Freerider-Skifahrer
Beim Skifahren auf der Piste oder bei Skitouren im freien Gelände könnte ein neuer, vernetzter Skischuh das Unfallrisiko vermindern. Dazu müssen zahlreiche Daten ermittelt werden.
IMAGO/CHROMORANGE

Zeigt die App auf dem Smartphone "10" an, war es die perfekte Carving-Abfahrt. Dann sind die Skier vollkommen parallel und wie auf Schienen durch die Kurven gegangen, nur schnelles Gleiten, ohne die Bremswirkung einer Rutschbewegung. Ist die Zahl kleiner, waren die Schwünge dagegen nicht ganz so vollkommen. Man ist vielleicht da und dort ein wenig weggerutscht, stand nicht ganz günstig auf den Ski oder belastete sie nicht in optimaler Weise. Aus dem Feedback, das man sich vielleicht bei der Bergfahrt im Lift zu Gemüte führt, kann man Lehren für die nächste Abfahrt ziehen.

Die App, die bislang nur ausgewählten Testern und Testerinnen zur Verfügung stand, ist streng. "Ich bin eine gute Skifahrerin, und ich schaffe kaum eine 6 in der Carving-Bewertung", sagt Elisabeth Häusler. Als Leiterin der Human Motion Analytics Research Group beim Forschungsunternehmen Salzburg Research hat sie gemeinsam mit ihrem Team und in Kooperation mit Sport- und Bewegungswissenschaftern der Universität Salzburg die Technologie hinter dem digitalen Werkzeug zur Bewertung des skifahrerischen Könnens entwickelt. Sensorik am Skischuh erhebt und verarbeitet dabei die Daten, die dann an das Handy übertragen werden. Die Entwicklung, die in Zusammenarbeit mit einem großen Wintersportartikelhersteller entstand, wurde im Vorjahr mit dem renommierten Houskapreis in der Kategorie außeruniversitäre Forschung ausgezeichnet.

Skischuh im Test

Vergangenen Winter konnte das System bereits einer größeren Schar von Skifahrenden Feedback zu ihrer aktuellen Form geben, als es im Zuge einer großen Testkampagne mit mehr als 130 Teilnehmenden erprobt wurde. Begonnen hat die Entwicklung bei Salzburg Research, das im Rahmen des Comet-Programms des FFG mit Mittel von Wirtschaftsministerium und Klimaschutzministerium unterstützt wurde, allerdings bereits im Jahr 2019.

Skischuh App
Der Skischuh kommuniziert mit der App im Smartphone.
Salzburg Research/Atomic/Shutterstock

"Am Anfang stand die Analyse des Skischwungs im Labor. Mit ersten Ergebnissen sind wir dann raus auf die Piste, um mit mehreren kleinen Sensoren am Skischuh zu erproben, was wir in der Praxis überhaupt messen können", sagt Häusler. Die finale Version besteht nun aus zwei Beschleunigungssensoren. "Sie erheben Daten, aus denen unterschiedliche Metriken wie Trägheitskraft, Aufkantwinkel oder Neigung der Ski abgeleitet werden."

Effiziente Algorithmen

Die Sensoreinheiten sind gleichzeitig mit den nötigen Rechen- und Kommunikationsfähigkeiten ausgestattet, um die Daten an ein Smartphone zu schicken, um dort lokal die Auswertungen durchzuführen. "Die Herausforderung ist, die beschränkte Leistung dieser kleinen Hardwaresysteme mit möglichst effizienten Algorithmen gut zu nutzen", sagt Häusler.

Die Klassifizierung der skifahrerischen Fähigkeiten könnte für Häusler der Ausgangspunkt für eine ganze Reihe an Entwicklungen im Sportbereich sein. "Eine unserer Studien legt nahe, dass man aus den Daten unseres Klassifizierungssystems eine zunehmende Ermüdung des Sportlers herauslesen kann – etwa weil man immer öfter wegrutscht und im Vergleich weniger sauber fährt." Der vernetzte Skischuh könnte so einen Beitrag zur Unfallprävention auf den Pisten leisten.

Elisabeth Häusler Salzburg Research
Elisabeth Häusler von Salzburg Research wurde 2023 als Houska-Preisträgerin ausgezeichnet.
Salzburg Research

Eine mögliche weitere Anwendung, die allerdings noch evaluiert werden müsste, wäre die Adaptierung des Systems für Skitourengeher. Nicht nur die Abfahrt im Tiefschnee könnte hier bewertet werden, sondern auch der Aufstieg, bei dem ein gleichmäßiger Rhythmus und ein effizienter, synchroner Bewegungsablauf wichtig sind. "Grundsätzlich kann man die Technologie für jede sportliche Bewegung adaptieren", sagt Häusler. "Jeder Bewegungsablauf lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen, die bestimmte Eigenschaften haben und durch geeignete Parameter charakterisierbar sind." (Alois Pumhösel, 13.1.2024)