Der Katzenjammer in Deutschland, wo ein Verfassungsurteil ein 60-Milliarden-Loch in den Bundeshaushalt gerissen hat, weist eine skurrile Seite auf: Der deutsche Staat hat danach nicht weniger Geld zur Verfügung als zuvor. Die Höchstrichter haben bloß einem Buchhaltungstrick einen Riegel vorgeschoben, der nur notwendig wurde, weil sich Deutschland schon vor 15 Jahren eine budgetäre Selbstbeschränkung auferlegt hat: die Schuldenbremse.

Finanzminister Christian Lindner(FDP)
Finanzminister Christian Lindner(FDP) hält an der Schuldenbremse fest, will aber keine neuen Steuern.
APA/dpa/Michael Kappeler

Mit solchen Regeln versuchen Gesetzgeber, ihre Nachfolger von kurzfristigen Versuchungen abzuhalten und zu einer soliden Budgetpolitik zu verpflichten. Das kann gutgehen, wenn Staaten das wirklich ernst nehmen und notwendige neue Ausgaben durch Steuern oder sinnvolle Einsparungen finanzieren.

Aber die Realität schaut meist anders aus: Schuldenbremsen und ähnliche Verpflichtungen laden zum Schummeln ein und beschädigen damit die Integrität der Fiskalpolitik. Diese Unehrlichkeit war etwa vor der Euro-Einführung 1999 weitverbreitet und trug so zur späteren Euroschuldenkrise bei.

In Ländern wie der Schweiz herrscht in Sachen ausgeglichene Budgets ein Konsens. Die brauchen gar keine Schuldenbremse. In Deutschland aber lassen sich die widersprüchlichen Interessen der Ampelkoalition nicht ohne zusätzliche Schulden miteinander vereinbaren. Das Land kann sich diese leisten – jedenfalls besser als die aktuelle unnötige politische Krise. (Eric Frey, 30.11.2023)