Der 5. Dezember ist "Welttag des Bodens", und aus diesem Anlass gibt es an diesem Dienstag auch in Österreich wieder ein paar Anläufe, den ausufernden Bodenverbrauch in Österreich endlich zu stoppen. Bis auf Weiteres bleibt es dabei aber wohl bei Sonntagsreden; der Beschluss einer Bodenschutzstrategie wird seit vielen Monaten hinausgeschoben.

Baustelle eines Einfamilienhauses auf einer grünen Wiese.
Der Bodenverbrauch in Österreich ist nach wie vor viel zu hoch.
Daniel Scharinger / picturedesk.com

Mittlerweile gibt es zumindest neue Zahlen zur Bodeninanspruchnahme in Österreich, sie können seit wenigen Tagen von der Website der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) abgerufen werden. Demnach wurden bis zum Jahr 2022 in ganz Österreich genau 5.648 Quadratkilometer für Gebäude und Verkehrsflächen gewidmet (und meist auch bebaut), das entspricht 6,7 Prozent der Landesfläche und 17,3 Prozent des Dauersiedlungsraums. Damit ist also etwas mehr als ein Sechstel des für gebaute Strukturen im weitesten Sinn theoretisch überhaupt zur Verfügung stehenden Raumes bereits dafür verwendet worden.

Zu 30,4 Prozent wurden die Böden für Verkehrsflächen beansprucht, zu 49,5 Prozent von Siedlungsflächen innerhalb der Baulandwidmung, zu weiteren 11,7 Prozent handelt es sich um Siedlungsflächen außerhalb der Baulandwidmung. 5,8 Prozent entfallen auf Freizeit- und Erholungsflächen, 2,6 Prozent auf Ver- und Entsorgungsflächen.

Von der gesamten in Anspruch genommenen Fläche sind in Österreich durchschnittlich rund 52 Prozent auch versiegelt, also mit einer wasser- und luftundurchlässigen Schicht (meist Asphalt oder Beton) bedeckt. Das sind 2.964 Quadratkilometer.

WWF fordert Bodenschutzgesetz

Pro Kopf seien damit in Österreich mehr als 330 Quadratmeter Boden versiegelt, berechnete die Umweltorganisation WWF. Das sei "um über 20 Prozent mehr als bisher angenommen", kritisierte der WWF am Montag in einer Aussendung.

Anlässlich des Weltbodentags fordert man beim WWF ein Ende von "Ausreden und Schönfärberei" und den Beschluss einer "ambitionierten Bodenstrategie mit konkreten Zielen und einem Fahrplan bis 2030". Darauf aufbauend brauche es ein bundesweites Bodenschutzgesetz mit verbindlicher Obergrenze, "damit die Strategie nicht als wirkungslose Absichtserklärung endet", sagt WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories.

Keine politische Einigung absehbar

Politisch ist vorerst aber nichts zu erwarten. Nach der gescheiterten politischen ÖROK-Sitzung im Juni, als das grün geführte Vizekanzleramt und das grün geführte Klimaschutzministerium quasi in letzter Minute einen Beschluss verhinderten, wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die eine Kompromissformulierung erarbeiten sollte. Diese Arbeitsgruppe tagte dreimal und ersann auch tatsächlich eine Formulierung, die aus Sicht von Ländern sowie Städte- und Gemeindebund auf einer Sitzung Ende Oktober hätte beschlossen werden können. Da war von einem "Zielpfad zur Reduktion des Flächenverbrauchs auf netto 2,5 Hektar pro Tag bis 2030" die Rede, und dass dieses Ziel "von allen Mitgliedern der ÖROK anerkannt" werde und als Ausgangspunkt für einen Aktionsplan diene. Dieser Aktionsplan war im Entwurf der Bodenstrategie aus dem Juni 2023 auch bereits enthalten und ist unstrittig.

Ein Beschluss im vergangenen Oktober kam dann neuerlich nicht zustande. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kritisierte, dass insbesondere das Land Oberösterreich sowie der Gemeindebund "konkrete Zielvereinbarungen weiterhin vehement torpedieren" würden. Aus Sicht des Gemeindebunds war es eher umgekehrt: "Einen Tag vor der dritten Sitzung wurde ein Änderungsvorschlag des Klimaschutzministeriums übermittelt", mit diesem habe das Ministerium "das bereits in der Arbeitsgruppe gefundene Ergebnis torpediert", heißt es aus dem Gemeindebund.

"Runder Tisch" am Dienstag

Nun herrscht politisch wieder völliger Stillstand in dieser Frage. Um auf die nach wie vor hohe Dringlichkeit des Themas hinzuweisen, bittet Vizekanzler Kogler am Dienstag aber einige Expertinnen und Experten zu einem "Runden Tisch" ins Bundeskanzleramt. TU-Professor Arthur Kanonier wird dabei sein, außerdem auch Vertreter der Österreichischen Hagelversicherung, die seit vielen Jahren den hohen Bodenverbrauch thematisiert, sowie Umweltorganisationen wie der WWF und Greenpeace.

