Hold the line, haltet die Stellung – diese Wörter tragen Aktivistinnen und Aktivisten auf Papierzetteln vor sich, je ein Buchstabe pro Person. Sie stehen aufgereiht vor dem Plenarsaal, in dem Verhandlungsteams der knapp 200 Staaten um ein Abkommen für die Zukunft des Planeten ringen.

Aktivistinnen und Aktivisten stehen vor dem Hauptverhandlungssaal und fordern von ihren Verhandlungsteams: Haltet die Stellung.
AP/Peter Dejong

Die Hoffnung auf ein starkes Abkommen brach Montagabend schlagartig zusammen, als der Vorsitz der Konferenz, die Vereinigten Arabischen Emirate, einen Vorschlag auf den Tisch legte – und damit viele Staaten, die sich gewünscht hatten, dass der fossile Ausstieg endlich auf einer Klimakonferenz beschlossen wird, vor den Kopf stieß. Textpassagen zu fossilen Brennstoffen war darin deutlich abgeschwächt worden – statt eines "Ausstiegs" spricht der Entwurf nur von einer "Reduktion von Produktion und Konsum", allerdings ohne konkrete Zahlen zu nennen. Gleichzeitig wäre es dennoch das allererste Mal, dass sich die Staaten überhaupt auf eine Formulierung zu fossilen Brennstoffen einigen würden.

Auch konkrete Zahlen zum Ausbau der Erneuerbaren waren verschwunden, zudem wurden Schlupflöcher für neue Kohlekraftwerke geöffnet. Ziele zu Methan und anderen Treibhausgasen strich die Präsidentschaft ganz.

In der Arbeit an diesen Dokumenten spricht sie mit allen Staaten einzeln, tastet rote Linien ab und versucht dann eine gemeinsame Linie zu finden. Denn alle knapp 200 Staaten müssen so weit zufrieden sein, dass sie zumindest nicht gegen den Beschluss stimmen. Der Text muss einen Kompromiss finden zwischen dem erdölexportierenden Saudi-Arabien und den versinkenden Marshallinseln – keine einfache Aufgabe.

Kalt erwischt

Aus Sicht von rund 80 Prozent der Staaten ist der jüngste Entwurf nicht genug, wie Beobachtende erklären. Selbst große erdölproduzierende Staaten, darunter auch die USA, Kanada, Großbritannien und Australien, machten deutlich, dass der jüngste Text der Präsidentschaft nicht ausreichte. Nun wird nachverhandelt. Doch wie sollen Staaten wie Saudi-Arabien, das vom Erdöl lebt, überzeugt werden? Und auch den Vereinigten Arabischen Emiraten selbst dürften Formulierungen zu einem Ausstieg zu weit gehen, wenngleich sie sich als Gastgeber zurückhalten müssen und die Vermittlerrolle innehaben. Umso offensiver zeigt sich Saudi-Arabien in den Verhandlungen.

Das erdölexportierende Saudi-Arabien und die versinkenden Marshallinseln: Sie müssen sich auf eine gemeinsame Position einigen.
REUTERS / Amr Alfiky

"Die Gruppe der arabischen Staaten wurde kalt erwischt von dem breiten Zuspruch zum fossilen Ausstieg", erklärt Christoph Bals von der Organisation Germanwatch. Um sie von ambitionierter Sprache zu überzeugen, müssten die arabische Staaten das Vertrauen haben können, dass sie mit grüner Technologie als neuem Geschäft auf Unterstützung stoßen würden, meint Bals. Man müsse ihnen deutlich signalisieren, dass es für Produkte wie grünen Wasserstoff-Derivate künftig ausreichend Abnehmer gebe. "Der Wendepunkt für die Abkehr von fossilen Energien muss jetzt politisch organisiert werden. Technisch wissen wir, dass der Umstieg möglich ist", so Bals.

Blick auf Emissionen, nicht deren Quelle

Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus, als würde das gelingen. Ganz im Gegenteil: Saudi-Arabien soll laut Insidern Druck auf den Gastgeber ausgeübt haben, einige Textstellen mit Bezug auf fossile Brennstoffe zu ändern. Stattdessen will das Land einen Fokus auf Emissionen – jedoch ohne die Quelle zu nennen. Wo die roten Linien des Gastgeberlands Vereinigte Arabische Emirate selbst liegen, ist unklar. Wie heikel das Thema aber auch für den Gastgeber ist, zeigt eine Zahl: Das Land erzeugt laut eigener Angabe knapp ein Drittel seines BIPs mit Einnahmen aus dem Erdölgeschäft.

"Wir versuchen, ein ausbalanciertes Ergebnis zu finden, das die sehr verschiedenen Standpunkte wiedergibt", erklärte COP-28-Generalsekretär Majid Al Suwaidi am Dienstag. "Die Staaten müssen jetzt ihre Ärmel hochkrempeln und eine Einigung finden." Im Großen und Ganzen zeigte er sich zufrieden: "Wir versuchen hier etwas zu schaffen, das nie zuvor erreicht wurde."

Eine Einigung auf einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen mit Verweis auf den IPCC-Bericht sei aber mittlerweile so gut wie ausgeschlossen, heißt es aus Verhandlerkreisen. Dennoch könne am Ende ein gutes Ergebnis auf dem Papier stehen, je nachdem wie der Kontext rundherum aussehe.

Streit um Finanzen schwächt Energiepaket

Neben dem Energiepaket, das im Fokus steht, wird auch ein Ziel zur Klimaanpassung verhandelt. Dieses soll zum Beispiel konkret ausformulieren, wie Regionen gegenüber den Folgen der Erderhitzung resilienter gemacht werden können – und wie etwa die Ernährungssicherheit verbessert werden kann. Gleichzeitig fordern besonders betroffene Staaten aber auch Zusagen zur Finanzierung. Besonders betroffene Staaten betonen außerdem: Auch CO2-Budgets verschiedener Staaten und die historische Verantwortung für die Erhitzung müsste in dem Text verankert sein, um ihn einen Erfolg nennen zu kennen.

Beim Thema Finanzierung kamen die Staaten allerdings in den vergangenen zwei Wochen kaum weiter. Das schwächte das Vertrauen und die Bereitschaft, beim Thema Energiewende große Zusagen zu machen, meinen Beobachtende. Neben Saudi-Arabien zeigten sich auch Indien sowie viele afrikanische Staaten abwehrend gegenüber dem Ausstieg aus Fossilen.

Für jede starke Einigung zum Klimaschutz braucht es gleichzeitig auch Zusagen zur Unterstützung bei der Anpassung, erklärt Bals von Germanwatch. "Wir haben beobachtet, dass die arabische Gruppe verhindert hat, dass es Fortschritte in den Verhandlungen zur Anpassung gibt. Sie wussten genau: Ohne richtige Balance wird es keine starke Einigung zum Klimaschutz geben."

Noch einige Stunden, vielleicht sogar bis Donnerstag, haben die Staaten Zeit, eine Einigung zu finden. Dann, am Freitag, eröffnet eine Winter- und Weihnachtsmesse auf dem Gelände. Spätestens dann muss das Feld für Weihnachtsmänner und Keksbäckerei geräumt sein. (Alicia Prager, 12.12.2023)