Umstrittener Präsident der in Dubai tagenden COP 28: Sultan Ahmed Al Jaber ist auch Chef des staatlichen Ölkonzerns.
Umstrittener Präsident der in Dubai tagenden COP 28: Sultan Ahmed Al Jaber ist auch Chef des staatlichen Ölkonzerns.
Reuters / / Amr Alfiky

Fragt man Klimaexperten nach den Chancen für einen Durchbruch bei der Weltklimakonferenz in Dubai, dann machen sie meist sauertöpfische Gesichter. Und schon der Auftakt schien ihnen recht zu geben. Die erste Nullnummer kam nämlich schon an Tag zwei, als der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz seinen "Climate Club" präsentierte. In dieser Form leider ein dreister Etikettenschwindel. Doch dazu später mehr.

Man könnte hier also ernüchtert die üblichen Worthülsen aneinanderreihen. Doch würden Sie so etwas lesen wollen? Eben. Deshalb machen wir heute mal etwas anderes: Wir gehen zusammen ein Stück in den Schuhen des Vorsitzenden der COP 28, Sultan Ahmed Al Jaber.

Öl im Boden lassen?

Als CEO eines Ölkonzerns, der zugleich eine Klimakonferenz leitet, wissen Sie, dass es für das Klima besser wäre, das Öl im Boden zu lassen oder sich zumindest zu einem "phase down" zu bekennen. Doch Sie haben längst ganz andere Sorgen: Viele Ihrer treuen Kunden, die jahrzehntelang Fass um Fass Ihres schwarzen Zaubertranks durstig hinuntergeschlungen haben, wollen ab Mitte des Jahrhunderts gar kein Öl mehr kaufen. Nun müssen Sie fürchten, dass Sie mit Ihren Opec-Kumpeln bald einem weltweiten Preisverfall gegenüberstehen könnten, der nicht mehr zu stoppen ist.

Was tun Sie also: Sie drücken jetzt aufs Tempo und fördern, was das Zeug hält. Unter der Erde droht das Öl allmählich zu einem "Stranded Asset" zu werden, wie die Besserwisser aus dem globalen Norden das nennen. Als Ölmanager sind Sie gefangen in dem Kalkül, das der US-amerikanische Statistiker Harold Hotelling schon 1931 beschrieb: Wenn Sie ein Fass Öl fördern, es verkaufen und den Ertrag am Kapitalmarkt anlegen, dann bekommen Sie dafür eine Rendite. Lassen Sie es in der Erde, dann verdienen Sie zwar nichts, aber der Ölpreis könnte steigen. Wenn die erwartete Wertsteigerung des Öls im Boden höher ist als die erwartete Rendite, dann drosseln Sie die Förderung und warten. Fürchten Sie dagegen fallende Preise, dann fördern Sie umso schneller. Keine Sorge; verkaufen werden Sie Ihr Öl so oder so. Nur eben vielleicht nicht mehr teuer in den Westen, sondern billig in den Osten.

Grünes Paradoxon

Der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn prägte für solche Fehlschüsse nachfrageorientierter Klimapolitik den Begriff "grünes Paradoxon". In der Realität mag die Preisbildung fossiler Energieträger komplexer sein. Doch das ändert nichts daran, dass die Welt keine Antwort darauf hat, wie man fossile Bodenschätze dauerhaft unter der Erde hält und warum sich Ölproduzenten wie Sie auf ein "phase-out" einlassen sollten; geschweige denn etwaige Neopotentaten, die im Präsidentenpalast leere Kassen vorfinden. Wenn erneuerbare Energie nur erst billig genug sein würde, so war immer die Hoffnung, dann würde fossile Energie von ganz allein aus dem Markt gedrängt werden. Naiv freut sich die Welt jedes Mal, wenn Sie Ihre Öldollars in saubere Technologien investieren, und bemerkt dabei gar nicht, dass Sie nur deshalb die Taschen voller Cash haben, weil Sie das Öl loswerden müssen. Man hofiert Sie als Investor für alles Mögliche und droht Ihnen gleichzeitig mit Stranded Asset, wo man doch das genaue Gegenteil tun müsste, um die Hotelling-Logik zu brechen und damit zumindest Zeit zu gewinnen.

Bleibt nur Nachfragepolitik

Zum Glück (für Sie) sind der Welt aber angebotsseitig die Hände gebunden. Weder kann sie Ihre Bodenschätze beschlagnahmen, noch kann sie es sich leisten, Ihnen alles Öl abzukaufen und es quasi zu archivieren. Eine Art globales Geldwäschegesetz für Ölgewinne wäre natürlich eine Option, aber das stünde wohl auf sehr wackligen Füßen. Nicht mal in der EU wäre man einstimmig dafür. Oder, Luxemburg?

Und so bleibt den Nachfragern eben nur Nachfragepolitik. Die schlechte Nachricht (für Sie) ist aber: Sie scheint Gestalt anzunehmen. Zertifikatehandelssysteme mit fixen Mengenbegrenzungen sind hier der Goldstandard. Sie schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden; sogar in China. Nun geht es darum, alle Länder zu einer CO2-Bepreisung zu bringen und so zu einem globalen Preis und zu einem globalen Mengendeckel zu kommen. Länder, die sich dazu nicht aufraffen können, werden über Strafzölle dazu bewegt. Der Schlüssel dafür ist ein Klimaklub. Und das bringt uns wieder zu Olaf Scholz.

Willkommen im Klub?

In einem Klimaklub gewähren Länder mit ambitionierter CO2-Bepreisung einander freien Handel und bestrafen alle anderen mit Zöllen. Wie jeder Klub lebt er also von Exklusivität. Nun tönte aber Scholz schon im letzten Jahr, sein Klimaklub sei "inklusiv"; er schließe niemanden aus. Und daher ist er völlig nutzlos. Ja, schlimmer noch: Eine Welt, die klimapolitisch nur nachfrageseitig agieren kann, hat ihr vielversprechendstes Ticket in Richtung 1,5-Grad-Ziel zu einem bloßen Gesprächsformat degradiert, nur weil irgendein Bundeskanzler gerade gute Presse brauchte.

Wissen Sie, was der Witz des Jahrhunderts wäre? Wenn Sie und Ihre fossilen Freunde jetzt schnell beitreten und jede sinnvolle Weiterentwicklung des Klimaklubs von innen sabotieren würden. Im Grunde wäre das die Lösung für all Ihre Probleme. (Jan Kluge, 11.12.2023)