Ungerecht findet die neue SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar die für alle gleiche Haushaltsabgabe für den ORF ab 2024. Sie spricht sich im STANDARD-Interview für einen einkommensabhängigen, sozial gestaffelten ORF-Beitrag aus. Sofort umsetzbar wäre eine Erweiterung der Befreiungen von der neuen ORF-Gebühr: Junge Menschen bis 24 sollten grundsätzlich keinen ORF-Beitrag zahlen. Die dadurch entfallenden Einnahmen solle die Republik dem ORF abgelten, sagt Duzdar.

Die SPÖ hat gerade mit ÖVP und Grünen das neue Informationsfreiheitsgesetz unter Bedingungen mitbeschlossen. Bedingung der Sozialdemokraten war etwa, dass journalistische Recherchen bei Anfragen an öffentliche Stellen nun besser geschützt sind und die von den journalistischen Anfragen Betroffenen von den öffentlichen Stellen nicht informiert werden. "Das ist essenziell für investigativen Journalismus. Wir stellen uns schützend hinter die Journalisten", sagt Duzdar.

SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar.
"Ich zahle schon immer ORF-Beitrag": SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar.
Imago / SepaMedia / Martin Juen

"Sozial ungerechtes Modell"

STANDARD: Haben Sie sich schon für den ORF-Beitrag angemeldet?

Duzdar: Ich zahle schon immer ORF-Beitrag, bisher in Form der GIS-Gebühr. Ich habe einen Einziehungsauftrag, da wird gleich abgebucht.

STANDARD: Für Ihre Kanzlei auch?

Duzdar: Das ist ein Einpersonenunternehmen.

STANDARD: Die sind ausgenommen von der Beitragspflicht ab 2024. Wie sieht denn die Mediensprecherin der SPÖ den ORF-Beitrag ab 2024, den alle bezahlen müssen? Die SPÖ hat diesem neuen ORF-Gesetz im Sommer ja nicht zugestimmt.

Duzdar: Wir haben dagegen gestimmt, weil die Haushaltsabgabe in dieser Form unsozial ist. Die ÖVP hat zu verantworten, dass wir jetzt ein sozial ungerechtes Modell haben. Der Beitrag wird pro Hauptwohnsitz eingehoben – egal, ob das nun ein Villenbesitzer ist oder eine Alleinerziehende mit drei Kindern. Das ist ungerecht.

STANDARD: Und Nebenwohnsitze sind nun vom Beitrag ausgenommen – auch wenn es eine Villa ist. Was wäre ein sozial gerechtes Modell?

Duzdar: Wir wollen ein einkommensabhängiges Modell. Wer mehr verdient, soll mehr ORF-Beitrag zahlen als jene mit geringeren Einkommen. Nun kommt diese ungerechte Haushaltsabgabe. Wir haben deshalb als kurzfristige Maßnahme eine Abfederung von Härtefällen beantragt.

STANDARD: Abfederung in welcher Form?

"Befreiungen vom ORF-Beitrag ausweiten"

Duzdar: Man müsste die Befreiungen vom ORF-Beitrag ausweiten. Bisher sind Befreiungen an den Bezug von Zuschüssen wie Pflegegeld, Studienförderungen oder Sozialhilfe geknüpft. Studierende oder junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trifft der neue Beitrag hart. Wir sagen: Junge Menschen bis 24 müssten vom ORF-Beitrag ausgenommen werden.

STANDARD: Die sich bisher als Streamer die GIS ersparten …

Duzdar: … und die aus demokratiepolitischen Überlegungen die Möglichkeit haben sollen, den ORF kostenlos zu nutzen. Um sie auch an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anzunähern. Das wäre ein wichtiger Schritt für die Demokratie. Wir haben einen entsprechenden Antrag im Parlament eingebracht und fordern die Befreiung.

STANDARD: Und der ORF soll wegen dieser Befreiungen entsprechend weniger Geld bekommen?

Duzdar: Diese Ausfälle müsste die Republik dem ORF abgelten.

