Eine Baustelle der Signa-Gruppe mit Kränen in Wien-Donaustadt
Sollte alles schiefgehen, bleiben die Baustellen Baustellen.
Martin Putschögl

Nun fällt ein Dominostein nach dem anderen. Nach der Insolvenz der Signa Holding in der vergangenen Woche haben am Mittwoch zwei deutsche Signa-Töchter Insolvenz angemeldet, die Signa Financial Services GmbH und die Signa REM Germany GmbH. In Österreich wird jene Signa-Tochter, die die gesamte Gruppe mit IT-Leistungen versorgt und rund 43 Leute beschäftigt, noch diese Woche oder spätestens am Montag den Weg zum Insolvenzrichter antreten, wie DER STANDARD erfuhr. Zwar wird ein kleiner Teil der Beschäftigten weiterarbeiten, weil die IT-Leistungen ja gebraucht werden, aber die Auflösung des vormaligen Herzeigeunternehmens Signa schreitet voran.

Schon jetzt sind die Dimensionen beachtlich: Die Signa Holding ist mit fünf Milliarden Euro überschuldet, ihre Insolvenz ist die größte in der jüngeren Geschichte Österreichs. Allein die Dachgesellschaft Signa Holding schuldet den Banken 150 Millionen Euro, erschließt sich aus dem Insolvenzantrag. Dem ist auch der Jahresabschluss 2022 beigefügt, den die TPA für die Signa erstellt. Sie ist, anders als jüngst berichtet, nicht Abschlussprüferin der Gesellschaft.

Video: Vergangenen Mittwoch reichte die Signa Holding Insolvenzantrag am Handelsgericht Wien ein.
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2,2 Milliarden Bankschulden

Insgesamt haben Österreichs Banken 2,2 Milliarden Euro an Krediten in Signa-Gesellschaften stecken. Trotzdem ist es in der hiesigen Wirtschaftslandschaft erstaunlich ruhig. Die Anleger an der Wiener Börse zeigen sich unbeeindruckt, mit dem Leitindex ATX ging es in den vergangenen Tagen bergauf. Von den Financiers, Investoren und Kreditinstituten ist öffentlich noch nichts zu hören.

Am Forschungsinstitut Wifo geht man davon aus, dass die Causa auf das Wirtschaftswachstum de facto keine Auswirkungen haben wird. Das liegt daran, dass das Immobiliengeschäft in vieler Hinsicht von der restlichen Wirtschaft abgegrenzt ist. René Benkos Immobiliengesellschaften haben nichts produziert, keine Waren für Konsumenten oder andere Unternehmen geliefert. Von den Pleiten sind in Österreich bisher gerade einmal ungefähr 80 Mitarbeiter betroffen.

FMA beruhigt

Und die österreichische Kreditwirtschaft, wird sie von Benko beziehungsweise der Signa mit in die Tiefe gerissen? Danach sieht es derzeit nicht aus, sagt die Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA: Man habe "frühzeitig" reagiert und in den vergangenen fünf Jahren gemeinsam mit Europäischer Zentralbank (EZB) und Oesterreichischer Nationalbank (OeNB) das Risiko deutlich reduziert, "in Österreich müssen keine großen Korrekturen mehr vorgenommen werden", beruhigte FMA-Chef Helmut Ettl am Mittwoch. In diesem Fall hat er gute Argumente.

Ein Beispiel: Die Bank Austria ist laut Informationen des STANDARD mit 600 bis 700 Millionen Euro bei der Signa engagiert. Selbst für den höchst unwahrscheinlichen Fall, dass das alles verloren wäre – die Banken sind ja gut abgesichert –, wäre das schon allein mit dem Gewinn zum Halbjahr 2023 (rund 585 Millionen Euro) fast abgedeckt.

Die Insolvenz der Signa Holding ist die größte in der jüngeren Geschichte der Republik.
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Banken noch gar nicht betroffen

Wobei die Banken meist einzelne Projektgesellschaften finanziert haben dürften, von der Pleite der Signa Holding also noch gar nicht richtig betroffen sind – die genannten 150 Millionen ausgenommen. Diese haben bestimmte Immobilien gekauft, entwickelt oder betreiben Projekte wie Hotels. Hier ist das Risiko (notabene: im Idealfall) überschaubar: In einem solchen Vehikel steckt eine Immobilie, eine Kreditverbindlichkeit, die aus dem Cashflow (etwa den Mieteinnahmen) bedient wird. Besichert ist der Kredit mit der Liegenschaft.

Kurzum: In der ersten Runde könnten die Banken mit einem blauen Auge davonkommen. Die große Frage ist, ob es einen Zweitrundeneffekt gibt. Das Worst-Case-Szenario dazu: Eine Signa-Gesellschaft nach der anderen fällt um, und damit die Gläubiger nicht ganz leer ausgehen, müssen alle oder die meisten Immobilien abverkauft werden.

Abwertungen nach Preisverfall

Das würde zu einem breiten Preisverfall führen, besonders dort, wo Signa stark engagiert ist, also bei Hotels, Handel und Bürogebäuden. Spätestens dann müssten alle, die in irgendeiner Form mit Immobilien zu tun haben, ihre Assets niedriger bewerten. Bei den Banken träfe das die Sicherheiten für Hypothekarkredite. Werden die weniger wert, muss der Kreditgeber entweder neue Sicherheiten einfordern – oder die Bank muss ihr Geschäft mit mehr Eigenkapital unterlegen und es bliebe weniger Spielraum für andere Geschäfte.

Dem Vertrauen in den Finanzsektor würde das, vorsichtig formuliert, nicht gerade dienlich sein. Wie groß dieses Risiko ist, wird unterschiedlich bewertet. Die Spezialisten für Gewerbeimmobilien bei Remax, einem Vermittler, schätzen es nicht hoch ein, die Signa sei "ausschließlich bei Großprojekten in Toplagen investiert". Um eine massenhafte Entwertung von Immobilien auszulösen, sei das nicht genug, dafür sei der österreichische Markt zu diversifiziert. Andere rechnen vor, dass die Signa im Jahr 2017 bei zehn Prozent aller in Österreich und Deutschland durchgeführten Immodeals mitgespielt hat, schreibt das deutsche Magazin Capital. Entsprechend höher schätzen sie die Gefahr ein, wenn Signa-Immobilien in sehr kurzer Zeit auf den Markt geworfen werden.

Insgesamt bedeutete ein allgemeiner Preisverfall von Immobilien aber durchaus eine Risikoerhöhung für die Banken. Laut FMA summieren sich die Hypothekarkredite in Österreich nämlich auf rund 300 Milliarden Euro – und damit auf 28 Prozent der Gesamtbilanzsumme der Institute. Selbige sollten daher lieber fürs Risiko vorsorgen und heuer nicht zu hohe Dividenden ausschütten, wünscht sich die FMA. (Renate Graber, Jakob Pflügl, András Szigetvari, 7.12.2023)