Eine Studentin der Wiener Universität hat eine Bachelorarbeit geschrieben, in der eine "als Frau gelesene Person" vorkommt. Als Angehörige der älteren Generation stolpert man über diesen Begriff. Ist diese als Frau gelesene Person nun eine Frau oder nicht? Du nimmst sie von außen als Frau wahr, wird man belehrt. Was sie wirklich ist, weißt du nicht, und es geht dich auch nichts an.

Gendersternchen
Nicht allen passt das Gendersternchen.
IMAGO/Bihlmayerfotografie

Das Thema "Geschlechterfluidität" ist eine Frage, die bei den Jungen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Homosexualität ist in unseren Breiten inzwischen fast völlig akzeptiert. In Russland und im Iran wird man deshalb immer noch verfolgt, aber bei uns haben auch die allermeisten konservativen Menschen nichts mehr dagegen, wenn Männer Männer und Frauen Frauen lieben. Relativ neu hingegen ist die intensive Beschäftigung mit allem, was "dazwischen" liegt – trans, queer, nichtbinär. Die Buchstabenfolge LGBTQ gehört mittlerweile zum Alltagsvokabular.

Hier tut sich eine Bruchlinie zwischen den Generationen auf. Was ist übertrieben, was ist "normal"? Ist es wirklich wichtig, dass es neben Herren- und Damentoiletten noch ein drittes Klo für "Weder-noch-Menschen" gibt? Darf man weiterhin zur Begrüßung eines Publikums "meine Damen und Herren" sagen? Manche fühlen sich dadurch ausgeschlossen und diskriminiert.

Im Englischen hat sich vielerorts die Bezeichnung "they" für Menschen durchgesetzt, die weder "he" noch "she" genannt werden wollen. Und ein Gymnasiast berichtet von einer Schulkollegin, die sagt, dass sie sich manchmal als Mädchen fühlt und manchmal auch als Bub.

Grund zur Aufregung? Offenbar ja. An der Frage des Genderns haben sich in letzter Zeit hitzige Diskussionen entzündet. Mancherorts ist es verboten, andernorts vorgeschrieben. Und aus dem "Problem", ob man Gendersternchen benutzen und -Innen sagen darf, soll oder muss, beziehen laut Umfragen nicht wenige Bürger sogar ihre politische Position.

Wer absolut gegen Gendern ist, wählt FPÖ, wer absolut dafür ist, wählt Grüne. Der Kronen Zeitung-Kolumnist Heinz Sichrovsky hat die Auswüchse der Gendermode zum Hauptthema seiner Kolumne gemacht. Darf man noch "Kruzitürken" sagen? Oder müsste es nicht eigentlich "Kruzitürk-Innen" heißen? Das ist wenigstens witzig.

Vielleicht täte allen Beteiligten ein wenig Gelassenheit gut. Männer mit weiblichen und Frauen mit männlichen Zügen hat es schließlich immer gegeben. Kein Grund für einen Kulturkampf. Und schon gar nicht sollten wir Lebensfragen der Demokratie, und um die geht es bei der Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus, von Lifestyle-Moden abhängig machen.

Ja, man kann "Kruzitürken" sagen und trotzdem demokratische Parteien wählen. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 14.12.2023)