STANDARD: 2024 wählt Österreich. Kommt die SPÖ in Regierungsverantwortung: Welches Modell der ORF-Finanzierung würden Sie durchsetzen wollen?

Duzdar: Eine einkommensabhängige Staffelung wäre sinnvoll und geboten. Aber in einem ersten Schritt könnte man entsprechend unserem Antrag gleich die Befreiungen ausweiten. Ab 1. Jänner 2026 werden nämlich die Möglichkeiten zur Befreiung nach aktuellem Stand im Gegenteil sogar eingeschränkt. Wohnkostenzuschüsse können dann nicht mehr angerechnet werden. Menschen mit geringerem Einkommen sollten aber befreit werden und nicht nur Bezieher von Sozialleistungen.

STANDARD: Das Beitragsmodell, eine Haushaltsabgabe, ist für Sie fix?

Duzdar: ÖVP und Grüne haben dieses Modell, gegen das wir gestimmt haben, beschlossen, und es tritt jetzt in Kraft. Es geht um die finanzielle Absicherung des ORF, die ist uns als Sozialdemokratie sehr wichtig. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk braucht eine gute wirtschaftliche Grundlage. Aber prinzipiell wollen wir für die Zukunft ein sozial gerechteres Modell.

"Die FPÖ möchte den ORF zerschlagen"

STANDARD: Die FPÖ kündigt an, die Haushaltsabgabe abzuschaffen, den ORF aus dem Bundesbudget zu finanzieren und ihn auf einen "Grundfunk" zusammenzustutzen.

Duzdar: Davon halten wir nichts. Die FPÖ möchte den ORF zerschlagen, wie sie es auch bei anderen öffentlichen Institutionen will. Das droht uns bei einer schwarzen-blauen Regierung und ist eine Gefahr für unsere Demokratie. Wir sind die einzige Oppositionspartei, die hinter einem gut abgesicherten ORF als wichtige Säule der Demokratie steht.

STANDARD: Es gibt schon noch die Neos, die sich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekennen.

Duzdar: Die ganz marktorientierten Neos haben ein prinzipielles Problem mit einer guten finanziellen Grundlage für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Auch sie würden den ORF zusammenschrumpfen. Und Herbert Kickl hätte den ORF am liebsten morgen weg.

STANDARD: Warum ist der SPÖ der ORF so wichtig?

Duzdar: Wir leben in einem Zeitalter von polarisierenden sozialen Medien, von Fake News. Da ist es besonders wichtig, einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit einem Bildungsauftrag, mit objektiver Berichterstattung zu haben. Wir wollen keine Entwicklungen erleben wie in manchen Nachbarländern, wo Populisten, wenn sie an die Macht kommen, als Erstes den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle bringen und darauf schauen, dass ihre Oligarchenfreunde die privaten Medien übernehmen.

STANDARD: Viele private Medienhäuser in Österreich stehen unter massivem wirtschaftlichem Druck – internationale Digitalriesen ziehen die Hälfte des Werbegelds ab, die Bezahlbereitschaft für digitale Inhalte ist noch überschaubar, Personal, Papier und Vertrieb haben sich gewaltig verteuert. Diese privaten Medienhäuser sehen den nun wirtschaftlich und mit mehr Onlinemöglichkeiten gestärkten ORF als weitere existenzielle Bedrohung.

Duzdar: Wenn der ORF weniger bekommt, bekommen die Privaten deshalb nicht mehr. Das Gegeneinander bringt uns nicht weiter. Ich sehe aber, dass alle privaten Medien wirtschaftlich unter enormem Druck stehen. Wir müssen als Politik den Medienstandort absichern.

STANDARD: Wie wollen Sie das tun?

Duzdar: Ohne Unterstützung auch privater Medien wird es nicht gehen. Die Politik muss sich entscheiden, ob sie noch österreichische Medien und Medienvielfalt hier haben will. Man muss private österreichische Medien unterstützen, damit sie eine langfristige Perspektive haben.

