Die Scythe ist in Massen produzierbar, kann eine Fracht von 43 Kilo befördern und hat eine Reichweite von mindestens 750 Kilometern.
Terminal Autonomy

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Kriegsführung für immer verändert. Angreifer wie Verteidiger setzen auf eine Waffe, die davor noch nie in diesem Ausmaß eingesetzt wurde: unbemannte Fluggeräte oder Drohnen.

Zivile Modelle werden zu Kamikazedrohnen umgebaut und gezielt in Luken von Panzern oder in Unterstände gelenkt, größere Varianten wie die iranische Shahed-136 werden von Russland eingesetzt, um ukrainische Städte anzugreifen. Ein Wettlauf hat sich entwickelt: Wer kann die Signale feindlicher Drohnen stören? Wer kann die Flugabwehr austricksen?

Drohnen-Start-up

Aber am Ende steht immer die Kosten-Nutzen-Rechnung: Eine mit Hightech vollgestopfte Drohne nützt nichts, wenn am Ende ihr Einsatz viel zu teuer ist. Deshalb geht das ukrainische Militär jetzt einen anderen Weg. Neben Drohnen aus Pappe setzen die Verteidiger nun Einwegdrohnen ein, deren Zusammenbau keinerlei Vorkenntnisse benötigt und die so billig sind, dass sie in Massen eingesetzt werden können.

Die AQ 400 Scythe (also Sense) genannte Drohne sieht aus, als wäre sie in einer Hinterhofgarage zusammengebaut worden, was wahrscheinlich nicht ganz weit weg von der Wahrheit ist. Dennoch soll die Neuentwicklung sogar Moskau erreichen können.

Die erste Charge der neuen und kostengünstigen Drohnen wurde an das ukrainische Militär ausgeliefert, wie das Herstellerunternehmen namens Terminal Autonomy bekanntgegeben hat. Früher war das Unternehmen als One Way Aerospace bekannt. Dabei handelt es sich um ein Ende 2022 gegründetes Start-up, das von kanadischen und britischen Militärveteranen sowie einem ukrainischen Ingenieur mit dem Ziel gegründet wurde, die Ukraine mit kostengünstigen, aber schlagkräftigen Drohnen zu versorgen.

Aktuell werden laut den Angaben des Unternehmens 100 Stück der Scythe pro Monat produziert, später soll die Zahl der hergestellten Exemplare auf 1.000 steigen. Das Ziel: Die Drohnen sollen billig, entbehrlich, einfach herzustellen und in Massen verfügbar sein. Auf Hochglanz polierte Fluggeräte, die auf Waffenmessen medienwirksam präsentiert werden, darf man sich aber nicht erwarten. Das Design der AQ 400 nennt das Unternehmen dementsprechend auch "schnörkellos".

Russlands Hinterland als Ziel

Die Scythe verfügt über ein Flügelpaar vorn und hinten und einen rechteckigen Rumpf. Die Drohne kann aus eigener Kraft über ein dreirädriges Fahrwerk von kurzen Bahnen gestartet werden. Dazu kann ein Katapult oder mehrere kleine Raketenbooster eingesetzt werden. Die Drohne hat eine Spannweite von 2,3 Metern und eine maximale Abflugmasse von 100 Kilo. Ein kleiner Motor und ein Propeller am Heck sorgen für Vortrieb. Durch die leichte Bauweise und das eher anspruchslose Design soll die Scythe binnen weniger Minuten einsatzbereit und startklar sein, so Terminal Autonomy.

Trotz ihrer kruden Erscheinung steckt in der Scythe aber immer noch eine tödliche Waffe. Mit einer Traglast von 43 Kilo kann die neue Drohne eine ähnlich große Sprengladung aufnehmen wie die von Russland massenweise eingesetzte Shahed-136. Francisco Serra-Martins, einer der Gründer des Unternehmens, hat gegenüber "Forbes" angedeutet, dass die Drohne standardmäßig mit einer Aerosolbombe oder zwei 122-Millimeter-Artilleriegranaten bewaffnet sein soll.

Diese Ladung soll die Scythe über 750 Kilometer weit transportieren können, wobei der Firmenchef selbst sogar von einer Variante mit 900 Kilometern Reichweite spricht. Sollten diese Angaben stimmen, wäre Moskau für die AQ 400 auch erreichbar, wenn sie aus dem relativ sicheren Westen der Ukraine gestartet wird. Ein Umstand, auf den Terminal Autonomy auch gerne hinweist. Ein jüngst auf X, vormals Twitter, veröffentlichtes Video ist mit "Nach Moskau" betitelt.

Scythe erreicht eine Reisegeschwindigkeit von 144 Kilometern pro Stunde und eine Spitzengeschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde und hat eine maximale Ausdauer von sechseinhalb Stunden. Eine Rückkehr aus dem Einsatz ist für die Drohne nicht vorgesehen. Das Fluggerät ist in der Lage, Videos an das Bedienpersonal zu übertragen, und kann damit präzise ins Ziel gelenkt werden. Außerhalb der Funkreichweite wird die Scythe von einem Autopiloten gesteuert.

Sperrholz aus Möbelfabriken

Der Rumpf der Drohne wird aus gefrästen Sperrholzplatten aus ukrainischen Möbelfabriken hergestellt, was laut Terminal Autonomy eine besser skalierbare Alternative zum 3D-Druck darstellt. Berichten zufolge ist für die Herstellung der Drohnen keine technische Ausbildung erforderlich, sodass sie in großem Maßstab ohne qualifizierte Arbeitskräfte hergestellt werden können. Jüngste Zahlen deuten darauf hin, dass ein Exemplar der Scythe etwa 15.000 Dollar kostet. Je nach Ausstattung könnten die Stückkosten auf etwa 30.000 Dollar steigen, berichtet "The Warzone". Das wäre in etwa in dem Kostenbereich der iranischen Shahed-136.

Die Scythe ist nicht die einzige Drohne von Terminal Autonomy. Das Unternehmen produziert auch kleinere Drohnen. Die AQ-100 Bayonet und die aus der Egoperspektive steuerbare AQV-150 Scalpel verfügen jedoch über eine deutlich geringere Reichweite als die AQ-400 Scythe. Laut eigenen Angaben sei es das Ziel des Unternehmens, "strategische Kriegsführung zu demokratisieren". (pez, 20.12.2023)