Bestürzung und Trauer in Jerusalem
Bestürzung und Trauer in Jerusalem nach einem tödlichen Anschlag. Im Hintergrund das Fluchtfahrzeug der Terroristen, die ebenfalls den Tod fanden.
AFP/RONALDO SCHEMIDT

Der Tag begann für die Menschen im Gazastreifen mit der guten Nachricht, dass der Austausch von israelischen Geiseln gegen palästinensische Inhaftierte fortgesetzt werden soll und dass deswegen auch die Waffenruhe eine weitere Verlängerung erfahren würde – wenngleich (vorerst) nur um einen Tag. Doch schon am Donnerstagvormittag ließ die Meldung über einen Anschlag in Jerusalem daran zweifeln.

Waffenruhe vorerst verlängert

Die Frist für eine Fortsetzung der bereits einmal verlängerten Waffenruhe zwischen dem israelischen Militär (Israel Defence Forces, IDF) und der Hamas war in den Morgenstunden des Donnerstags schon fast abgelaufen – da gingen die palästinensische Terrororganisation und die IDF fast gleichzeitig mit der Information an die Öffentlichkeit, dass man eine Einigung zur Verlängerung dieser erzielt habe – allerdings nicht wie zuletzt um zwei Tage, sondern nur um einen Tag. Somit gehe das Abkommen bereits in den siebenten Tag. Insgesamt hatte man vor einer Woche die Möglichkeit ausgehandelt, die Waffen bis zu einer Dauer von maximal zehn Tagen schweigen zu lassen.

Zuvor hatte das israelische Militär präzisiert, die Waffenruhe werde "angesichts der Bemühungen der Vermittler, den Prozess der Geiselfreilassung fortzusetzen, und vorbehaltlich der (Einhaltung der, Anm.) Bedingungen des Abkommens" fortgesetzt. Demnach müssten alle militärischen Aktivitäten in Gaza eingestellt bleiben – und zwar auf beiden Seiten –, und die Einfuhr von humanitärer Hilfe in den Gazastreifen müsse weiter ermöglicht werden.

Freilassung weiterer Geiseln

Zu diesem Abkommen zählt auch der jeden Tag fortzusetzende Austausch von Geiseln bzw. Gefangenen. Berichten vom Donnerstag zufolge ließ die Hamas am Mittwoch insgesamt 16 Geiseln frei. Zehn Israelis – darunter fünf Frauen, drei Kinder und zwei 18-jährige Burschen – kehrten nach Angaben des Büros von Regierungschef Benjamin Netanjahu bereits in der Nacht zu Donnerstag nach Israel zurück. Zusätzlich wurden nach Angaben des Vermittlers Katar vier thailändische Geiseln und zwei russisch-israelische Frauen freigelassen.

Kurze Zeit später meldete die israelische Strafvollzugsbehörde die Freilassung von 30 palästinensischen Gefangenen.

Das Prozedere der Freilassung israelischer Geiseln gegen eine weit größere Anzahl palästinensischer Gefangener aus israelischen Haftanstalten sollte gemäß dem Abkommen auch am Donnerstag fortgesetzt werden. Israel erhielt bereits in den Morgenstunden eine Liste mit den Namen weiterer in den Gazastreifen verschleppter Geiseln, die am Donnerstag freikommen sollten. Die Übergabe der ersten beiden Geiseln erfolgte laut Rotem Kreuz am Nachmittag.

Mehrere Anschläge

Die Hoffnung, dass die Waffenruhe bis zum Wochenende fortgesetzt werden könnte, erlitt einen Dämpfer durch einen Anschlag in Jerusalem mit mindestens drei Toten, zu dem sich die Hamas bekannte. Die Terrorgruppe sprach von einer "natürlichen Antwort auf die beispiellosen Verbrechen der Besatzer (Israel, Anm.) im Gazastreifen und gegen Kinder in Jenin".

Die beiden Attentäter hatten an einer Bushaltestelle mit einem Sturmgewehr und einer Pistole auf Menschen geschossen. Als sie mit einem Pkw fliehen wollten, wurden sie von Soldaten und einem bewaffneten Zivilisten erschossen.

Nur wenige Stunden später wurden zwei israelische Soldaten bei einem Checkpoint im Westjordanland leicht verletzt. Der Angreifer sei mit Schüssen "neutralisiert" worden; die IDF suchten im Umkreis nach weiteren Verdächtigen, erklärte die israelische Armee.

Eklat und Gespräche

Zum zweiten Mal binnen einer Woche wurde am Donnerstag der spanische Botschafter ins israelische Außenamt zitiert. Anlass waren Äußerungen von Premierminister Pedro Sánchez, der Zweifel geäußert hatte, ob sich Israel beim Krieg im Gazastreifen an das humanitäre Völkerrecht halte. Israel protestierte und nannte die Kommentare aus Madrid "beschämend".

Während dem spanischen Botschafter die Protestnote überreicht wurde, traf sich US-Außenminister Antony Blinken in Jerusalem mit dem israelischen Staatspräsidenten Yitzhak Herzog und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Der Chef des State Department äußerte dabei die Hoffnung, dass die positive Entwicklung der vergangenen Tage weitergehen möge – dies sei auch den notleidenden und unschuldigen Menschen im Gazastreifen zu wünschen. Washington betonte die Wichtigkeit einer Zweistaatenlösung zur langfristigen Lösung des Problems. Blinken reiste mit der Botschaft von US-Präsident Joe Biden nach Jerusalem, dass man danach trachten möge, möglichst alle Geiseln aus der Gewalt der Hamas zu befreien. (Gianluca Wallisch, red, 30.11.2023)