Die Welt der Klimapolitik ist heute in zwei verfeindete Lager gespalten: die Einsparer und die Entwickler. Die einen fordern ein Ende der Treibhausgasemissionen durch drastische Änderungen in der Energieproduktion, in der Wirtschaftspolitik und im Lebensstil, vor allem in den Industriestaaten. Die anderen wollen die Klimakrise lieber mit Technologie und Innovation bewältigen – ohne weitreichenden Verzicht oder hohe Kosten.

Besonders unversöhnlich stehen sich die beiden Parteien bei der Klimakonferenz in Dubai gegenüber: auf der einen Seite NGOs und Klimaforscher, die auf einen kompletten Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen drängen; auf der anderen Seite die Gastgeber, angeführt von Konferenzpräsident Sultan Al Jaber, der dieses Ziel infrage stellt und lieber über Wasserstofftechnologie und Kohlenstoffspeicherung im Boden (Carbon Capture and Storage, CCS) spricht. Er erhält Rückendeckung nicht nur von der Industrie, sondern auch von vielen Ingenieuren und Technikerinnen, die in ihren Gebieten große ungenützte Potenziale für den Klimaschutz sehen.

COP28-Präsident Ahmed Al Jaber
Hält wenig vom Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen: COP-28-Präsident Ahmed Al Jaber.
AFP/KARIM SAHIB

Für Aktivisten und Forscherinnen ist Technologie hingegen das neue Codewort für jene, die sich aus ideologischen Gründen oder finanziellem Eigennutz gegen eine konsequente Klimapolitik stemmen. Dazu zählen auch jene meist konservative Parteien, die ihrer Bevölkerung die Kosten des fossilen Ausstiegs ersparen wollen – etwa die ÖVP und ihr Chef Karl Nehammer.

Prinzip Hoffnung

Dieser Verdacht ist berechtigt. Wer technologischen Fortschritt zum Kernstück der Klimapolitik macht, setzt auf das Prinzip Hoffnung – und damit auf eine Verzögerung im Kampf gegen eine Gefahr, die kein Warten mehr zulässt.

Aber auch die Technologiefans haben starke Argumente auf ihrer Seite: Der rasche Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas ist auf dem jetzigen Stand der Technik zwar wirtschaftlich möglich, politisch aber nicht. Der Widerstand dagegen ist selbst in Staaten mit ausgeprägtem grünen Bewusstsein ein Problem, anderswo unüberwindbar. Nur wenn die Kosten dramatisch sinken, wie es im vergangenen Jahrzehnt bei der Photovoltaik gelang, lässt sich die Energiewende durchsetzen. Und dafür ist eine Innovation notwendig, die einerseits eine Aufstockung der immer noch zu geringen öffentlichen Forschungsförderung für grüne Energie verlangt, andererseits die oft gescholtene Technologieoffenheit.

Besonders unverständlich ist der breite Widerstand gegen die CCS-Technologie, die etwa in Österreich verboten ist. Derzeit ist sie nicht wettbewerbsfähig, aber das wird sich ändern, je mehr sie zum Einsatz kommt. Wenn CO2 routinemäßig in Kraftwerken und Industrieanlagen abgesaugt wird, öffnet das den Weg für Direct Air Capture (DAC), das die Treibhausgase aus der Atmosphäre fischt. Die Kosten dieser Methode sind derzeit noch astronomisch, aber eines Tages könnte sie der beste Weg sein, um die aufgeheizte Erde wieder abzukühlen.

Die Welt ist dabei, die Klimaziele zu verfehlen – mit katastrophalen Folgen. Die Einsparer müssen erkennen, dass sie sie ohne technische Durchbrüche an der verzwickten Politik scheitern werden; die Entwickler müssen verstehen, dass selbst die spektakulärste Innovation die mühsame Veränderung von Wirtschaft und Verhalten nicht ersetzen kann.

"Wir brauchen beides" klingt banal. Aber anders wird es nicht gehen. (Eric Frey, 5.12.2023)