Keine Frage, die ÖVP hat es derzeit nicht leicht. Obwohl die Regierung einen Lauf hat und ein Vorhaben nach dem anderen auf den Weg bringt – beim Budget und dem neuen Finanzausgleich angefangen über die Gesundheitsreform bis hin zu neuen Energiehilfen –, ist die Volkspartei in Umfragen weit abgehängt. Die Lehre der türkisen Strategen daraus lautet offenbar nicht, die eigenen Leistungen hervorzuheben – das spreche zu wenige an, glaubt man. Das Rezept lautet stattdessen, beim Migrationsthema zur FPÖ aufzuschließen.

Das zeigt sich aktuell wieder an einer Debatte über Asylwerber. Diese sollen künftig vermehrt zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden können. Bereits im September hatten sich mehrere Bundesländer darauf verständigt, diesen Weg gehen zu wollen – und haben das Innenministerium um eine Einschätzung gebeten, ob und wie dies umsetzbar wäre. Diese Ideen aus dem Hause von Gerhard Karner (ÖVP) sind nun da, wie APA und Ö1 übereinstimmend berichten am Donnerstag, wenn den Ländern auch konkret keine Vorschläge unterbereitet worden sind.

Jobmesse für Geflüchtete mit bereits beendeten Asylverfahren.
IMAGO

Allerdings soll das Innenministerium offenbar keine Einwände gegen eine Arbeitspflicht haben, die mit Sanktionen verknüpft sein soll. So soll es etwa möglich sein, das Taschengeld in der Grundversorgung von monatlich 40 auf 20 Euro zu kürzen. Weiters heißt es in dem Vorschlag, der beraten wird, dass die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen in der Grundversorgung bei Arbeitsverweigerung möglich sein soll – und auch der volle Erhalt der Sachleistungen nur dann erlaubt werden kann, wenn Arbeitswilligkeit vorliegt. Die Debatte schwelt schon länger, in Vorarlberg etwa müssen Asylwerber einen Kodex unterschreiben, der sie zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet.

Was mit diesen Ideen zum Ausdruck gebracht werden soll, liegt auf der Hand: Der strenge Staat macht mal ordentlich Druck auf die Geflüchteten, damit diese einen Beitrag für die Gesellschaft leisten und sich nicht nur aushalten lassen.

Österreich ignoriert die EU-Vorgaben

Das ist bemerkenswert. Denn während die ÖVP hier Druck ausüben möchte, um Asylwerber in gemeinnützige Arbeit zu bringen, unternimmt die Partei auf der anderen Seite alles, um Asylwerbern ja keinen Zugang zum Arbeitsmarkt zu erlauben. In der EU regelt eine Richtlinie seit 2015, dass Asylwerber "spätestens neun Monate" nachdem sie ihren Asylantrag gestellt haben einen effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten müssen. Österreich windet sich beständig, diese Regel umzusetzen. So haben lange Zeit zwei Erlässe, der von Arbeitsminister Martin Bartenstein (ÖVP) aus dem Jahr 2004 und der von Beate Hartinger-Klein (FPÖ) aus dem Jahr 2018, Asylwerber mit ganz wenigen Ausnahmen, etwa im Rahmen der Erntehilfe, vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Auch der Zugang zur Lehre wurde von der schwarz-blauen Koalition für Asylwerber gekippt. 2021 hat der Verfassungsgerichtshof diese Einschränkungen für rechtswidrig erklärt.

Als Reaktion kamen aus dem Haus von ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher wieder neue Weisungen an das zuständige AMS, die dafür sorgen, dass Asylwerber de facto so gut wie nie in Jobs kommen können.

All das passt nicht zusammen: Wenn Asylwerber nun zur Arbeit gezwungen werden müssen, warum führt die ÖVP dann seit Jahren einen solchen Eiertanz auf, um sie von Jobs fernzuhalten? Natürlich würde nicht jeder Asylsuchende nach ein paar Monaten Arbeit finden oder auch bereit sein, einen Job anzunehmen. Gerade aber bei Menschen, die schon seit Jahren in Österreich sind und auf den Ausgang ihres Verfahrens warten, würden sich einige finden, die arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen wollen. Warum das verunmöglichen, parallel aber auf Zwang setzen wollen? Mit Sachargumenten lässt sich das nicht erklären, zumal die heimischen Unternehmen händeringend nach Arbeitskräften suchen. Aktuell sind mehr als 100.000 Jobs beim AMS als offen gemeldet, trotz Wirtschaftslaute.

Die einzige Erklärung, wie das alles zusammenpasst? Es geht um nichts weiter als Showpolitik, die allein aufs Publikum abzielt und keine echten Probleme lösen will. Wenn es passt, will man mit der Botschaft Druck ausüben, man lässt keine Asylwerber auf den Arbeitsmarkt. Dann wieder ist die Message: Wir sind jetzt richtig streng, damit die mal was tun. Die offenbaren Widersprüche werden schon irgendwie untergehen.

Die ÖVP kann übrigens auch anders, wenn sie will. Im Budget für 2024 wurde via Wirtschaftsministerium eine Aufstockung der Mittel fürs AMS festgeschrieben, um die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt voranzutreiben, die hier bleiben dürfen, also Asyl bekommen haben. Da ist keine Showpolitik, sondern eine Maßnahme, die tatsächlich geeignet ist, Probleme zu lösen. (András Szigetvari, 7.12.2023)