Dort warnt man anlässlich des Weltbodentags vor einer zunehmenden Verbauung Österreichs und den Folgen für die Artenvielfalt, das Klima - und damit auch den Menschen. Bis zu 13 Hektar an natürlichen Böden werden nach wie vor in Österreich pro Tag in Anspruch genommen, 2022 seien das insgesamt 4.755 Hektar gewesen – "das entspricht mehr als der Fläche des Attersees", rechnet Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace in Österreich, vor.

WWF fordert strengere Raumordnungen

Es sei „fahrlässig, den Bodenschutz weiter auf die lange Bank zu schieben, während neue Straßen und Logistikzentren gegen alle Widerstände durchgeboxt werden”, sagt auch Simon Pories vom WWF. Er fordert insbesondere die Ökologisierung der Raumordnung und des Steuersystems sowie eine Naturschutz-Offensive. "Neue Einkaufs- und Gewerbeparks auf der grünen Wiese zerstören Natur und Ortszentren gleichermaßen und verstärken die Zersiedelung des ländlichen Raums. Das hat hohe Folgekosten für die gesamte Gesellschaft", warnt Pories in einer Aussendung. "Daher braucht es strengere Regeln in der Raumordnung. Darüber hinaus muss die Natur insgesamt besser geschützt und umweltschädliche Subventionen abgebaut werden."

Dass der Schutz des Bodens in den einzelnen Bundesländern allzu oft gegenüber wirtschaftlichen Interessen den Kürzeren zieht, ist augenscheinlich. In Oberösterreich, wo das Land Mitte Oktober bekanntgegeben hat, eine "eigene Bodenstrategie" umsetzen zu wollen, ist der Raumordnungs- auch der Wirtschaftslandesrat, in Person von Markus Achleitner (ÖVP). Er kündigte am 20. Oktober gemeinsam mit TU-Professor Kanonier einige Maßnahmen an, um den sehr hohen Bodenverbrauch in Oberösterreich in den Griff zu kriegen. Dazu gehören ein "Aktionsprogramm zur Orts- und Stadtkernbelebung durch Revitalisierung von Leerstand und Brachflächen", Baulandsicherungsverträge für neue Widmungen sowie die Ausweisung kleinerer Bauparzellen. Wie erfolgreich das sein wird, wird man sehen.

Vorarlberg: Kritik von "Allianz für Bodenschutz"

In Vorarlberg gibt es schon länger die sogenannte "Allianz für Bodenschutz", der 18 Organisationen angehören, darunter die Landwirtschaftskammer, der Vorarlberger Naturschutzbund, die Österreichische Hagelversicherung, der Alpenschutzverein, der Alpenverein und mehrere Bürgerinitiativen. Und diese Allianz kritisiert nun anlässlich des Weltbodentags, dass die Vorarlberger Landesregierung zwar schon vor Jahren einen breiten Dialog zwischen Vertretern und Vertreterinnen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Umwelt und Gesellschaft angekündigt hat – aber säumig sei, was eine gemeinsame Strategie und einen konkreten Umsetzungsplan angehe.

Zwar seien im Regierungsprogramm ein schonender Umgang mit Ressourcen und eine gesunde Umwelt als Ziele festgelegt, dennoch bestehe zwischen Umwelt- und Wirtschaftsinteressen weiter "eine deutliche Schieflage", heißt es in einer Aussendung. "Vier Jahre lang werden wir im Hinblick auf den angekündigten Strategiedialog Wirtschaft-Umwelt schon vertröstet", dabei wäre dieser nötiger denn je, so das Bündnis. Es brauche insbesondere die Möglichkeit einer Rückwidmung von Flächen sowie einen besseren Schutz der Landesgrünzone. Aus dieser würden immer wieder Flächen ohne Kompensation entnommen werden.

"Österreich versinkt in Beton und Asphalt"

Um die widmungsmäßigen Möglichkeiten der Länder zu beschränken, fordern die Neos, wie berichtet, schon länger die Schaffung eines Raumordnungs-Rahmengesetzes des Bundes. „Der Wille von ÖVP und Grünen, dem zügellosen Flächenfraß Herr zu werden, ist so tot wie der Boden, der täglich verbraucht wird“, kritisiert Neos-Klima- und -Umweltsprecher Michael Bernhard anlässlich des Weltbodentags.

Österreich befinde sich mit einem täglichen Verbrauch von 17 Fußballfeldern im europäischen Spitzenfeld beim Flächenfraß. ÖVP und Grüne würden mit ihrer Untätigkeit den kommenden Generationen die Zukunft verbauen, sagt Bernhard: „Österreich versinkt in Beton und Asphalt – mit katastrophalen Folgen für die Umwelt, das Klima und für alle Menschen, die hier leben." (Martin Putschögl, 5.12.2023)