Becher auf der Bank
Pflicht zum Mehrwegangebot geht mit der Nachfrage Hand in Hand
APA/dpa/Felix Kästle

Kunststoffprodukte werden in einer defossilisierten Wirtschaft zu einem kostbaren Gut. Sie sollen möglichst lange im Kreislauf gehalten und ressourcenschonend eingesetzt werden. Dem gemeinen Einwegplastikbecher, der aus dem Kaffeeautomaten nach fünf Minuten im Müll landet, und anderen Einwegplastikverpackungen wird daher der Kampf angesagt. Inzwischen gibt es eine Reihe gesetzlicher Regulierungen, mit denen die Plastikflut eingedämmt werden soll.

Während in der Getränke- und Verpackungsindustrie das PET-Recycling und der Ersatz von Kunststoff-Verbundstoffen ein großes Thema ist, steht für den Handel und die Eventgastronomie der Umstieg auf Plastikpfand- und Mehrwegsysteme an. Lokal und regional sind bereits einige Großveranstalter und Gebietskörperschaften mit eigenen Initiativen vorgeprescht.

Wien prescht vor

So hat etwa Wien Mehrwegsysteme bei Großveranstaltungen verpflichtend eingeführt, und in Deutschland gilt seit Anfang des heurigen Jahres bereits eine Mehrweg-Angebotspflicht in der Gastronomie. Cafés, Restaurants, Kantinen, Cateringanbieter und Tankstellen müssen ihren Kunden nun auch Mehrweggebinde im Take-away-Geschäft anbieten.

Plastikmüll
Plastikmüll ist auf der ganzen Welt ein großes Problem.
AFP/SAM YEH

"Das wird in den nächsten Jahren auch in Österreich und der gesamten Europäischen Union folgen", ist Gerhard Bertsch, Geschäftsführer von Fries Kunststofftechnik überzeugt. Das Unternehmen, das auch Mitglied des Fachverbands der Chemischen Industrie (FCIO) ist, hat sich im deutschsprachigen Markt als Marktführer für Mehrweggebinde einen Namen gemacht.

Nicht nur Vorschriften

Ökonomisch betrachtet stellen Mehrwegsysteme schon jetzt einen Wachstumsmarkt dar. Der Grund dafür liege nicht nur in lokalen und regionalen Verboten oder entsprechenden Verordnungen, sondern unter anderem auch am "Druck von unten".

So gab es nach der Einführung von Mehrwegbechersystemen in einigen deutschen Fußballstadien Petitionen von Fußballfans anderer Klubs, es der Konkurrenz gleichzutun, erinnert sich Bertsch. Auch an Universitäten fordern immer mehr Studierende ein Mehrwegangebot ein.

In den vergangenen sieben Jahren haben sich durch das neue Umfeld die Umsätze bei Fries, das auf 85 Prozent Marktanteile kommt, auf 18 Millionen Euro jährlich verdoppelt, sagt Bertsch. Durch die bevorstehende EU-weite Mehrwegangebotspflicht erwartet sich Bertsch eine weitere Verdoppelung des Mehrweggebindemarktes in den nächsten acht bis zehn Jahren.

500 Mal wiederverwendet

Aus Umweltsicht ist das eine erfreuliche Entwicklung. Denn Mehrweggebinde machen auch ökologisch einen schlankeren Fuß. Stabile Mehrwegplastikbecher können etwa bis zu 500-mal wiederverwendet werden und sind selbst Einwegsystemen mit abbaubarem Biokunststoff überlegen.

Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine Studie der Deutschen Umwelthilfe, die den Einsatz von Mehrwegbechern aus Propylen mit Einwegbechersystemen in Fußballstadien aus verschiedenen Kunststoffsorten analysierte: Selbst wenn Einwegbecher aus dem Biokunststoff Polylactid (PLA) bestehen, der aus Mais hergestellt wird und unter bestimmten Bedingungen zumindest theoretisch biologisch abbaubar ist, bilanzieren Mehrwegbecher spätestens nach fünfmaligem Einsatz ökologisch positiver.

Bechersäuberung im großen Stil
Das Säubern von Bechern soll ressourceneffizient sein.
AFP/SAM YEH

Der Grund dafür liege in der intensiven Landwirtschaft. Zwar werden beim Biokunststoff PLA fossile Ressourcen eingespart. Jedoch fallen bei seiner Produktion zusätzliche Belastungen durch den Einsatz von Düngemitteln, Pestiziden, Wasser und Landmaschinen bei der Maisproduktion an.

Werden die PLA-Becher nach der Nutzung kompostiert, geht der aufwendig hergestellte Rohstoff verloren und kann schließlich nicht mehr als Sekundärrohstoff genutzt werden. Der Nutzen des PLA-Abbauprodukts als Kompost sei zudem so gut wie null. Weder werden wasserlösliche Nährstoffe freigesetzt, noch baut sich als Bodensubstrat Humus auf. Der PLA-Becher zerfällt lediglich in Kohlenstoffdioxid und Wasser.

Mehrwegbecher aus Plastik brauchen für die Herstellung zwar mehr (fossile) Ressourcen. Weil die Becher zu ihrem Lebensende aber stofflich wiederverwertet werden, geht das Material nicht verloren. Bertsch: "Wir nehmen alte Becher zurück und verarbeiten sie zu Eimern oder anderen einfacheren Produkten weiter."

Effiziente Reinigung

Mit zum positiven Abschneiden des Mehrwegsystems trägt auch die ressourcenschonende Spülung der Mehrwegbecher bei. Zum Einsatz kommen dabei professionelle Waschstraßen, die auf effiziente Kunststoffreinigung kalibriert sind.

"Für 6000 Becher pro Stunde brauchen wir nur 70 Liter Frischwasser", sagt Bertsch. "Das ist in Relation ungleich effizienter als das Spülen zu Hause." Die Spülmittelmischung sei im Übrigen frei von Chlor. Das hat nicht nur Umweltgründe, sondern sei aus ganz pragmatischen Überlegungen wichtig. "Chlor würde den Biergeschmack negativ beeinflussen, nicht zuletzt deshalb wird darauf verzichtet."

Auf der ganzen Welt wird an Lösungen für einen nachhaltigeren Konsum getüftelt. Becher nach einmaligem Gebrauch wegzuschmeißen soll bald Geschichte sein. (Norbert Regitnig-Tillian, 10.12.2023)