Seit einem Jahr haben die rumänische und die bulgarische Regierung den Eindruck, dass Österreich mit ihnen "Moving Target" spielt, wenn es um den Schengen-Beitritt geht. Obwohl Bukarest und Sofia alles erfüllt haben, ändert Wien die Bedingungen. Nun verlangt Innenminister Karner, dass Asylwerber in Österreich, die zuvor in einem der beiden Länder waren, schneller in diese zurückgebracht werden. Erst dann will man das Schengen-Veto lockern. Diese Frage hat freilich nichts mit den Schengen-Beitrittsbedingungen zu tun.

Während man Bulgarien und Rumänien abkanzelt, wird gleichzeitig die antieuropäische Blockiererregierung in Ungarn geschont. Dabei ist es gerade der ungarische Premier Viktor Orbán, der auch wegen mehr Finanzhilfen für die Ukraine die gesamte EU erpresst, der Österreich die größten Probleme macht. Denn Ungarn registriert einfach keine Migranten, damit Österreich auch keine retour schicken kann. Von etwa 110.000 aufgegriffenen Personen wurden 2022 über 75 Prozent erstmalig in Österreich registriert. 90 Prozent von ihnen wurden an der Grenze zu Ungarn erfasst. Über Rumänien kommen hingegen nicht mal zwei Prozent der Migranten.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP)
Stellt auf einmal neue Bedingungen: Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).
APA/GEORG HOCHMUTH

Wieso aber packelt Österreich trotzdem mit den Demokratiefeinden in Serbien und Ungarn, die die Nachbarn dominieren wollen und die Position des Kreml und Chinas stärken? Ungarn hat in Südosteuropa in den vergangenen Jahren massiv seine Macht ausgebaut – in Wirtschaft und Politik, aber auch im Sicherheitsbereich. Das macht die Region noch unsicherer und kann nicht im Interesse von Österreich sein.

Transformation

In Mittel- und Südosteuropa gäbe es viel vertrauenswürdigere Verbündete. Während Österreich in den 1990ern und 2000ern noch darauf drängte, in der Region eine positive politische Transformation zu mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fördern, so untergräbt man nun mit dem Schengen-Veto selbst Werte wie Nachvollziehbarkeit, Verlässlichkeit und Transparenz und zerstört auch Vertrauen.

Das Schengen-Veto hat vor allem die Beziehungen zu Rumänien schwer beschädigt. Das hat auch energie- und sicherheitspolitische Auswirkungen. Rumänien und Bulgarien sind zentrale Staaten, um die Gefahr, die vom Kreml für ganz Europa ausgeht, zu minimieren. Österreich braucht diese Partner in Osteuropa auch für die eigene Sicherheit.

Die österreichische OMV ist zudem am Neptun-Deep-Projekt im Schwarzen Meer beteiligt. Ab 2027 soll es zehn Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr produzieren und kann helfen, die Abhängigkeit Österreichs vom russischen Gas massiv zu dezimieren. Das sollte uns interessieren. Doch bei den derzeit Regierenden in Wien fehlt es an Bewusstsein für die Wichtigkeit des mittel- und südosteuropäischen Raums. Dabei sollte dies eigentlich zum historisch begründeten Selbstverständnis der Republik gehören.

Das Schengen-Veto ist auch in wirtschaftlicher Hinsicht Unsinn. Denn Grenzkontrollen verursachen Handelskosten. Durch ihre Aufhebung würden österreichische Unternehmen profitieren. Stattdessen hat man in Wien das Thema Migration zu einem derart mächtigen Fetisch erkoren, dass es sogar die Außenbeziehungen dominiert. Es ist an der Zeit, geopolitischer und umfassender zu denken und wichtige Verbündete in Osteuropa nicht zu vergrämen. (Adelheid Wölfl, 15.12.2023)