Plastikmülll Party
Das Recycling von Plastikmüll ist nicht neu. Neben der mechanischen Verwertung, die oftmals an ihre Grenzen stößt, bietet chemisches Recycling viel ungenütztes Potenzial.
Jochen Tack, via www.imago-image

Gewaschen, geschreddert, eingeschmolzen und in neue Formen gegossen – das sind die wesentlichen Schritte eines mechanischen Recyclings von Kunststoffen. Die Methode ist günstig und umweltschonend, kommt aber auch schnell an ihre Grenzen. Denn für manche Plastiksorten und -produkte ist sie nur bedingt zielführend.

Dazu gehört die große Gruppe der sogenannten Polyolefine. Aus ihnen werden Konsumgüter aller Art von der Autostoßstange bis zur Lebensmittelverpackung gefertigt. Polyolefine lassen sich zwar mechanisch recyceln, die erforderliche Qualität für Lebensmittelanwendungen kann dabei aber nicht mehr erreicht werden. Auch deshalb haben jene Abfallströme, die nach Aussortierung von Recyclingmaterialien übrig bleiben und als "Ersatzbrennstoffe" in Industrie- und Müllverwertungsanlagen verfeuert werden, sehr hohe Anteile an dieser Kunststoffgruppe.

Chemischer Ansatz

Die aufwendigere Alternative zu mechanischem Recycling ist eine chemische Wiederverwertung. Die riesigen Polymermoleküle, aus denen Kunststoffe bestehen, werden hier in ihre Einzelteile zerlegt, um aus den resultierenden Substanzen neue Verbindungen aufzubauen. Ein Markt für diese Art der Abfallverwertung existiert bereits, ist aber noch jung und wird vielerorts noch von Pilotanlagen getragen. In den kommenden Jahren soll der Output aber stark zunehmen.

Auch im Projekt GPOil, das von einem Konsortium in Oberösterreich umgesetzt wird, arbeiten Entwickler an einer Variante des chemischen Recyclings. Polyolefin-Materialien, die bisher nur als Ersatzbrennstoffe nutzbar waren, sollen hier wieder Teil von hochwertigen Kunststoffprodukten werden.

"Eine bunte Shampooflasche kann durch das chemische Recycling vielleicht wieder eine Lebensmittelverpackung werden, was durch mechanisches Recycling nicht zu erreichen wäre", veranschaulicht Florian Aschermayer. Er ist für das Thema Kreislaufwirtschaft beim Verpackungsspezialisten Greiner Packaging in Sattledt zuständig und koordiniert auch das Projekt GPOil. Greiner, eines der Mitglieder im Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO), arbeitet in dem Projekt mit dem Anlagenbauer NGE, der Energie AG OÖ und der FH Wels zusammen. Unterstützt wird das Projekt von der Förderagentur FFG mit Mitteln des Landes Oberösterreich.

Pyrolyse-Reaktor

Im Rahmen des Projekts wird an der FH Wels eine von NGE entwickelte Laboranlage betrieben. Kern des Experiments ist ein Pyrolyse-Reaktor, in dem der Kunststoff bei Sauerstoffmangel erhitzt wird, sodass die großen Polymerketten des Materials zerfallen.

Hand hält Plastikflocken
Der Großteil von Plastikrecycling läuft bisher mechanisch ab.
dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt

"Der Reaktor ist eine Nachbildung einer Großanlage, die wir mit zerkleinertem Abfall im Ausmaß von zwei bis drei Kilogramm befüllen können", erklärt Aschermayer. "Man kann sich den Aufbau wie einen großen Kochtopf vorstellen, der auf über 400 Grad erhitzt wird und dessen Inhalt ständig verrührt wird."

Atomare Einzelteile

Die Makromoleküle des Kunststoffs, die oft aus mehreren Zehntausend Atomen bestehen, zerfallen dabei in Fraktionen mit jeweils nur mehr einer Handvoll Atomen. Aschermayer: "Der Vorgang ist das Gegenteil der Polymerisierung, die Teil der Kunststoffherstellung ist und bei der kleine Moleküle zu großen Polymerketten verbunden werden." Doch dieser Art des chemischen Recyclings können nicht beliebig Kunststoffverbindungen zugeführt werden.

Es bestehen Anforderungen in Bezug auf Verunreinigungen oder im Plastik gebundene Stoffe wie Chlor oder Sauerstoff, die bei der Pyrolyse zu ungewollten Reaktionen führen können. Die Schwierigkeit besteht also vor allem darin, eine geeignete "funktionierende Mischung" aus den Ersatzbrennstoffen abzuscheiden, erklärt Aschermayer. "Chlor beispielsweise verursacht bei der Pyrolyse eine Säure, die die Anlage schädigt. Wir müssen uns also gezielt die Abfallströme anschauen und sie mit wenig Aufwand so vorsortieren, dass der Chloranteil unter einer Unbedenklichkeitsgrenze ist." Jene Stoffströme, die mit der experimentellen Pyrolyseanlage gut funktionieren, sollen später auch im großen Maßstab verarbeitet werden.

Mehrere Hundert Grad

Am Ende der Pyrolyse steht ein 400 Grad heißes Pyrolysegas, aus dem in zwei Kondensationsschritten Ölanteile abgeschieden werden, die insgesamt bis zu 80 Prozent ausmachen. Jene Anteile, die bei den hohen Temperaturen nicht gasförmig sind, bleiben als Koks zurück. Was hingegen nach der Abkühlung auf Raumtemperatur nach wie vor gasförmig ist, wird schließlich zur Gewinnung von Prozessenergie genutzt.

Der große Ölanteil kann schließlich als Ersatz für sogenanntes Naphtha genutzt werden – ein frühes Verarbeitungsprodukt von Erdöl, das als Rohstoff für die Kunststoffproduktion dient. Bis dato sind die Anteile von synthetischem Naphtha in der chemischen Industrie noch verschwindend gering, doch mit der Weiterentwicklung und Verfeinerung der Recyclingprozesse in den kommenden Jahren sollen sie stark ansteigen.

Fleißaufgabe

Damit das chemische Recycling Fahrt aufnimmt, braucht es jedoch nicht nur die technischen, sondern auch die rechtlichen Voraussetzungen, die diese Art der Wiederverwertung von einer höherpreisigen "Fleißaufgabe" zu einem Standardverfahren zum Erreichen hoher Wiederverwertungsquoten machen.

Der zentrale Mechanismus dafür ist die EU-Verpackungsverordnung, die 2030 in Kraft treten soll – auf sie wartet die Branche. Aschermayer: "Viele Kunststoffproduzenten sind bereits dabei, großtechnische Anlagen mit Kapazitäten von jeweils mehreren Hunderttausend Tonnen zu bauen. In fünf Jahren können diese Kapazitäten dann am Markt sein." (Alois Pumhösel, 18.12.2023)