Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP)
Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) sieht Quellenkritik, Informationskompetenz, einen verantwortungsvollen Umgang und ethisches Bewusstsein als wichtige Eckpfeiler im Umgang mit digitalen Technologien.
APA/ALEX HALADA

"Künstliche Intelligenz (KI) verändert unsere Gesellschaft und stellt auch unsere Schulen vor Herausforderungen. Vor allem wird uns KI aber auch neue Chancen eröffnen", sagte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) anlässlich der Ankündigung des Safer Internet Day 2024, der im kommenden Jahr am 6. Februar zum 21. Mal stattfindet und das Ziel verfolgt, Schülerinnen und Schülern den sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit sozialen Medien zu vermitteln. KI, und hier vor allem das seit rund einem Jahr auch im Schulalltag äußerst beliebte ChatGPT, schafft hier neue Herausforderungen.

Digitale Grundbildung

Mit den besagten Herausforderungen wird weltweit unterschiedlich umgegangen: So haben bereits Anfang 2023 Schulen in New York City die Nutzung von ChatGPT verboten, die Fakultät für Betriebswirtschaft der Wirtschaftsuniversität in Prag hinterfragt aktuell das gesamte Studiensystem: Im Zuge dessen wurden die Bachelorarbeiten abgeschafft, stattdessen soll der Abschluss des Bachelorstudiums verstärkt auf Lern- und Prüfungsformate setzen, bei denen die Studierenden mehr für das spätere Arbeitsleben mitnehmen können.

Auch in Österreich schlägt das Pendel eher in Richtung Adaption und Aufklärung als in Richtung Verbote. "Um die Schülerinnen und Schüler fit für die Zukunft zu machen, in der KI eine zentrale Rolle spielen wird, braucht es umfassende digitale Kompetenzen", sagt Polaschek: "Quellenkritik und Informationskompetenz sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit digitalen Medien und ethisches Bewusstsein sind dabei zentrale Inhalte." Der Safer-Internet-Aktionsmonat sei ein guter Anlass, um sich mit der reflektierten Nutzung digitaler Medien in Unterrichtsfächern auseinanderzusetzen und Bewusstsein zu schaffen.

Abseits dieses Events ist im alltäglichen Lehrplan auch das Fach "Digitale Grundbildung" angekommen. Zuvor wurde der Pflichtgegenstand nur in den ersten drei Klassen der AHS-Unterstufe unterrichtet, im aktuellen Schuljahr sind auch die jeweils vierten Klassen hinzugekommen. In einem Artikel des STANDARD von September 2023 hieß es in diesem Kontext aus dem Ministerium, dass es Aufgabe der Schule sei, auch KI-Technologien zum Unterrichtsinhalt zu machen.

Schwer zu überprüfen ...

Dazu muss jedoch auch gesagt werden: Der KI-Zug lässt sich nicht mehr wirklich aufhalten. Das zeigen auch Zahlen des Analysetools Similarweb, mit dem sich der Traffiic auf diversen Websites auswerten lässt. So wurde im Juli vollmundig das Ende des Hypes ausgerufen, weil die Zugriffszahlen auf chat.openai.com erstmalig sanken, allerdings erholten sich diese wieder teilweise und steigen seit September. Es bestand also schlichtweg weniger Bedarf während der Sommerferien.

Für Lehrkräfte werden zwar immer wieder Programme angeboten, die beim Entlarven von KI-generierten Hausübungen helfen sollen. Allerdings musste auch OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT, in einem speziell für Bildungspersonal angelegten Blogpost eingestehen, dass derartige KI-Textdetektoren nicht zuverlässig funktionieren. OpenAI hatte selbst ein derartiges Tool angeboten, ließ das Angebot mit Juli 2023 jedoch auslaufen.

... außer mit Kreativität

In einem Frage&Antwort zu diesem Thema bringt Open AI auch einen weiteren Punkt ins Rennen, der im Rahmen der Anthropomorphisierung der KI-Bots gerne vergessen wird: Die KI hat selbst kein "Wissen" darüber, ob ihre Antwort von einer KI oder von einem Menschen stammt. Generell ist es zum aktuellen technischen Stand falsch, der Software die Möglichkeit zum Denken zuzuschreiben, denn sie reiht bloß Wörter nach einem Wahrscheinlichkeitsmodell aneinander.

Somit wirken die vom Programm gelieferten Texte zwar sprachlich überzeugend, müssen aber nicht zwingend richtig sein. Eine Beobachtung, die sich auch mit einem Versuch des STANDARD von Februar 2023 deckt: hier ließen wir Lehrerinnen und Lehrer bewertet, wie gut ChatGPT beim Lösen von Aufgaben aus dem Schulalltag ist. Mit dem Ergebnis, dass auch GPT-3.5 - der Vorgänger des heute kostenpflichtig verfügbaren GPT-4 – manche Aufgaben schon lösen konnte, vor allem aber mit kreativen Tätigkeiten oder komplexeren Denkaufgaben wie dem Interpretieren eines Gedichts an seine Grenzen stieß.

Auf anderen Seite muss abschließend auch betont werden: Das Verwenden von KI im Bildungssystem ist alles andere als eine Einbahnstraße. So gaben Ende November bei einer Umfrage des Österreichischen Bundesverlags (ÖBV) 44 Prozent der befragten Lehrkräfte an, selbst schon einmal KI im Schulalltag genutzt zu haben, am häufigsten werden ChatGPT, DeepL und Dall-E genutzt. Und auch in dieser Umfrage sprechen sich nur elf Prozent für ein Verbot aus. (Stefan Mey, 5.12.2023)