Könnte ausgerechnet in einem Staat, der den Großteil seines Geldes mit Erdöl macht, der Ausstieg aus den Fossilen beschlossen werden? Ausgerechnet mit einem COP-Präsidenten, der gleichzeitig Chef eines der größten Ölkonzerne der Welt ist? Was noch zu Beginn der Klimakonferenz als nahezu unmöglich galt, scheint nun zumindest nicht mehr völlig ausgeschlossen. Der Streit um die Zukunft von Kohle, Erdöl und Erdgas wurde zum Thema Nummer eins in den Verhandlungen auf der Weltklimakonferenz (COP 28). Die Fronten sind in Bewegung – Befürworter des Ausstiegs, die mittlerweile eine große Mehrheit haben, scheinen aufs Ganze zu gehen.

Video: Deutsche Außenministerin erinnert an Einstimmigkeitsprinzip bei Klimakonferenz
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So lesen sich auch die Optionen, die derzeit auch dem Tisch liegen: Auf der einen Seite gibt es drei Optionen, die den kompletten Ausstieg ansprechen – die Alternative ist, ohne eine Formulierung zu fossilen Brennstoffen nach Hause zu fahren.

Bis Dienstag, 11 Uhr Ortszeit – dann will die COP-Präsidentschaft pünktlich schließen – können sich die Entwürfe noch zigmal verändern. Dennoch erklären Beobachtende, die knapp 200 Staaten seien noch nie so nahe dran gewesen, einen Ausstieg aus den Fossilen festzuschreiben, wie heute.

"Das intensive Arbeiten an den Texten ist jetzt auch ein intensives Arbeiten an einer Allianz aus Ländern, die ins Machen kommen wollen", erklärte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am Sonntag. "Die vielen Gespräche in den vergangenen 24 Stunden haben gezeigt, dass das nicht nur eine Allianz ist, sondern die große Mehrheit der Staaten auf dieser Welt."

Das reicht aber nicht: Damit auf der Weltklimakonferenz eine Einigung gelingt, müssen sämtliche Staaten zumindest stillschweigend zustimmen. Der Abschlusstext muss einen Konsens finden. Und diesen Konsens gibt es mit Saudi Arabien aktuell noch nicht. Ganz im Gegenteil: Die Organisation der erdölexportierenden Länder, Opec, deren größtes Mitglied Saudi Arabien ist, meint, die Erdölnachfrage werde bis 2045 um weitere 15 Prozent steigen. Kurz vor Beginn der Klimakonferenz war dazu bekanntgeworden, dass Saudi Arabien auch aktiv daran arbeite, neue Absatzmärkte in Afrika und Asien zu erschließen.

Opec warnt Mitglieder vor steigendem Druck

Trotz alldem scheint die Opec zunehmend nervös zu werden. Schon im Herbst schoss sie scharf gegen die Prognose der Internationalen Energieagentur, die Erdölnachfrage werde noch in dieser Dekade ihren Peak erreichen. Jetzt wandte sich der Opec-Chef Haitham Al-Ghais mit einem geleakten Brief an alle Mitgliedstaaten seiner Organisation. Er warnte sie vor dem steigenden Druck auf der Konferenz, fossile Brennstoffe ins Visier zu nehmen.

Protestierende fordern auf dem Gelände der Klimakonferenz in Dubai, dass Mineralöl- und Kohlekonzerne stärker an der Klimafinanzierung beteiligt werden sollen.
AP/Rafiq Maqbool

Die Pläne nannte er "politisch motivierte Kampagnen", welche den Wohlstand und die Zukunft erdölreicher Staaten gefährde. Den Brief adressierte er an die Ministerien der 13 Opec-Staaten (Algerien, Angola, Äquatorialguinea, Gabun, Iran, Irak, Kuwait, Libyen, Nigeria, die Republik Kongo, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Venezuela), sowie zehn weiterer Staaten, die der Gruppe der Opec Plus angehören. Dass sich der Opec-Chef auf diese Weise in die Klimaverhandlungen einmischt, ist ein Novum. Allerdings beschloss die Organisation bereit 1990, sich an dem Gipfel zu beteiligen, wie die Opec auf die Seitenwand ihres Standes auf der Konferenz in Dubai gedruckt hat.

Der Opec-Pavillon in einer der Konferenzhallen. Opec-Generalsekretär Haitham al-Ghais warnte die Mitglieder seiner Organisation vor dem steigenden Druck zu einem fossilen Ausstieg.
AFP / Mumen Khatib

Dabei verheißt die Erderhitzung auch für die Wirtschaft der Staaten auf der arabischen Halbinsel nichts Gutes: Wird die Welt um drei Grad heißer – in diese Richtung steuern wir derzeit – würde zum Beispiel das BIP-Wachstum der Staaten um rund 70 Prozentpunkte zurückgehen, zeigt eine neue Studie, die die Organisation Christian Aid in Auftrag gegeben hatte.

Einige der Opec-Mitglieder, so ließ die deutsche Ministerin Baerbock am Sonntag durchklingen, hätten sich bereits von Al-Ghais Brief distanziert. Um welche Staaten es sich dabei handelt, ließ sie offen.

Erneuerbare verdreifachen

"Es ist kein Zufall, dass fossile Brennstoffe noch nie in Texten der Klimakonferenz vorgekommen sind", erklärt Klimaministerin Leonore Gewessler, die an den Verhandlungen teilnimmt. Der Widerstand sei weiterhin enorm. "Die Diskussion auf dieser Konferenz ist keine einfache Übung."

Am Sonntag mischte sich dann auch der Generalsekretär der Uno, António Guterres ein: "Die Emissionen sind auf einem Allzeithoch und fossile Energien sind weiterhin ihr Hauptgrund." Dabei gebe es eine gute Alternative. "Erneuerbare Energie ist billig, sauber und unendlich." Öl- und Gaskonzerne rief Guterres dazu auf, "ihre enormen Ressourcen zu nutzen, um die Revolution der Erneuerbaren anzuführen."

So soll neben dem fossilen Aus auf der Klimakonferenz auch ein neues Ziel für die Erneuerbaren beschlossen werden: Die weltweite Wind- und Solarkapazität soll bis 2030 im Vergleich zu 2020 verdreifacht werden während die Energieeffizienz verdoppelt werden soll. Ein großer Teil der Staaten will dieses Ziel an den fossilen Ausstieg koppeln, das fordert unter anderem auch die EU. "Wir brauchen Klarheit, wohin wir wollen", so Gewessler.

Offen ist, was den skeptischen Staaten im Gegenzug für eine Zusage angeboten werden soll. Gerade jene Staaten mit wenigen finanziellen Ressourcen für die Energiewende fordern Unterstützung. Wenn die Verhandlungen Erfolg haben sollen, brauche es ein Gesamtpaket, erklärt dazu Christoph Bals von der Organisation Germanwatch. Verhandelt werde dazu, wie den Staaten Energiesicherheit geboten werden kann, wie Schulden abgebaut werden sollen und wie hoch finanzielle Unterstützungen sein müssen. "Wir haben jetzt eine reale Chance darauf, die fossile Ära zu beenden." (Alicia Prager aus Dubai, 10.12.2023)