Ein Schiff der taiwanesischen Evergreen im Abendrot
Rund zwölf Prozent des Welthandels nehmen die kürzeste Route zwischen Europa und Asien im Roten Meer.
AP/Jerry Jackson

Die jüngsten Angriffe der jemenitischen Huthi-Rebellen auf Frachter im Roten Meer wirken sich zunehmend auf die Sicherheit der internationalen Schifffahrt in den dortigen Gewässern und um die Südküste des Jemens aus. Dort verlaufen wichtige Routen zwischen Afrika und Asien sowie über den Suezkanal am Nordende des Roten Meeres von und nach Europa. Zentral ist die Verbindung auch für den Öltransport.

Dadurch wächst die Gefahr, dass sich die Krise – die bisher vor allem die Transporte von Industriewaren betraf – auch auf den Energiesektor ausweiten könnte. Die mit dem Iran verbündeten Huthi hatten angekündigt, aus Solidarität mit der ebenfalls vom Iran unterstützten Hamas Schiffen mit Verbindung zu Israel den Weg zu versperren.

Liste an Unternehmen wird länger

Die gehäuften Angriffe seit vergangener Woche zeigen Wirkung. Nachdem sich bereits in den vergangenen Tagen vier der fünf weltgrößten Container-Reedereien aus dem Gebiet zurückgezogen haben, meidet nun auch der taiwanesische Riese Evergreen die Route – und damit auch Lieferungen von und nach Israel. "Im Interesse der Sicherheit von Schiffen und Besatzung hat Evergreen Line beschlossen, ab sofort keine israelische Fracht mehr anzunehmen", hieß es in einer Erklärung.

Damit reiht sich die Reederei in eine immer länger werdende Liste an für den Welthandel bedeutsamen Unternehmen ein, die in Folge der Angriffe auf Handelsschiffe auf längere Routen um die Südspitze Afrikas ausweichen.

Den Anfang machten die dänische Reederei Maersk und Deutschlands größtes Schifffahrtsunternehmen Hapag-Lloyd. Kurz später folgten Weltmarktführer MSC aus der Schweiz und die französische Containerschiff-Reederei CMA CGM. Dazu gesellen sich seit Wochenbeginn auch der Ölkonzern BP, der alle Transporte durch das Rote Meer ausgesetzt hat, sowie das norwegische Öl- und Gasunternehmen Equinor. Weitere Unternehmen in der Liste sind die Öltankergruppen Frontline (Norwegen) und Euronav (Belgien) sowie die Container-Reedereien HMM (Südkorea), OOCL (Hongkong), Yang Ming und nun Evergreen (beide Taiwan).

Damit meiden bzw. umfahren mittlerweile sieben der zehn größten Container-Reedereien die Schifffahrtsroute, durch die rund zwölf Prozent des Welthandels fließen. Ihr weltweiter Marktanteil, gemessen an Ladungskapazität, beträgt in Summe rund 65 Prozent.

Allianz unter Federführung der USA

Als Reaktion darauf haben die USA die Schaffung einer multinationalen Allianz zur Sicherung der Schifffahrtsrouten im Roten Meer bekanntgegeben. Der Einsatz trage den Namen Operation Prosperity Guardian (etwa: Schutz des Wohlstande), erklärte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Montag. Beteiligt sind demnach auch Großbritannien, Bahrain, Kanada, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, die Seychellen und Spanien.

Geplant seien gemeinsame Patrouillen im südlichen Roten Meer und dem Golf von Aden. Austin, der sich derzeit in der Region aufhält, teilte mit, es handle sich um eine internationale Herausforderung, die ein gemeinsames Vorgehen erfordere. Alle Länder, die die freie Schifffahrt aufrechterhalten wollten, müssten sich zusammentun. Die "jüngste Eskalation der rücksichtlosen Huthi-Angriffe" bedrohe den freien Handel, die Sicherheit der Seeleute und verstoße gegen das Völkerrecht. Das Rote Meer sei für den internationalen Handel von entscheidender Bedeutung.

Bislang geringe Auswirkungen auf Welthandel

Trotz der Bedeutung für den Welthandel erwiesen sich die Effekte bislang als gering. Die Börsenpreise für Öl waren am Montag kurzfristig gestiegen, stabilisierten sich aber schnell wieder. Die Börsenkurse der Reedereien konnten gar kräftig zulegen. Die längerfristigen Wirkungen sind derzeit noch schwierig zu beurteilen, in Expertenkreisen wird ein Lieferkettenchaos wie bei der Suezkanal-Blockade 2021 aber als unwahrscheinlich angesehen.

Wenig beeindruckt zeigten sich bislang die für die Angriffe verantwortlichen Huthi-Rebellen. "Selbst wenn es den USA gelingt, die gesamte Welt zu mobilisieren, werden unsere Militäreinsätze nicht enden", erklärte Huthi-Vertreter Mohammed al-Buchaiti am Dienstag. (dwo, APA, Reuters, 19.12.2023)