FPÖ Steiermark:
Mario Eustacchio (li.), Hauptbeschuldigter in der Causa um mutmaßlich veruntreutes Steuergeld, hat sich 2021 aus der Politik zurückgezogen. Beschuldigter Mario Kunasek will Landesparteichef bleiben.
FPÖ Stmk

Die FPÖ sieht sich seit vielen Monaten stabil im Umfragehoch, wenn es um die im Herbst anstehende Nationalratswahl geht. Der Erwartungsdruck ist hoch, das nach außen gezeigte Selbstvertrauen als Partei der kleinen Leute, die "denen da oben" beim Geldverteilen auf die Finger schauen will, auch. Doch gewählt wird im Herbst auch ein neuer Landtag in der Steiermark, und dort schleift die Landespartei eine millionenschwere Finanzaffäre seit über zwei Jahren mit wie einen Mühlstein.

Neue Untersuchungsausschüsse

Die Bundespartei, die ihr Neujahrstreffen ausgerechnet in Premstätten bei Graz abhält, ist bemüht, darüber noch hinwegzusehen. Doch mit der morgigen konstituierenden Sitzung der neuen Untersuchungsausschüsse im Parlament könnte der Druck auf die Blauen in und jenseits der Steiermark größer werden. Denn sowohl die SPÖ-Abgeordnete Eva-Maria Holzleitner als auch der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger haben Ende 2023 am Rednerinnenpult im Hohen Haus bzw. Hanger in einem Interview mit der Presse angekündigt, dass sie sich die Causa genauer ansehen wollen. Die Neos haben mit Stephanie Krisper bereits Anfragen an Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) eingebracht.

Wie DER STANDARD berichtete, trat die Grazer Stadtparteispitze 2021 zurück, weil nach der Selbstanzeige des damaligen Klubdirektors Matthias Eder ruchbar wurde, dass Klubgelder veruntreut und auf dubiosen Wegen verschoben worden sein sollen. Der Selbstanzeige ging allerdings schon ein Schreiben eines anonymen Whistleblowers voraus, das dieser an mehrere Medien geschickt hatte.

Bedächtige Justiz

Erst danach wurde es ein Fall für die Justiz, die dem Anschein nach alles andere als hektisch in der Causa vorgeht. Allein dem ehemaligen Vizebürgermeister Mario Eustacchio sollen laut einem Sachverständigengutachten rund 350.000 Euro an Barabhebungen zugegangen sein, andere hohe Beträge gingen an anonyme Empfänger oder an bekannte Vereine und an den damaligen Klubchef Armin Sippel. Eustacchio und Sippel verschwanden ins Privatleben und werden seit damals als zwei von neun Beschuldigten geführt.

Unter den Beschuldigten ist auch der Landesparteichef Mario Kunasek, der planmäßig als Spitzenkandidat für die Landtagswahl antreten soll. Er wird verdächtig, Beweismittel in der Causa nicht weitergegeben und als Zeuge falsch ausgesagt zu haben. Als Beschuldigter wurde er erst im vergangenen November einvernommen. Die meisten seiner Antworten wurden erst im Dezember schriftlich nachgereicht, wie die Staatsanwaltschaft Klagenfurt dem STANDARD am Mittwoch bestätigte. Die Klagenfurter hatten den Fall ein Jahr nach Eders Selbstanzeige von der Staatsanwaltschaft Graz übernommen. Bis dahin war wenig geschehen, außer dass man eine mögliche Befangenheit eines Grazer Staatsanwalts feststellte.

Zwiegespalten

Nach außen agieren Kunasek und sein Pressesprecher Stefan Herman weiterhin gelassen, als ginge sie die ganze Causa nichts an. Denn sie sei ja Sache der Stadtpartei, und die Landespartei habe von Anfang an Aufklärung gefordert, betonten Hermann und Kunasek wiederholt. Andererseits wurden Medienanfragen überhaupt seit Beginn des Skandals an die Landespartei verwiesen. Diese setzte auch mit Axel Kassegger einen umstrittenen neuen Stadtparteichef ein, während jene, die unangenehme Fragen stellten, kurzerhand aus der Partei geworfen wurden – mithilfe Herbert Kickls.

Die Landespartei scheint sich nicht entscheiden zu können, ob sie eigentlich eins mit der Stadtpartei ist (was juristisch der Fall ist) oder mit dieser und deren Vergangenheit nichts zu tun hat.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt über den Zeitraum, der angezeigt wurde. Doch Mario Eustacchio war seit 2008 Stadtparteiobmann in Graz sowie bereits seit 2005 Landesfinanzreferent der FPÖ. Und er prüfte auch jahrelang – jedenfalls bis 2019 – die Finanzen der Bundespartei. Auf die Frage an die Staatsanwaltschaft, ob die Ermittlungen nicht auf diese Jahre und die Landesebene ausgeweitet werden, heißt es aus Klagenfurt am Mittwoch: "Diesbezüglich liegen keine Anzeige bzw. keine Verdachtsmomente vor."

Keine regionale Causa mehr

Zu den aus der Partei geworfenen Politikern gehören bekanntlich die Stadträtin Claudia Schönbacher und der Klubchef Alexis Pascuttini. Diese wollten nicht weiter mit einem der Beschuldigten zusammenarbeiten und wurden daher ausgeschlossen. Sie und weitere Ex-Blaue benannten ihren Gemeinderatsklub in KFG um und machen seither – auch als Privatbeteiligte mit Akteneinsicht im Verfahren – Kunasek das Leben schwer. Pascuttini schreibt an einem Aufdeckerbuch. Gut vorstellbar, dass er als Zeuge im U-Ausschuss auftauchen wird.

Zu den bemerkenswerten Bewegungen auf FPÖ-Konten gehöre auch ein Darlehen in Höhe von 100.000 Euro, das einst Mario Eustacchio in seiner Doppelfunktion als Finanzreferent der FPÖ-Landespartei Steiermark der FPÖ-Graz – deren Stadtparteiobmann er zu dem Zeitpunkt war – gewährt hat, ohne dass die zuständige Stadtparteileitung der FPÖ Graz mit dieser Kreditaufnahme befasst worden sein soll. Pascuttini sagt am Mittwoch dem STANDARD: "Mehrmals wurde ich von Verantwortlichen der FPÖ Steiermark im Jahr 2022 aufgefordert, dieses 100.000-Euro-Darlehen der Partei mit Klubgeldern zurückzuzahlen, ich habe mit dem Hinweis darauf, dass dies rechtlich nicht in Ordnung ist, jegliche Rückzahlung des Darlehens durch den Gemeinderatsklub verweigert. Ich habe das auch der Staatsanwaltschaft Klagenfurt mitgeteilt, wurde aber dazu noch nie einvernommen." – Es gilt für alle Genannten die Unschuldsvermutung.

Indes stellte sich FPÖ-Chef Kickl am Mittwochabend in der ORF "ZiB 2" hinter seinen Parteikollegen in der Steiermark. Die Vorwürfe gegen Kunasek würden sich nicht bewahrheiten. "Ich weiß, dass Mario Kunasek ausgezeichnet ankommt", so Kickl. (Colette M. Schmidt, red, 10.1.2024)