Ein rauchender Schornstein im Sonnenuntergang
Häufig werden Technologien als "Wunderwaffe" angepriesen, die heute noch nicht sinnvoll einsetzbar sind.
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Desinformation im Netz ist ein Ärgernis, das die Menschheit bereits seit geraumer Zeit plagt. Gerade im Rahmen der aktuellen Klimakonferenz wird jedoch verstärkt vor irreführenden Informationen rund um die Klimakrise gewarnt, wie dem "Journal um 8" von Ö1 zu entnehmen ist. So seien etwa Videos zu finden, die wie Nachrichten klingen sollen und vermeintlichen Fortschritt preisen, oder Influencer, die für die Ölindustrie bezahlte Werbung machen. Dabei werden vor allem falsche Lösungen beworben, heißt es in dem Beitrag mit Bezug auf die Desinformations- und Klimaexpertin Jennie King aus London: So werde Wasserstoff ebenso als "Wunderwaffe" angepriesen wie die Idee, dass man die Emissionen einfach nur vergraben müsse, anstatt sie zu verhindern.

Die Wissenschaft warnt hier klar vor zu hohen Erwartungen, allerdings steckt hinter den Kampagnen eine große PR-Industrie: Sie streut dem Beitrag zufolge auch Zweifel über die Erderwärmung oder die Tauglichkeit von Windenergie. Ähnliches las man auch im vergangenen August in einem Artikel des STANDARD: Jahrzehntelang war die Strategie der fossilen Industrie, den Klimawandel zu leugnen. Zu diesem Zweck wurden auch unangenehme Erkenntnisse unter Verschluss gehalten, die bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren bekannt waren.

Seitdem hat die Strategie der Ölkonzernen jedoch einen Wandel durchlaufen: anstatt zu leugnen, wird beschwichtigt. Sogenannte "Diskurse der Verzögerung" erkennen den Klimawandel zwar an, rechtfertigen aber Untätigkeit, indem sie die Verantwortung auf Staaten oder das Individuum ablenken oder auf spätere Maßnahmen vertrösten. Auch ist es heute üblich, diverse Nachteile von Klimaschutzmaßnahmen zu betonen oder auf Resignation zu setzen – mit der Behauptung, dass der Wandel ohnehin nicht mehr umkehrbar sei.

Die unangenehme Wahrheit

Doch stimmt es, dass die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten ist? Wer schließt sich den Erzählungen der Industrie an, und wie kann dem entgegengesteuert werden? Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur, ergänzt im Gespräch mit Ö1, dass die entsprechende Desinformation nicht nur von der Ölindustrie und ihren PR-Beratern kommt, sondern auch von Regierungsvertretern. Das sei nicht nur in rechtspopulistischen Ländern der Fall, sondern auch in Österreich.

Die Wissenschaft könne mit Fakten dagegenhalten – doch diese Fakten sind überwiegend unangenehm: "Und diejenigen, die angenehme Lügen oder Halbwahrheiten erzählen, tun sich leichter, weil dann viele sagen: 'Diese Geschichte gefällt mir besser, die wähle ich. Und die Wissenschaft kann mich mal, denn was die zu sagen haben, ist unangenehm.'" Insofern brauche es nicht nur Fakten, sondern auch Erzählungen und Emotionen. Und vor allem positive Erzählungen darüber, was wir alles gewinnen, wenn wir dekarbonisieren. Der wissenschaftliche Konsens laute nämlich: wenn wir entscheiden, die Klimakatastrophe abzuwenden, dann ist dies noch möglich.

Zitiert wird in dem Beitrag auch eine Umfrage, die von der Akademie der Wissenschaften im Vorfeld der Klimakonferenz durchgeführt wurde: Laut dieser sagen 47 Prozent der Befragten, dass Medien in puncto Klimakrise übertreiben. Allerdings glaubt eine große Mehrheit auch, dass wir auf eine Klimakatastrophe zusteuern, entgegnet Steurer: Die Medien könnten in dieser Hinsicht gar nicht übertreiben – denn was könne es Schlimmeres geben, als die menschliche Zivilisation zu verlieren?

Maßnahmen gegen Fake News

Gestreut werden müssen derartige Zweifel freilich nicht unbedingt von der Industrie selbst. Sie können auch von Einzelpersonen oder Gruppierungen kommen, die ein entsprechendes politisches oder finanzielles Interesse daran haben. Verstärkt werden die Möglichkeiten hier noch durch den Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz, wie zuletzt auch in Bezug auf die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten zu beobachten war. Hier werden alte Medieninhalte aus dem Kontext gerissen, teilweise Ausschnitte aus Computerspielen als reale Kriegshandlungen dargestellt oder eben Bilder und Videos mit KI-Tools erstellt, um eine nicht vorhandene Realität vorzugaukeln.

Ein anderer Themenbereich sind die eingangs erwähnten entgeltlichen Werbeeinschaltungen bei Influencern. Hier rügte der österreichische PR-Ethikrat Ende November erstmals öffentlich einen Influencer wegen unzureichender Kennzeichnung werblicher Beiträge auf Instagram. Im vorliegenden Fall ging es zwar nicht um Klimathemen, sondern um Werbung für Sportnahrung. Dennoch kann die Maßnahme als Präzedenzfall für die Branche gesehen werden. Denn für Social Media gelte wie für klassische Medienkooperationen, dass redaktioneller und bezahlter Content für Konsumentinnen und Konsumenten klar unterscheidbar sein müssen, so der PR-Ethikrat in seiner Begründung. (stm, 4.12.2023)