BYD Werk
Der chinesische Autokonzern BYD drängt nach Österreich. In einer öffentlichen Ausschreibung ging er vor Weihnachten als Sieger hervor. Mit juristischen Kniffen hätte man das verhindern können.
REUTERS/ADRIANO MACHADO

Für den Autoproduzenten BYD war es ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk: Mitte Dezember setzte sich der chinesische E-Auto-Dominator bei einer Ausschreibung der Bundesbeschaffungsagentur durch. 640 BYD-Pkws – den Großteil macht das Modell Dolphin aus – könnten demnächst als Behördenautos über Österreichs Straßen rollen. "Könnten" deshalb, weil es sich bei dem Deal um eine Rahmenvereinbarung ohne Abnahmeverpflichtung handelt.

Nichtsdestotrotz gibt das Verfahren einen Vorgeschmack darauf, was sich bei öffentlichen Beschaffungen in den nächsten Jahren abspielen könnte: Staatliche Institutionen sind dazu angehalten, auf Elektroautos umzurüsten – und sie müssen laut Vergaberecht das beste Angebot auswählen. Zuletzt mehrten sich deshalb Forderungen, die aufstrebende chinesische Autobranche von öffentlichen Vergabeverfahren auszuschließen. Aber wäre das rechtlich überhaupt zulässig?

Ausschluss auf Umwegen

Johannes Stalzer, Rechtsanwalt bei Schönherr, erachtet dies grundsätzlich als möglich – wobei es stark auf den konkreten Fall ankommt. Am einfachsten sei ein Ausschluss von Anbietern, die direkt aus China an einem Vergabeverfahren teilnehmen. Mit dem Government Procurement Agreement (GPA) gibt es zwar ein internationales Abkommen, das Diskriminierung verbietet; China ist aber kein Vertragsstaat. Auftraggeber könnten in einer Ausschreibung chinesische Anbieter deshalb explizit ausschließen.

Etwas schwieriger wird es, wenn das chinesische Unternehmen – wie im Fall von BYD – den Verkauf über ein europäisches Tochterunternehmen oder einen Vertriebspartner abwickelt. Hat das Unternehmen, das an der Ausschreibung teilnimmt, einen Sitz im EWR-Raum (EU, Island, Liechtenstein, Norwegen), wäre eine Diskriminierung jedenfalls verboten. Allerdings gibt es auch andere Möglichkeiten, chinesischen Unternehmen den Zugang zu europäischen Aufträgen zu erschweren, erklärt Stalzer.

Erschwerter Zugang

So können Auftraggeber in den Ausschreibungen etwa gewisse Kriterien und Anforderungen festlegen, die chinesische Anbieter in der Regel nur schwer erfüllen können. Das ist rechtlich zulässig, solange diese Kriterien und Anforderungen sachlich gerechtfertigt sind. In der Praxis kommen vor allem soziale oder ökologische Kriterien infrage – etwa zu Arbeitsbedingungen oder Umwelt Standards. "Gerade bei E-Autos bietet sich das an", sagt Stalzer. "Wenn man europäische Maßstäbe heranzieht, die chinesische Unternehmen in der Regel nicht erfüllen können, kann man ihnen de facto den Zugang zu europäischen Aufträgen erheblich erschweren."

Ähnlich sieht das Manfred Essletzbichler, Rechtsanwalt und Partner bei Wolf Theiss. "Wo ein Wille, da ein Weg." Schließlich schreibt das Vergaberecht nicht vor, dass der Auftraggeber das billigste Angebot annehmen muss, sondern das beste. "Jeder, der selbst schon einmal ein Auto gekauft hat, weiß, dass der Preis nur eines von mehreren entscheidenden Kriterien ist", ergänzt Anwaltskollege Johann Hwezda.

Verzerrende Subventionen

Dem vorgelagert stellt sich natürlich die Frage, ob ein Ausschluss chinesischer Auftraggeber politisch und wirtschaftlich überhaupt gewünscht ist. Wer chinesischen Anbietern den EU-Markt öffnet, schafft zusätzlichen Wettbewerb und erzeugt auf die europäischen Mitbewerber einen Druck, der sich auch positiv auf Preis und Qualität der Angebote auswirken kann.

Gerade bei chinesischen Anbietern stellte sich in den vergangenen Jahren aber zunehmend das Problem von Subventionen. Dank üppiger staatlicher Förderungen können chinesische Anbieter trotz hoher Transportkosten oftmals billiger anbieten als ihre Konkurrenz aus der EU. Der Wettbewerb wird dadurch erst recht ausgehebelt.

Die Europäische Union schuf mit dem Foreign Subsidies Regulation (FSR) daher eine zusätzliche Möglichkeit, EU-Tochterunternehmen von subventionierten chinesischen Konzernen bei Ausschreibungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Der Hintergrund: Während die von den EU-Mitgliedsstaaten gewährten Subventionen nach den EU-Beihilfevorschriften genau geprüft werden, werden Subventionen, die von Nicht-EU-Regierungen gewährt werden, bisher nicht kontrolliert. Die Regelung soll also zu mehr Chancengleichheit führen.

Volumen ab 250 Millionen

Konkret müssen Unternehmen, die an Ausschreibungen teilnehmen, künftig offenlegen, ob sie in den vergangenen drei Jahren Subventionen von Nicht-EU-Staaten in der Höhe von mehr als vier Millionen Euro bekommen haben. Die Europäische Kommission, die allein für die Umsetzung zuständig ist, kann entsprechende Auftragsvergaben auf Marktverzerrungen überprüfen und im Zweifel die Reißleine ziehen. Der Mechanismus ist seit vergangenem Jahr in Kraft, greift allerdings erst bei der äußerst hohen Schwelle von 250 Millionen Euro. Infrage kommen dabei vor allem große Infrastrukturvorhaben.

"Es ist gut, dass die EU-Kommission sich dazu durchgerungen hat, etwas zu tun, aber bislang hat die Verordnung in der Praxis noch keine Bedeutung", sagt Vergabeexperte Essletzbichler. Das liegt zum einen daran, dass das Regelwerk erst seit kurzem in Kraft ist. Zum anderen gibt es nur wenig Auftragsvergaben, die die Schwelle von 250 Millionen Euro überschreiten. "Relevant ist diese Schwelle zum Beispiel in der Baubranche. Da gab es bisher in Österreich aber keine chinesischen Anbieter. Anders ist das im Bereich der Bahn."

Der Grund für die hohen Schwellen dürfte abgesehen von dem hohen Verwaltungsaufwand für die EU-Kommission auch wirtschaftlicher Natur sein. "Wir leben in einer vernetzten Welt, in der die Abhängigkeiten relativ groß sind", sagt Hwezda. "Es gibt kein rein chinesisches und kein rein deutsches Auto. Irgendein technischer Bestandteil kommt immer aus einem anderen Teil der Welt." (Jakob Pflügl, 9.1.2024)