Mann und Frau unterhalten sich in einem Meetingraum
Rund 80 Prozent der Befragten wollen mehr Solidarität in der Arbeitswelt und wünschen sich, dass es jemand anspricht, wenn es zur ungleichen Behandlung von Mitarbeitenden kommt.
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Österreich wünscht sich mehr Solidarität am Arbeitsplatz. Wenn es jedoch um ein aktives Einschreiten geht, zeigt man sich zurückhaltend. Diskriminierende Bezeichnungen, vernommener Sexismus und das Aussprechen sexistischer Begriffe werden von vielen toleriert. Das zeigen die Kernergebnisse der Umfrage zur "Allyship am österreichischen Arbeitsmarkt" der Initiative Weconomy und der Kommunikationsagentur Ketchum. Befragt wurden im September 2023 rund 1000 Personen im Alter zwischen 14 und 75 Jahren aus ganz Österreich.

Nur zehn Prozent aller Männer und 23 Prozent aller Frauen bezeichnen sich demnach als Feminist bzw. Feministin. Insgesamt sind es damit 16 Prozent aller Befragten. Besonders verbreitet scheint diese Ansicht unter jungen Menschen, ein Drittel aller 14- bis 19-Jährigen sieht sich als feministisch. Bei den 40- bis 59-Jährigen ist es hingegen durchschnittlich nur jede und jeder Zehnte.

Für 61 Prozent der Befragten bedeutet Feminismus, sich für Frauenrechte zu engagieren, die Hälfte der Befragten definiert den Begriff dahingehend, dass man sich für die Selbstbestimmung von Frauen engagiert. Feminismus wird aber teilweise auch negativ assoziiert: Acht Prozent sehen darin die Unterdrückung von Männern, elf Prozent eine Abneigung gegen Männer und 17 Prozent eine Bevorzugung von Frauen. Jede zweite Frau und acht von zehn Männern bezeichnen sich dezidiert nicht als feministisch und distanzieren sogar sich von dem Begriff.

Weniger solidarisch

Im Rahmen der Umfrage wurde ebenfalls erhoben, in welchen Diskriminierungsfällen am Arbeitsplatz die Befragten aktiv werden würden. Hierbei wurden Situationen vorgegeben, in denen physische Übergriffe stattfinden und Anmerkungen mit ableistischen (die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung), sexistischen, rassistischen und queerfeindlichen Hintergründen getätigt werden. Bei einem körperlichen Angriff würden laut eigenen Angaben 89 Prozent der Personen aktiv werden. Nur die Hälfte aller Männer schreitet jedoch ein, wenn ein Mitarbeitender in Anwesenheit einer Kollegin einen sexistischen Witz macht. Wenn keine Frau anwesend ist, sinkt die Solidarität sogar nochmal.

Frauen gaben an, wesentlich öfter bei Diskriminierungsfällen einzuschreiten als ihre männlichen Kollegen. Am solidarischsten zeigt man sich mit Menschen mit Behinderung. Wenn ein Witz auf deren Kosten am Arbeitsplatz geäußert wird, schreiten 72 Prozent der Männer und 83 Prozent der Frauen ein. Bei homophoben Äußerungen würden 72 Prozent der Frauen und 65 Prozent der Männer einschreiten. Bei rassistischen Witzen bzw. der Verwendung des "N-Wortes" würden 57 Prozent der Frauen und 45 Prozent der Männer einschreiten. Bei sexistischen Witzen würden 48 Prozent der Frauen und nur 29 Prozent der Männer einschreiten.

Jedoch kennen mehr als die Hälfte der Befragten das Gefühl, sich im Job unfair behandelt zu fühlen, und würden sich wünschen, dass ihnen dabei geholfen wird. Neun von zehn Personen ist es außerdem wichtig, sich sicher zu fühlen und ihre Meinung am Arbeitsplatz teilen zu können. Rund 80 Prozent der Befragten wollen auch mehr Solidarität in der Arbeitswelt und wünschen sich, dass es jemand anspricht, wenn es zur ungleichen Behandlung von Mitarbeitenden kommt.

Privilegien teilen

Aber warum zeigen sich Frauen solidarischer als ihre Kollegen? "Wir Frauen profitieren nicht so stark vom bestehenden System wie unsere männlichen Kolleg:innen. Das System zu kritisieren, von dem man profitiert, ist schwierig. Sich für andere einzusetzen heißt, seine Privilegien zu teilen. Wir können uns jeden Tag dazu entscheiden, mutig zu sein und uns aktiv für Gleichgerechtigkeit in unserer Welt einzusetzen", erklärt Manisha Joshi, Business Director und Head of Diversity bei Ketchum.

Vor allem Männern komme daher in der erfolgreichen Implementierung von Diversität und Inklusion im Unternehmen eine wichtige Rolle zu. „Ein Feminist zu sein bedeutet für mich, ein Ally (englisches Wort für Verbündete, Anm.) zu sein. Und hier sind auch Männer gefordert. Wir profitieren alle von einer gleichberechtigten Gesellschaft. Diversität wird immer mehr zum entscheidenden Zukunftsthema – vor allem auch für die österreichischen Unternehmen", sagt Hermann Sporrer, Co-Founder von Sheconomy und der Initiative Weconomy. (red, 15.12.2023)