse von René Benkos Signa an ihn klären. Außerdem will Hanger wissen, welche Rolle die SPÖ insbesondere in der Zeit des Wahlkampfs 2017 dabei gespielt habe. "Das gilt es aufzuklären." Man werde "genau hinschauen, was die Machenschaften von Kickl und Gusenbauer betrifft". (APA, red, 27.11.2023)