Füße eines Paares ragen aus einer Bettdecke. 
Feministinnen verhandeln sexuellen Konsens indes immer schon auch abseits des Strafrechts.
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"Whatever we wear, wherever we go, yes means yes and no means no!", riefen Teilnehmer:innen der "Slut Walks", die 2011 in Toronto starteten. Frauen sollten sich nicht "wie Schlampen kleiden", um nicht zum Opfer sexueller Übergriffe zu werden, hatte dort ein Polizeibeamter an der Universität verkündet. Die wütenden Proteste verbreiteten sich in zahlreichen US-amerikanischen und europäischen Städten und rückten das Thema des sexuellen Konsens ins öffentliche Bewusstsein. Sechs Jahre später trat die globale #MeToo-Bewegung eine regelrechte Lawine los: Betroffene von Belästigung am Arbeitsplatz oder Übergriffen im Klub wollten ihre Erlebnisse nicht länger als Bagatelle beiseitegewischt sehen.

Der feministische Kampf um Selbstbestimmung – nicht zuletzt über den eigenen Körper – ist indes so alt wie der Feminismus selbst. Lange Zeit mussten Frauen etwa bei einer Heirat ganz selbstverständlich Rechte aufgeben – bis hinein ins eheliche Schlafzimmer.

Gelächter über Vergewaltigung

Vergewaltigung in der Ehe wurde in Österreich nach zähen Kämpfen 1989 strafbar, Deutschland zog erst 1997 nach. Ein kurzer Ausschnitt aus der "Tagesschau", der sich im Netz verbreitete, gibt einen Einblick in die vorangegangenen Debatten. "Sind Sie dafür, dass Vergewaltigung in der Ehe in das Strafgesetzbuch kommt?", fragte Petra Kelly von den Grünen im Deutschen Bundestag. "Nein!", so die knappe Antwort des FDP-Abgeordneten Detlef Kleinert, quittiert von lautem Gelächter einer parlamentarischen Herrenrunde – 1983 ein wahrer Schenkelklopfer.

Die gesetzliche Anerkennung, dass Vergewaltigung auch innerhalb einer Ehe existiert und somit eine Straftat ist, kann als Meilenstein der Frauenbewegung betrachtet werden. Im vergangenen Jahrzehnt folgten weitere Reformen: Seit 2016 gilt etwa in Österreich das Prinzip "Nein heißt nein": Wer gegen den Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen vornimmt, macht sich strafbar – auch wenn es darüber hinaus nicht zu Gewalt oder Drohungen kommt. Nichtsdestoweniger münden nur wenige Anzeigen in einer Verurteilung, die Dunkelziffer nicht angezeigter Taten ist (international) hoch. Noch immer wiegen Angst, Scham- und Schuldgefühl sowie mangelndes Vertrauen in die Behörden schwer.

Bestärkende Botschaft

Feministinnen verhandeln sexuellen Konsens indes immer schon auch abseits des Strafrechts. "Nein heißt nein" sei keine Grundlage für konsensualen Sex, sind sich viele Denker:innen und Autor:innen einig: Erst eine aktive Zustimmung aller Beteiligten ermögliche einvernehmlichen Sex – und diese müsse im laufenden Austausch immer wieder gegeben werden. Kommunikation und Konsens sind sexy, so der Slogan – und keineswegs ein Lustkiller. Dass es in Ordnung ist, erst Sex zuzustimmen und es sich dann anders zu überlegen oder nicht mit allen Wünschen des Sexualpartners einverstanden zu sein, ist für viele Frauen eine wichtige wie bestärkende Botschaft. Noch immer halten sich Mythen hartnäckig, die auch Hollywood seit viele Jahrzehnten transportiert: Um nicht als Schlampen zu gelten, würden Frauen sich vor dem Sex erst einmal "zieren", Männer wiederum hätten sich nicht mehr im Griff, sobald sie die Lust überkommt – ihre Befriedigung steht stets im Mittelpunkt.

Feministische Aktivistinnen arbeiten unermüdlich daran, diese Erzählungen umzuschreiben. Die spanische Regierung erklärte "Nur ja heißt ja" kürzlich zum strafrechtlichen Prinzip, um die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen zu stärken. Die feministische Debatte darum, was Konsens tatsächlich ausmacht, ist indes noch lange nicht abgeschlossen. (Brigitte Theißl, 10.1.2024)