27. Februar 1990: Nur 16 Tage nach seiner Freilassung trifft Nelson Mandela Palästinenserführer Yassir Arafat.
27. Februar 1990: Nur 16 Tage nach seiner Freilassung trifft Nelson Mandela Palästinenserführer Yassir Arafat.
REUTERS/Howard Burditt

Im Mai 1948, in der Geburtsstunde Israels, hat Südafrika als eines der ersten Länder den neuen Staat anerkannt. Nun, knapp 76 Jahre später, ist die Beziehung zwischen Südafrika und Israel an ihrem vorläufigen Tiefpunkt angelangt. Pretoria wirft Jerusalem vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) "völkermörderisches Handeln" im Gaza-Krieg vor und vergleicht Israels Umgang mit den Palästinenserinnen und Palästinensern mit dem einstigen südafrikanischen Apartheidsystem der Rassentrennung.

Genau dieser Vergleich führt zum Ursprung der Spannungen dieser beiden Länder. Zuvor aber, Anfang der 1960er-Jahre, hegte die damalige südafrikanische Protestbewegung African National Congress (ANC) noch Sympathien für Israel, genauso wie afrikanische Länder, die zu der Zeit unabhängig wurden. Das waren zahlreiche, darunter Kamerun, Marokko, Tunesien, der Tschad, der Kongo oder Nigeria. Sie sahen Israel, weil es sich ebenfalls aus der Unterdrückung befreit hatte, als potenziellen Verbündeten.

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Kriege sorgen für Umdenken

Das änderte sich mit dem Sechstagekrieg 1967, als Israel den Gazastreifen, das Westjordanland und Ostjerusalem unter seine Kontrolle brachte. Auch der Jom-Kippur-Krieg 1973 führte dazu, dass Israel mehr und mehr als Besatzungsmacht gesehen wurde – ein wunder Punkt bei den afrikanischen Ländern mit ihrer langen kolonialen Vergangenheit. Viele von ihnen brachen den Kontakt mit Israel ab.

In Südafrika hatte der ANC da bereits gute Beziehungen zur palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) aufgebaut. Als unterdrückte Widerstandsbewegung fühlte man sich einander verbunden. In den 1980er-Jahren wurde daraus gar ein strategisches Bündnis.

Israelische Waffen für Südafrika

Gleichzeitig näherte sich Israel dem Apartheidregime in Südafrika an. 1976 stießen der israelische Regierungschef Yitzhak Rabin und sein südafrikanischer Amtskollege John Vorster auf die "gemeinsamen Ideale Israels und Südafrikas" an. Vor allem im Rüstungsbereich kooperierte man eng, israelische Waffenfirmen exportierten einen großen Teil ihrer Produktion nach Südafrika.

Im Jahr 2010 wurden Dokumente bekannt, laut denen Israel Ende der 1970er-Jahre sogar versucht haben soll, dem Apartheidregime Atomwaffen zu besorgen. Und erst 1987, als eines der letzten Länder, verhängte Israel Sanktionen über das international schon weitgehend isolierte Südafrika.

Drei Jahre später, als Nelson Mandela freikam, traf er als einen der ersten ausländischen Politiker Palästinenserführer Yassir Arafat. Einige Monate später trug Mandela bei einem Treffen die Kufiya, das Palästinensertuch.

Nicht vergessen, nicht verziehen

Nun, im Jahr 2023, sieht sich der ANC, der in Südafrika seit 1994 an der Macht ist, angesichts seiner eigenen Geschichte dazu verpflichtet, unterdrückten Völkern beizustehen – und angesichts der früheren engen Beziehungen vor allem dem palästinensischen Volk. Gleichzeitig hat man Israels Kooperation mit dem Apartheidregime nie vergessen und verziehen. Immer wieder wird Israel von ANC-Politikern als "Apartheidstaat" bezeichnet.

Kurz nach den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober hatte Südafrika zwar die Taten verurteilt, aber auch Israels Politik gegenüber den Palästinenserinnen und Palästinensern kritisiert. Diese "leben seit fast 75 Jahren unter einer Besatzungsmacht", sagte Präsident Cyril Ramaphosa, der im Dezember demonstrativ ein Palästinensertuch trug.

Diplomaten abgezogen

Mittlerweile hat Südafrika sein diplomatisches Personal aus Israel abgezogen. Im November stimmte das Parlament für die Schließung der israelischen Botschaft in Pretoria, bis Israel die Kämpfe in Gaza beendet.

Juristisch klagte die südafrikanische Regierung nicht nur vor dem IGH, sondern forderte auch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) auf, mögliche israelische Kriegsverbrechen im Gazastreifen zu untersuchen und gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu einen Haftbefehl wegen Völkermords zu erlassen. (Kim Son Hoang, 11.1.2024)