Der Hafen von "The Line" wird zuerst für Yachten geöffnet, später für Kreuzfahrtschiffe.
NEOM

Es ist ein Projekt der Superlative, ein Utopia in der Wüste: Die Megastadt "The Line" soll 170 Kilometer lang und 500 Meter hoch sein und von der Wüste Saudi-Arabiens bis an die Küste des Roten Meeres reichen. Die Ansprüche sind gewaltig: Die Stadt selbst soll ohne Autos auskommen und wurde auch so geplant. Sämtliche wichtige Infrastruktur soll laut den Plänen binnen fünf Gehminuten erreichbar sein.

Außerdem ist eine Hightech-U-Bahn geplant, die ein Ende der Stadt mit dem anderen verbinden soll. Diese soll die 170 Kilometer lange "Linie" in nur 30 Minuten zurücklegen können. Die Wände der futuristischen Stadt sollen aus verspiegeltem Glas mit integrierten Photovoltaikmodulen bestehen, während sich im Inneren ein grünes Atrium über die volle Länge erstrecken soll. Ach ja, klimaneutral soll das ganze Projekt auch noch sein.

Der Bau der futuristischen Stadt hat längst begonnen, und in den Räumen der Diriyah Biennale Foundation wurde nun ein weiterer Aspekt der Stadt vorgestellt: der versteckte Yachthafen. Projektleiter Giles Pendleton hat nun Fotos von der Baustelle des Hafens veröffentlicht. Dieser soll zuerst Yachten anlegen lassen, später sollen auch Kreuzfahrtschiffe dazukommen. Allzu viel ist da aber noch nicht zu erkennen, außer dass die Großbaustelle offenbar Fortschritte macht. Laut Pendleton sollen für das Hafengelände bislang 100 Millionen Kubikmeter Erdreich bewegt worden sein.

Umstrittene Stadt

In einem neuen Youtube-Video ist zu sehen, wie Besucherinnen und Besucher der Kunstgalerie in Saudi-Arabien durch ein – wohlgemerkt rundes – Modell der Stadt spazieren. "Versteckt" ist der Hafen laut Pendleton deshalb, weil er von einer rund 500 Meter hohen Häuserwand verdeckt sein wird. Erste Teile der Stadt sollen 2030 fertig sein, im Jahr 2045 sollen neun Millionen Menschen in der Wüstenstadt leben.

Ob diese Utopie der perfekten Stadt je Realität wird, ist aber umstritten. Martin Zechner vom gleichnamigen Architekturbüro nennt die Struktur einer linearen Stadt einen "Gedankenfehler". Das sieht auch Rafael Prieto-Curiel vom Complexity Science Hub (CSH) Vienna ähnlich: "Eine lineare Form ist die am wenigsten effiziente Form einer Stadt. Es gibt einen Grund, warum die Menschheit 50.000 Städte hat und alle mehr oder weniger rund sind." Ganz unumstritten ist das Projekt nicht, so sehen die Pläne für den Bau die Zwangsumsiedlung von 20.000 Beduinen vor. So wurde der Kritiker Abdulrahim al-Howeiti von Regierungskräften getötet, nachdem er von "Staatsterror" gesprochen hatte.

NEOM – The Line Hidden Marina – The Line Experience
WHAT IS THE LINE? "THE LINE is the most audacious urban development project ever attempted. Running from the mountains of NEOM right through to the Red Sea in the West, it follows a single, perfectly straight line 170 km long, 500 metres high and just 200 metres wide."
BoardingFare Travel and Tour Co.

"The Line" ist aber nur ein Teil des futuristischen Bauprojekts namens Neom, was so viel wie "neue Zukunft" bedeutet. Dieses bis zu 500 Milliarden US-Dollar schwere Projekt umfasst mehrere futuristische Bauwerke in der Wüste. Neom umfasst mittlerweile sieben verschiedene Bauprojekte, von denen "The Line" das größte ist. "Sindalah" soll ein klassischer Badeort in einer Insel im Roten Meer werden, währen "Trojena" als das ultimative Berg- und Skiressort vermarktet wird. In der schwimmenden Fabrik "Oxagon" soll schließlich die Zukunft der Industrie entstehen.

Jüngst wurden drei weitere Teilprojekte vorgestellt: So soll das "Epicon" ein Ultra-Luxus-Hotel auf Stelzen werden. Ebenfalls touristischen Zwecken dient "Siranna". Hierbei soll ein wabenförmiger Urlaubsort an der Küste entstehen. Strandclubs, Spas und Wellness-Einrichtungen inklusive. Ebenfalls neu ist der Hotelkomplex "Leyja", der inmitten von zerklüfteter Berglandschaft liegen soll. Die Ziele sind groß: Neom umfasst ungefähr die Fläche Belgiens und soll die saudi-arabische Wirtschaft für das postfossile Zeitalter von der Ölindustrie unabhängig machen. Laut Nadhmi al-Nasr, dem CEO von Neom, verlaufe der aktuelle Baufortschritt zufriedenstellend.

In Saudi-Arabien ist ein wahres Wettrennen um immer größere Bauprojekte ausgebrochen. Die Konkurrenz in Form der New Murabba Development Company (NMDC) möchte einen gigantischen Würfel mitten in der Hauptstadt Riad errichten. Das Bauwerk mit einer Kantenlänge von 400 Metern soll die "größte und modernste Innenstadt der Welt" beherbergen und mit modernster Technik ausgestattet sein. Wie auch bei "The Line" sollen bei "The Mukaab" alle Attraktionen innerhalb kurzer Zeit erreichbar sein. (pez, 5.12.2023)