STANDARD: Das bedeutet mehr Medienförderung?

Duzdar: Mehr Qualitätsförderung. Die SPÖ hat gerade mit ÖVP und Grünen für die neue Journalismusqualitätsförderung gestimmt, unter der Bedingung, dass die Mittel für den Presserat aufgestockt wurden (Anmerkung: Auch die Neos stimmten dafür). Aber: Das ist zu wenig. Da muss mehr passieren. Hier fehlt mir ein Gesamtkonzept der Regierung, eine Vision für den Medienstandort, bis hin zu künstlicher Intelligenz und Abfluss von Werbegeld an Digitalkonzerne. Die SPÖ verlangt eine Zweckbindung der Digitalsteuer auf Werbung bei Google und Co für Medienförderung. Das sind immerhin rund 100 Millionen Euro pro Jahr. Wenn wir nichts tun, überleben nur jene, die gerade einen Oligarchenfreund gefunden haben, der sie finanziert.

STANDARD: Wenn der nicht gerade insolvent wird wie eine große Immobiliengruppe mit österreichischem Chef.

Duzdar: Für unsere Demokratie ist Medienvielfalt wichtig, die einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk einschließt.

"Die Kanzlerpartei hat einen übermäßigen Einfluss in den ORF-Gremien"

STANDARD: Der Verfassungsgerichtshof hat gerade entschieden, die ORF-Aufsichtsgremien sind zu regierungsnahe. Wie würde die SPÖ das Gesetz reparieren.

Duzdar: Die Kanzlerpartei hat einen übermäßigen Einfluss in den Gremien, da sind wir ganz der Meinung des Verfassungsgerichtshofs, und die ÖVP hat das exzessiv ausgelebt. Mit dem ORF-Beitrag muss die Vielfalt der Gesellschaft noch stärker in den ORF-Gremien abgebildet werden. Der Publikumsrat muss aufgewertet werden, mit mehr Vertretern der Zivilgesellschaft, mehr Verankerung der Sozialpartnerschaft, Menschen aus der Medienbranche, Vertretern der ORF-Redakteurinnen und Redakteure und nicht zuletzt des Publikums. Wir orientieren uns da am ZDF-Modell in Deutschland.

STANDARD: Das bedeutet einen deutlich größeren Publikumsrat und einen kleineren, operativen Stiftungsrat. Aber ein kleinerer Stiftungsrat scheitert bisher immer daran, dass alle neun Bundesländer dort weiter vertreten sein wollen und die Bundesregierung dann auch neun Sitze haben will.

Duzdar: Die Bundesländer könnten auch in einem aufgewerteten Publikumsrat Mandate bekommen.

STANDARD: Aufgewertet meint: Der Publikumsrat sollte dann auch Entscheidungskompetenzen bekommen?

Duzdar: Durchaus, etwa bei der Bestellung des ORF-Generaldirektors. Aber ich will da nicht ins Detail gehen, das erfordert eine gründliche Diskussion. Aber es müsste in die Richtung gehen. Damit die Bevölkerung, die dafür zahlt, auch repräsentiert ist.

STANDARD: Und das gilt auch noch, wenn die SPÖ den Kanzler stellen würde? Bisher ging Reformeifer für mehr Unabhängigkeit der ORF-Gremien rasch bei allen verloren, die in einer Bundesregierung waren und auf Einfluss im ORF und seinen Gremien hofften.

Duzdar: Unbedingt. Umsetzen können wir es erst in Regierungsverantwortung. Es braucht Veränderung. Der ORF muss stärker geschützt und verankert werden.

"Darüber will ich gar nicht nachdenken"

STANDARD: Für den Fall einer Koalition mit der FPÖ: Wäre die Absicherung eines abgesicherten ORF in bisheriger Form Koalitionsbedingung?

Duzdar: Darüber will ich gar nicht nachdenken. Das ist nicht in meiner Vorstellung. (Harald Fidler, 22.12.2023)