Viele Herkunftsländer, viele Sprachen – Österreichs Schulen werden diverser.
Caroline SeidSeidel-Dißmannel

Immer mehr Schüler und Schülerinnen haben einen Migrationshintergrund – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die von Vertretern der Arbeiterkammer Wien (AK Wien) sowie Expertinnen und Experten anderer Organisationen am Montagvormittag vorgestellt wurde. Die Wissenschafter Oliver Gruber und Barbara Herzog-Punzensberger führten die Studie im Auftrag der AK Wien durch. Im Jahr 2012 waren bei rund 25 Prozent der Schülerinnen nicht beide Eltern in Österreich geboren, 2017 hingegen bei rund 32 Prozent. Immer mehr Schülerinnen und Schüler wachsen zudem "binational" auf, haben also einen in Österreich und einen im Ausland geborenen ­Elternteil. Waren es 2012 noch knapp neun Prozent, stieg ihr Anteil bis 2017 auf 12,5 Prozent.

Grundlage der aktuellen Studie ist eine bundesweite Überprüfung von Schülerinnen und Schülern der achten Klasse im Fach Mathematik, die jeweils 2012 und 2017 stattfand. Dabei wurden auch der Migrationshintergrund, der Bildungsgrad der Eltern und andere Faktoren abgefragt. Der Vergleich zeigt nun, wie sich die Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler innerhalb von fünf Jahren verändert hat.

Wenig überraschend wurde in diesem Zeitraum auch der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, größer. Im Jahr 2012 gaben 24 Prozent der Schülerinnen und Schüler an, eine andere Muttersprache als Deutsch zu haben, 2017 waren es 29 Prozent. Die Bundesländer unterscheiden sich in dieser Hinsicht stark. Während 2017 in Wien mehr als die Hälfte der Schülerschaft (59 Prozent) eine nichtdeutsche Muttersprache hatte, waren es in Kärnten nur 17 Prozent. Am stärksten stieg dieser Anteil mit je acht Prozentpunkten in Wien und Vorarlberg.

Große Unterschiede zwischen den Bundesländern

Auch zwischen den Schulformen gibt es große Unterschiede. 2017 standen 14 Prozent rein deutschsprachiger Volksschulklassen nur fünf Prozent solcher AHS-Klassen gegenüber. In dem Zeitraum nahm der Anteil rein deutschsprachiger Klassen in allen Schulformen ab.

In Schulen und Kindergärten ­sollte daher in Zukunft anders mit Mehrsprachigkeit umgegangen werden, forderten die anwesenden Expertinnen und Experten mit Blick auf die Studienergebnisse. Die AK kritisierte erneut den aktuellen Kurs der Regierung. Ilkim Erdost, AK-Wien-Bereichsleiterin Bildung, sagte: "Separierender Deutschunterricht ist nicht zielführend. Wir sind uns sicher, dass wir mit anderen Rahmenbedingungen bessere Ergebnisse erzielen würden."

Gudrun Feucht, Leiterin des Bereichs Bildung & Gesellschaft in der Industriellenvereinigung, betonte, dass für einen Wirtschaftsstandort, der stark auf Export baut, Mehrsprachigkeit eine besondere Ressource sei, "die unbedingt besser genutzt werden muss".

Messlatte für Schulen?

In der Studie wurden insgesamt 21 Muttersprachen berücksichtigt. In ganz Österreich werden noch deutlich mehr gesprochen. Gibt es dafür überhaupt das Lehrpersonal? "Ich glaube, wir stellen uns das komplizierter vor, als es ist", meinte AK-Expertin Erdost. Alle Sprachen, die von den Schülerinnen und Schülern gesprochen werden, sprächen schließlich auch deren Eltern. Um diese einzubinden, bräuchte es Weiterbildung und Qualifikationen.

Wie sinnvoll und effektiv unterschiedliche Investitionen in das Bildungssystem sind, ist oft strittig. Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice, forderte deshalb, dass alle Schulen danach bewertet werden sollten, wie gut sie ihre Schülerinnen und Schüler auf das Leben vorbereiten. Messen solle man dies zum Beispiel an der Anzahl der Studienabbrecher und dem späteren Gehalt. Oliver Gruber, ­Studienautor und AK-Referent für Migration und Sprachförderung, hält das nur bedingt für eine gute Idee. "Nur zu evaluieren würde Druck aufbauen, ohne dass tatsächlich Lösungen angeschoben werden." Es bräuchte stattdessen eigene Mittel für die Schulentwicklung. Zumal jeder Schulstandort unterschiedlich sei, weshalb er eine differenziertere Evaluation bevorzuge. (Milena Wurmstädt, 27.11.2023)

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